Sympathie für den 61-jährigen Tschechen Nach Festnahme: Geschädigte haben Mitleid mit dem Waldläufer

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Neun Monate lang sorgte der Waldläufer rund um den Kornberg für Gesprächsstoff. Mehr als 70 Mal brach der 61-jährige aus Tschechien in Hütten und Ställe ein, um sich dort mit Lebensmitteln versorgen. Nun sitzt das "Phantom" im Gefängnis. Doch von Genugtuung kann bei den Geschädigten keine Rede sein. Nicht wenige empfinden Sympathie und sogar Respekt für den Mann, der sich so lange abseits der Zivilisation in der Natur verborgen hielt - zuletzt bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.

 
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Wie der Kurier erfuhr, lag das Versteck des Tschechen nordöstlich von Marktleuthen zwischen Großwendern und Spielberg. Dort soll sich der Mann in einem selbst gebauten Verhau versteckt gehalten haben, wenn er nicht zu seinen nächtlichen Streifzügen aufgebrochen war. Sein Versteck soll selbst aus nächster Nähe kaum zu erkennen gewesen sein.

“Hätte ich gewusst, dass er kommt, hätte ich ihm zu essen raus gestellt“, sagt Andrea Habres, die in Großwendern das Reiterstüberl betreibt. Im Sommer hatte sich der Waldläufer in ihrem Reitstall versorgt und danach dabei einen Gehstock vergessen. Im Dezember kam er wieder, schaute nach Lebensmitteln - und nahm seinen Gehstock wieder mit. Im Pferdestall hatte der Waldläufer offenbar geschlafen, vermutet Andrea Habres. Jedenfalls lag eine Satteldecke zusammengerollt an einem Platz, wo sie gar nicht hingehörte. „Jetzt hat er ein warmes Bett im Gefängnis“, sagt die Gastronomin. Sie berichtet auch von einem Polizeieinsatz am Ortsrand mit mehreren Fahrzeugen, zu dem es bei Großwendern am Freitagvormittag kam.

„Ein Dummer ist das nicht“, sagt der Jäger Georg Neupert aus Steinselb. Er war dem Unbekannten im Mai des vergangenen Jahres nachts begegnet. „So gegen 2 Uhr“, wie sich Neupert erinnert. Er war auf der Wildschweinjagd, als der Mann mit einem Fahrrad am Rand eines Maisfelds plötzlich vor ihm stand. „Da war der Bart noch kürzer“, sagt der Jäger. Als er den Unbekannten ansprach, winkte der nur ab, stammelte dabei „nix verstehen“ und zog nicht gerade verängstigt weiter, wie Neupert schildert. „Was er getan hat, ist ja nichts Schlimmes“, denkt der Jäger.

„Der hat doch keinem etwas zu Leide getan“, sagt Klaus Wittig aus Bad Alexandersbad. Sein Jagdrevier liegt am Kornberg. Er empfindet schon etwas Bewunderung für den Mann, der so lange abseits der Zivilisation aushielt. Seit 55 Jahren geht Wittig zur Jagd und kennt den Kornberg sehr gut. Dass niemand das Versteck des einstigen Phantoms fand, kann er sich nicht erklären.

Bei Heike und Rudolf Fuchs in Dörflas, nahe Kirchenlamitz, holte sich der Waldmensch im vergangenen Jahr zwei Hasen aus dem Stall. Er kam danach noch einmal und nahm eine gewaschene Jeans und ein sauberes T-Shirt mit. Beide Teile hingen draußen auf der Wäscheleine. „Es war schon ein unangenehmes Gefühl zu wissen, dass ein Unbekannter so nah ans Haus kommt“, sagt Heike Fuchs. Verärgert ist sie aber nicht. Für sie ist der Waldläufer „ein armer Mensch“. Ansprüche wolle sie gegen den Mann nicht geltend machen.

Am heutigen Mittwoch gibt die Polizei in Wunsiedel eine Pressekonferenz zur Festnahme des Mannes, den sie so lange suchte.

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