Mondrian und Warhol im Kunstmuseum

Von Michael Weiser

So viel Prominenz ist selten in Bayreuth: Andy Warhol, Piet Mondrian und viele andere Größen der Kunstgeschichte gibt es derzeit im Kunstmuseum zu erleben. In einer Auswahl des Sammlers Francesco Martani, die selbst als Gesamtkunstwerk durchgeht.

 
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Insgesamt rund 2000 Kunstwerke soll Franceso Martani gesammelt haben, Professor der Medizin, Kunstsammler und Mäzen. Eine Auswahl von 90 dieser Werke ist nun in Bayreuth zu sehen, in einer Zusammenstellung, die zuvor in Paderborn zu bewundern gewesen war. Man kann sich trotz der Vielfalt fragen, ob da nicht eigentlich nur ein einziges Kunstwerk zu sehen ist: ein großes Werk des Sammlers selbst, das sich zusammensetzt aus Dutzenden und Aberdutzenden Grafiken und Gemälden. Eine Collage von Kunstwerken vom Barock bis zur Moderne, die eines Mannes Geschmack und Kunstsinn in neue Zusammenhänge bringt.

Frommer Barock, frivole Moderne?

Was erklären würde, warum Marina von Assel, Chefin des Kunstmuseums Bayreuth, der Versuchung nicht nachgegeben hat, eine Konfrontation herbeizuführen. Nichts wäre einfacher gewesen, als beispielsweise Guido Renis Gemälde der Heiligen Maria Magdalena Andy Warhols Bildnis der Baronin Sylvia de Waldner hart nebeneinander zu hängen: Siehe, da der dem Himmel zugewandte Blick der Maria aus Magdala, dort die Jetset-Dame in bunten Farben, die nackt auf dem Bauch liegend unter der linken Achsel hindurch den Betrachter anblickt. Kann man die Kluft zwischen religiösem Barock und frivoler Moderne deutlicher zeigen?

Nein. Aber es wäre tatsächlich ein Irrtum. Weil es die Moderne an sich nicht gibt, eher ein Neben-, Mit- und Gegeneinander der Avantgarden. Und weil die plakative These des Gegensatzes Gemeinsamkeiten verdecken würde. Die beiden Bilder finden sich daher nicht nebeneinander, nicht einmal in naher Nachbarschaft.

van Dyks eindrucksvoller Dominikaner

Man kann den Rundgang, wie Marina von Assel in ihrer Eröffnungsrede, beim Barock beginnen lassen und würde schließlich, nach Heiligen, biblischen Szenen und Landschaften, irgendwann bei der Moderne anlangen, bei der Befreiung der Farbe und der Linie. Und würde so eventuell dem nächsten Fehlschluss aufsitzen: dass die Moderne zwangsläufig gewesen sei. Man kann auch umgekehrt starten und sich Anthonis van Dycks „Dominikanerportrait“ als Höhepunkt aufsparen. Ein faszinierendes Gemälde, handwerklich von höchster Klasse. Ein junger Mann mit fesselndem Blick, die eine Hand rafft das Gewand, die andere Hand hält ein Buch, zwei Finger als Lesezeichen in ein Buch gesteckt. Ein Mann, der weiß, was er will, mehr noch: der weiß, was er liest. Seine Bewegung führt ihn dennoch ins Dunkle. Man kann auch sagen: ins Ungewisse. Der Gesamteindruck ist überwältigend, die Details aber faszinierend: Da hat einer in einem Augenblick gefasst, was das Eigentliche ist, die Essenz, das, was die Welt im innersten zusammenhält. In diesem Bild hat man den Kern der Ausstellung vor Augen.

Die Ersatzreligion der Futuristen

Anzudeuten, was die Welt zusammenhält: Das versucht die Sammlung als Gesamtkunstwerk in einer Vielzahl von Facetten, mit bekannten und bekanntesten Namen. Schon im Überflug würde diese Ausstellung bereichern. Aber natürlich auch, weil sie klarmacht, dass es mit dem Gegensatz zwischen Barock und Moderne nicht so weit her ist. Waren die Futuristen nicht Gläubige einer Ersatzreligion? War nicht de Chirico in altmeisterlich anmutenden Gemälden auf der Suche nach der Wahrheit hinter der Wirklichkeit? Ist nicht van Dyks Dominikaner, dieser skeptisch wägende Mann, ein absolut moderner Mensch?

Fünf Jahrhunderte in einem Moment

Und wie ist das mit den Damen von Beginn, Renis Maria Magdalena und Warhols Pop-Baronin? Maria Magdalena soll Prostituierte gewesen sein, bevor sie Jesus Christus traf. Auch Renis Zeitgenossen wussten um die angebliche anrüchige Vergangenheit der engsten Gefährtin Jesu. Renis Bild zeigt nur das Gesicht, nicht flächig, keine Formel, nein, das verklärte, lebendige Antlitz einer schönen Frau. Von Kleidung sehen wir nichts. Das Bild könnte auf die Menschen des 17. Jahrhunderts so aufreizend gewirkt haben wie Warhols Bild auf die Menschen der 70er Jahre. Fünf Jahrhunderte – sie schnurren in den engen Räumen des Kunstmuseums zu einem Augenblick zusammen.

Sammler Martani war am Sonntag in Bayreuth. Er sei glücklich, seine Bilder zeigen zu können, hier in Bayreuth, sagte er. Dieses Glück können die Bayreuther nun mehrere Wochen lang teilen.

INFO: Kunstmuseum, Guido Reni trifft Andy Warhol: Die Sammlung Francesco Martani, bis 31. Januar, Dienstag bis Sonntag 10 bis bis 17 Uhr