Die Bayreuther Museumslandschaft setzt (zu sehr?) auf Wagner Bayreuth Museen in Bayreuth - Was da ist und was fehlt

Ein Essay von Michael Weiser
Noch ist das Haus Wahnfried nicht eröffnet. Wenn es einmal soweit ist - wird es dann das Leutturm-Projekt sein, das die Bayreuther Museumslandschaft braucht? Foto: Eric Waha Foto: red

Dieser Text wird keine Lösung sein. Es wird kein Versprechen sein, keine Ankündigung eines neuen Museums, das Bayreuth auf einen Schlag in die Gegenwart der Museumskultur katapultiert. Es wird keinen Plan geben für ein schickes Gebäude im Zentrum der Stadt oder einen charmanten Backsteinbau auf dem Gelände der Neuen Spinnerei. Bayreuth hat viele Museen. Aber vielleicht noch keines, in dem sich die Bayreuther wiederfinden.

 
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Man sollte besser gar nicht davon schreiben, was sein könnte. Dass Bayreuth ein Museum besitzen könnte, das Bayreuth selber präsentiert. Ein Haus, zu dem aber auch die Leute aus weiter Umgebung reisen, um etwas zu erleben, das nicht mit Wagner zu tun hat. Es geht hier um Bestandsaufnahme. Umd das was da ist. Und was fehlt.

Wagner zieht

Weil wir gerade bei Wagner waren: Es wird Wahnfried geben, frisch renoviert, aus- und umgebaut, in wenigen Wochen wird der liebe, teure Bau die Türen öffnen. Und das ist gut so. Es kann sein, dass sich dort etwas entwickelt. Ein kultureller Anziehungspunkt. Und Wagner zieht ja auch. Zumindest war es immer so.

Manchmal könnte man denken, dass Bayreuth ohnehin nicht mehr benötigt. Um zu erklären, warum Menschen nach Bayreuth kommen sollen, die keinen Behördengang zu absolvieren haben: Wagner. Um zu erklären, warum Hotels und Gaststätten in Bayreuth zu bestimmten Zeiten noch mal teurer sind als in normalen Zeiten: Wagner. Den Rest macht der Freistaat. Zum Beispiel mit dem Markgräflichen Opernhaus, der Eremitage, dem Neuen Schloss.

Bayreuth hat zwei Promis. Wilhelmine und Wagner. Das soll reichen. Wo findet sich Bayreuth wieder? Tut es das? Was ist mit Bayreuth selber? Was mit dem Leben in dieser Stadt, dem vergangenen, dem zukünftigen, dem gegenwärtigen? Wo ist der Ort, an dem sich die Bayreuther ihrer selbst vergewissern können? Wo sie etwas erfahren über Bayreuths Rolle in der Geschichte der Welt - ja, auch das gab es mal.Wo die Bayreuther etwas lernen müssen - davon soll nicht die Rede sein. Aber davon, wo sie die Lust dazu finden könnten: zu lernen, zu erfahren, zu spielen. Zu erleben.

Bayreuth hat echte Perlen wie das Freimaurermuseum

Bayreuth hat fast dreißig Museen. Wenn wir davon die Mehrfachbelegungen etwa im Neuen Schloss abziehen, sind es vielleicht zwei Dutzend. Unglaublich, was Bayreuth an Museen hat. Echte Perlen wie das Freimaurermuseum. Wie viele Bayreuther wissen, dass einer der wichtigsten Orte der deutschen Freimaurerei ausgerechnet Bayreuth ist?

Echte Wahnsinnsunternehmungen gibt es auch. Man denke an das Schreibmaschinenmuseum. Das sind Liebhaberobjekte. Entstanden, weil sich da Menschen mit Herzblut an etwas gewagt haben. Gegen die will ich schon gar nicht schreiben. Wer ohne Aussicht auf Entlohnung etwas für seine Stadt macht, macht - etwas Gutes. Da ist der Versuch schon Erfolg. Es kostet ja auch das Gemeinwesen nicht viel. Ein Argument in Zeiten wie diesen.

Aber: finden sich darin die Bayreuther wieder? Kommen dorthin Menschen, vielleicht auch, um etwas zu finden, nach dem sie eigentlich nicht gesucht hatten, was sie dennoch unterhält und bereichert? Ist Bayreuths Museumsszene nicht heillos vereinzelt und verzettelt? 

Ein gutes Museum kann vergangenes zum Leben erwecken

Museal ist langweilig, Museen dienen oft der Aufbewahrung. Für Sachen, die etwas über einen Ort, eine Zeit aussagen könnten. Aber auch für Hinterlassenschaften. Ein Sammler stirbt, die Erben wollen das Zeug nicht in der eigenen Wohnung haben, es aber auch nicht zum Sperrmüll bringen. Manchmal sind es Hinterlassenschaften längst vergangener Museumshüter. Ab und zu gibt es dann Ausstellungen, auch weil man sich dann beruhigt fühlt: Ach, da sind sie noch, die lieben, alten Stücke.

