Retter fährt mit Promille zum Einsatz

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Mit Promille zur Rettung: Zu dem schweren Unfall mit einem Schulbus kam ein Retter alkoholisiert. Foto: Münch Foto: red

Er wollte Leben retten, rast zum Einsatz. Kurz vor dem Ziel baut ein Feuerwehrmann (61) selbst einen Unfall. Wohl unverschuldet. Dabei kommt raus, dass er etwas getrunken hatte. Der Vorfall zeigt: Helfer stehen unter besonderer Beobachtung. Aber sie sind auch nur Menschen.

 
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Er sieht traurig aus. Vier Wochen nach dem Unfall hat der 61-Jährige Feuerwehrmann aus dem Landkreis Bayreuth noch immer nicht verdaut, was er gemacht hat. „Die Situation wünsche ich niemanden“, sagt er und blickt nach unten. Dann schüttelt er den Kopf, als ob er es immer noch nicht glauben könne. Scham und Reue sei das, was er immer noch fühle, seit Montag, 11. April. Gegen 12.30 Uhr prallte auf der Straße von Reisach nach Penzenreuth ein Schulbus fast frontal gegen einen Lieferwagen. Nur wenige Minuten später, um 12.44 Uhr, ging die Meldung an alle verfügbaren Helfer der Landkreise: „Schulbus gegen Lkw, mit mehreren eingeklemmten Personen.“

Es war eine besondere Alarmierung, „keine einfache Ölspur“, sagt Kreisbrandrat Hermann Schreck, der höchste Feuerwehrmann des Landkreises Bayreuth. „Das war dramatisch.“

Etwa 15 Kilometer vom Unfallort entfernt sitzt der 61-Jährige auf seiner Terrasse. Er hat Urlaub, es ist nicht allzu kalt und er feiert mit Gästen den Geburtstag eines Freundes. Die Männer hatten sich zum Frühschoppen getroffen. Sie lachen, erzählen miteinander, freuen sich. Dann kommt, wie so oft, bei dem Feuerwehrmann und hohem Mitglied der Führungsebene ein Notruf. Die Freunde sind das gewohnt, er auch.

Er weiß, dass er etwas getrunken hat. Er weiß aber auch, dass es sich um einen besonders schweren Unfall handeln könnte. „Ich ging davon aus, dass Kinder eingeklemmt sind“, sagt er. Und trifft die folgenschwere Entscheidung, an der er leidet. Wie jeder, „wenn jemand Gewissen hat …“, sagt er. 12.48 Uhr, vier Minuten später, steigt er in sein Auto. „Ich will nicht sagen, ich bin seitdem ein anderer Mensch.“

Er ist ein anderer geworden

Aber er ist ein anderer geworden. Stiller. Sein Rücktrittsgesuch hatte er innerlich schon formuliert. „Wir sollten doch Vorbild sein.“ Aber Vorbilder stehen besonders im Fokus der Öffentlichkeit, das weiß er. Aber auch die können – versagen?

„Wir stehen zu ihm“, sagt Carolin Rausch, die für die Öffentlichkeitsarbeit der Feuerwehr im Landkreis zuständig ist. Auch wenn niemand die Fahrt mit Promille verteidige. Aber Rücktritt? Nein. Auch dieser Fehler sei „menschlich“.

„Wir stehen auf jeden Fall eindeutig hinter ihm“, sagt auch Kreisbrandrat Schreck. Der 61-Jährige habe „sehr gute Arbeit geleistet“. Manche sagen, er sei der „ruhende Pol“ in der Führungsebene  der Feuerwehr, in die er auch aufgrund seiner Leistung berufen worden war.

45 Jahre aktiv im Dienst, 25 Jahre davon als Führungskraft. Er hat schon „mehreren 100“ Menschen bei Einsätzen geholfen. Schreck bestätigt: „Nie ist etwas vorgefallen.“ Bis er sich am 11. April um 12.48 Uhr ans Steuer seines neuen Autos setzt, das Blaulicht aufs Dach heftet und losfährt. Er überholt ein Auto nach dem anderen, alles wie immer, alles geht gut. Bis 300 Meter vor der Stelle, wo der rote Schulbus in der Böschung gelandet ist. Er will noch ein anderes Auto überholen, doch das biegt in dem Moment nach links ab. Kurz nach 13 Uhr krachen die Autos ineinander, der Helfer und ein Autofahrer, beide so nah an der Unfallstelle, wo zehn Kinder leicht verletzt wurden und der Schulbusfahrer schwer.

Einige Helfer am Bus sahen den Unfall, der sich am Fuß einer kleinen Anhöhe ereignet hatte. Sie sahen auch, dass auf einem der beiden Autos ein Blaulicht war.

Die Polizei in Pegnitz bestätigt den Schaden von etwa 20.000 Euro, verletzt wurde keiner der beiden Unfallbeteiligten. Die Blutprobe bei dem Feuerwehrmann ergab nach Informationen des Kuriers einen Wert unterhalb von 0,8 Promille. Erst ab 1,1 wird es strafbar. Bis 1,09 Promille drohen nur ein Bußgeld und ein kurzzeitiges Fahrverbot. Trotzdem wurde „ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, bestätigt der Leitende Bayreuther Oberstaatsanwalt Herbert Potzel: Feuerwehr bedeute keinen „Freibrief“, sagt Potzel.

"Es war ein Fehler"

„Es war ein Fehler und er wird sich dafür verantworten müssen“, sagt Kreisbrandrat Schreck. Beim Einsatz gelte für jeden die Null-Promille-Grenze. Auch wenn es für die Aktiven schwer sei. Denn jeder Feuerwehrmann, der feiert oder nur im Biergarten sitzt, weiß: Es kann immer ein Notruf kommen. Schreck spricht davon, dass sich seine Leute „einiges abverlangen“ müssten. Die Anforderungen an das Ehrenamt seien enorm hoch. Aber auch Feuerwehrler seien nicht „unfehlbar“.

Was genau passiert ist 300 Meter vor der Unfallstelle, darüber schweigen alle. „Laufendes Verfahren.“ Eventuell wird es eine Gerichtsverhandlung geben. Doch in der Feuerwehrführung des Landkreises ist das „Urteil“ schon gefallen. Das „kleine Fehlverhalten“ könne nicht „aufwiegen“, was der 61-Jährige in den vergangen 40 Jahren geleistet habe. „Wir sind Menschen.“

Er selbst schüttelt darüber den Kopf und sagt nochmal: „Die Situation wünsche ich niemandem.“

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