Modellprojekt für Demenzkranke

Von Norbert Heimbeck

Ein Künstlerhaus, eine Werkstatt für Bastler, eine Badewanne mit USB-Anschluss zum Musikhören - das neue Zentrum der Bayreuther Arbeiterwohlfahrt ist ein ungewöhnliches Pflegeheim. 48 Heimplätze für Menschen mit Demenz sind hier im Laufe des vergangenen Jahres entstanden. Am Donnerstag ziehen die ersten Bewohner in den Neubau an der Spitzwegstraße ein.

 
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Marion Tost ist Geschäftsführerin des Kreisverbands, Thomas Bauske Vorsitzender. Beiden ist die Freude anzumerken, dass das gewaltige Projekt nun kurz vor dem Abschluss steht. Dass wegen eines Wasserschadens ein Teil des Gebäudes nicht genutzt werden kann - schön ist das nicht. Insgesamt überwiegt jedoch die Freude, dass Zeit- und Kostenplan ziemlich genau eingehalten wurden. Bauske: "Stellen Sie sich mal vor, Sie bauen ein Haus und der Bagger stößt plötzlich auf ein altes Teerfass. Das Ding war noch aus Holz. Wer weiß, wie lange das da herumlag. Das ist wie ein Treffer im Lotto." Nur, dass dieser Treffer keinen Jubel ausgelöst hat. Ein Bodengutachten musste angefertigt, der Teer fachgerecht entsorgt werden. Der Bauplatz an der Spitzwegstraße gehörte einst zum Bayreuther Altstadtbahnhof, da ist es eigentlich ein Wunder, dass nicht mehr Überraschungen im Boden lauerten.

Das neue Awo-Zentrum umfasst eigene Häuser für vier Wohngruppen mit jeweils zwölf Demenzpatienten, eine Abteilung für Tagespflege, die Awo-Geschäftsstelle und das Quartiersmanagement für die Altstadt. Thomas Bauske: "Bis auf die Kindertagesstätte in Oberpreuschwitz und die Schülerbetreuung sind jetzt alle unsere Einrichtungen an einem Ort konzentriert." Die Verwaltungsmitarbeiter haben die neuen Büros bereits in Besitz genommen. Die ersten Heimbewohner sollen an diesem Donnerstag einziehen. Marion Tost: "Wir wollen sie mit einem Mittagessen begrüßen." Wegen des Wasserschadens können vorerst nur zwei der vier Häuser genutzt werden. Bis Ende Mai sollen aber die gesamten 48 Plätze zur Verfügung stehen.

Rund siebeneinhalb Millionen Euro investiert der Sozialverband in den Bau. Mehr als zehn Jahre lang dauerten die Planungen, im Frühjahr 2015 haben die Bauarbeiten begonnen. Das Besondere: Die Awo-Mitarbeiter durften ihre Wünsche und Ideen einbringen. Die lange Vorbereitungszeit hat sich gelohnt. Von Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml gab es bereits zum Richtfest viel Lob: "Projekte wie das Awo-Zentrum ermöglichen Menschen mit Demenz ein Leben in der Mitte unserer Gesellschaft.“ 

Jedes der vier Häuser steht unter einem eigenen Motto, das sich in der Einrichtung widerspiegelt: Es gibt ein Stadt- und ein Landhaus, ein Kunst- und ein Handwerkerhaus; sie sind um einen grünen Innenhof angeordnet und untereinander durch Gänge verbunden. Jedes Haus hat Ein- und Zweibettzimmer für jeweils zwölf Bewohner sowie einen gemeinsamen Aufenthaltsaum und eine Küche. „Die Menschen, die hier leben, sollen schon allein dadurch, dass morgens der Kaffeeduft durchs Haus zieht, die Möglichkeit bekommen, sich zu orientieren“, sagt Bauske. Behaglichkeit soll geschaffen werden, indem „man jedes Haus als eigene Hausgemeinschaft empfinden kann“. Marion Tost ergänzt: "Unser Ziel ist es, dass sich die Menschen wie in einer Großfamilie wohlfühlen." Auch die veränderten Ansprüche an die Pflege sollen in dem neuen Zentrum erfüllt werden. So gibt es zum Beispiel ein Wellness-Bad, dessen Wanne einen USB-Anschluss besitzt: "Damit die Patienten ihre gewohnte Musik hören können," sagt Tost. Das gehört etwa zum Anliegen, den Patienten Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln.

Auch die Bedürfnisse der Pflegenden - die Awo Bayreuth hat rund 130 hautpamtliche und etwa 50 ehrenamtliche Mitarbeiter - seien berücksichtigt worden: "Wir arbeiten hier mit besonderer technischer Ausstattung, damit der Arbeitsalltag ein bisschen leichter wird." Alle Zimmer seien etwa mit einem Deckenlifter ausgestattet, der die Pfleger beim Umsetzen der Patienten vom Bett in den Rollstuhl unterstützt. Awo-Vorsitzender Thomas Bauske ergänzt. "Unsere Mitarbeiter wollen sich ja nicht mit der Administration beschäftigen, sondern mit ihren Patienten." Deshalb habe man ein Pflegekonzept entwickelt, bei dem jeder Mitarbeiter mit einem Smartphone ausgerüstet werden soll. Darauf sind individuelle Pflegeanweisungen abrufbar, bei Abweichungen vom Plan können die Mitarbeiter dies sofort dokumentieren.

Info: Im neuen Awo-Zentrum an der Spitzwegstraße stehen auch zwölf Plätze für die Tagespflege zur Verfügung. Sie können ab 1. Juni genutzt werden.

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