So kommt es zu dieser weit verbreiteten Meinung: Wer sich eine Staublunge einfangen wil, muss nur in ein Museum gehen und versuchen, den Grauschleier von den Vitrinen zu pusten. Museal ist ein anders Wort für langweilig. Dabei ist das ganze ein Missverständnis. Ein gutes Museum kann Vergangenes zum Leben erwecken. Es lädt ein, aus anderem Winkel auf die Gegenwart zu blicken. Und sich andere Gedanken über die Zukunft zu machen. Ein gutes Museum bewahrt. Und arbeitet am Bewahrten. Und vermittelt einen Eindruck davon, warum das Bewahrte all den Aufwand wert war.

Den der Möbelpacker, die Kisten geschleppt, den der Fachleute, die sich mit dem Kram beschäftigen. Bayreuth hat solche Museen. Das Kunstmuseum beispielsweise arbeitet gerade den Nachlass eines Malers auf. Und allein schon der gerechtfertigte Verdacht, dass es dieser Maler nicht verdient haben könnte, vergessen zu werden, ist ein Argument für Forschungsarbeit. 

Das heutige Bayreuth schlägt zu seinen Kriegserlebnissen keine Brücke

Bayreuth hat noch mehr zu bieten. Beispielsweise Jubiläen oder besser Gedenkjahre. Vor hundert und einem Jahr brach der Erste Weltkrieg aus. Vor 70 Jahren endete auch für Bayreuth in Trümmern und Flammen der nächste Weltkrieg. Der, den Hitler entfesselt hatte. Das heutige Bayreuth schlägt zu diesen Zeiten keine Brücke.

Bayreuth hat für eine relativ kleine Stadt eine relativ große Geschichte. Wir merken es aber nicht. Vielleicht wäre es doch an der Zeit, für ein Museum in Bayreuth zu plädieren. Ein großzügiges Gebäude, in dem Platz und Mittel genug vorhanden sind, um Bayreuths Geschichte wirklich zeigen zu können. Eines, das Gedenken an Widerstandskämpfer gegen Hitler nicht an einen Ort am Rande verbannt. Siehe Leuschner und seine Gedenkstätte, die irgendwie auch Museum sein will, aber es nicht ist. Und all die anderen Hitler-Gegner von Friedrich Puchta bis Oswald Merz nicht repräsentiert.

Eines, das den guten alten Jean Paul nicht zum Exorzisten für einen Erzrassisten machen will - Jean Paul wohnte nun einmal nie im Chamberlain-Haus. Als die Bayreuther dem Dichter ein Museum in der Nachbarschaft von Wahnfried einrichten, wollten sie damit auch Pilgerschaften zur Wohnstätte von Hitlers Stichwortgeber Chamberlain verhindern. Schon klar; aber da haben sich die Zeiten wirklich verändert.

Gedanken über ein neues, faszinierendes Museum

Chamberlain, die Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik sind für Forscher ein höchst interessantes Feld. Mit Spannung erwartet die Fachwelt Udo Bermbachs Chamberlain-Biografie. Wilhelmine? Müsste doch zukünftig genügend im Markgräflichen Opernhaus zu finden sein, um alle Wilhelmine-Fans zufrieden zu stellen. Es gäbe genügend anderes zu zeigen und zu erklären.

Bayreuth schaut nicht so zurück, dass man für die Gegenwart etwas erfahren könnte. Man hätte zeigen können, was der Erste Weltkrieg für Bayreuth bedeutete. Und die Luftangriffe am Ende des Zweiten Weltkriegs. Allein mit Tafeln auf Holzständern, die einem Straßenzüge vor Augen führen, wie sie damals verwüstet wurden, gelingt das kaum. Aber: Man kann immer noch zeigen, wie die eine Katastrophe die nächste bedingte. Und es gibt nur wenige Städte, in denen sich das so gut nachverfolgen lässt wie in Bayreuth. Eine wichtige Aufgabe, und sei es, damit wir Zeitgenossen, jung und alt, erkennen, was wir für ein Dusel haben - hier und jetzt in Bayreuth.

Es gibt auch in Bayreuth Menschen, die aus jüngster Erfahrung davon berichten könnten, wie es aussieht, wenn man nicht dieses Glück hat. Wenn das mit der Stadthalle mal erledigt ist, kann sich Bayreuth ja vielleicht doch Gedanken machen über ein neues, ein faszinierendes Museum. Eines, zu dem die Leute von weit außerhalb kommen. In dem sich aber auch die Bayreuther selbst wiederfinden.  

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