Meusel setzt 14 Leute vor die Tür

Von Moritz Kircher
Die Polizei eskortiert die Laster auf das Firmengelände, die die Produktionsmaschinen bei Meusel abholen sollen. Die Belegschaft und einige Waischenfelder bummeln vor dem ersten Lastwagen her. Foto: Ralf Münch Foto: red

Das Schraubenwerk Meusel in Waischenfeld macht dicht. Damit verlieren voraussichtlich 14 Menschen ihren Arbeitsplatz. Dabei hatte es noch vor wenigen Tagen so ausgesehen, als ob der Betrieb unter neuer Führung weitergeführt werden könnte. Der Interessent für die Übernahme hatte schon alles in die Wege geleitet. Doch die Geschäftsführung im niedersächsischen Langenhagen hat es sich offenbar in letzter Sekunde anders überlegt.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Thomas Schrüfer steht im Blaumann vor der Werkshalle des Schraubenwerkes Meusel. In dem Werk im Mönchsgrund hat der 54-Jährige gelernt. Seit drei Jahrzehnten arbeitet er dort. Schrüfer trägt eine IG-Metall-Fahne über der Schulter. Es ist kalt an diesem Mittwochvormittag. Zitternd schaut er zu, wie um 11.15 Uhr drei Lastwagen auf das Firmengelände rollen. Die Autos sind gekommen, um seine berufliche Zukunft abzutransportieren. Seine, und die von 13 Kollegen. Keiner hatte damit gerechnet.

Eine Plastikkette als symbolischer Widerstand

Morgens um 8 Uhr haben Schrüfer und seine Kollegen von Betriebsrat Helmut Herzing die bittere Botschaft bekommen: Das Werk soll geschlossen werden, die Fertigungsmaschinen würden ein paar Stunden später abgeholt. Angeblich an einen anderen Meusel-Standort, wie aus der Belegschaft zu hören ist. Geschäftsführer Frank-Oliver Hoffmann ist nicht vom Firmensitz im niedersächsischen Langenhagen gekommen, um seinen Leuten die schlechte Botschaft selbst zu überbringen.

Dabei hatte vor ein paar Tagen alles noch so gut ausgesehen. Uwe Bauer, Gewerkschaftssekretär bei der IG-Metall kennt die Vorgeschichte. "Die Maschinen sollen hier fortgeschafft werden, obwohl es einen Interessenten gibt, der das Werk weiterführen will", sagt er. Bauer steht mit der Belegschaft vor der Firmenhalle und wartet darauf, dass die Lastwagen anrollen. Jemand hat mit einer Plastik-Kette das Werkstor verriegelt. Ein eher symbolischer Widerstand gegen das, was kommen wird.

Einige Waischenfelder solidarisieren sich mit der Belegschaft

Jemand aus der Werksleitung hat die Polizei gerufen. Wegen der Kette und weil der Gewerkschaftssekretär mit seinem Auto angeblich die Zufahrt blockiere. Zwei Beamten der Pegnitzer Inspektion sind da und hebeln die Kette mit einem Besenstil auf. Rund 30 Leute schauen zu - die Belegschaft und einige Waischenfelder, die mitbekommen haben, was los ist. Sie solidarisieren sich spontan mit dem Protest gegen die Schließung.

Uwe Bauer hat sein Auto längst ein paar Meter die Straße abwärts geparkt. Die Polizei nimmt seine Personalien auf. Falls noch Nachfragen sind, wie der Beamte sagt.

Der Nachfolger hatte den Geschäftsplan schon fast fertig

Auch Jürgen Spessert ist da. Er hat bis September vergangenen Jahres bei Meusel gearbeitet. Er ist es, der die Firma gerne übernehmen würde. Samt Belegschaft. "Alle, wie sie da stehen", sagt er. Spessert war der große Hoffnungsträger seiner ehemaligen Kollegen. Wenn er den Betrieb weiterführen würde, wollten die Mitarbeiter dafür auf noch ausstehendes Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten.

Kurz vor Weihnachten, sagt Spessert, habe er begonnen, mit der jetzigen Geschäftsführung zu verhandeln. Am 4. Januar habe Geschäftsführer Hoffmann seine Bereitschaft signalisiert, zu verkaufen. Spessert habe daraufhin einen Geschäftsplan für die Bank ausgearbeitet. "Ich wollte hier ab dem 1. April übernehmen", sagt er.

Die Stimmung vor Ort ist angespannt

Doch vor einigen Tagen sickerte dann durch, dass es offenbar einen weiteren Kaufinteressenten gebe. Ein Unternehmer aus Hollfeld, der an diesem Vormittag auch vor Ort ist, um das Gebäude zu besichtigen. Die Stimmung zwischen ihm und den Meusel-Leuten ist zeitweise angespannt.

Angeblich will er nur die Immobilie kaufen. Ein Interesse, die Waischenfelder Belegschaft zu übernehmen, soll er nicht haben. Der geplante Deal mit Spessert ist von heute auf morgen geplatzt. Die Lastwagen rollen vor, um Fertigungsmaschinen abzutransportieren.

Der Abtransport der Maschinen könnte noch ein Nachspiel haben

Die Polizei redet auf die Menschen vor Ort ein, das Transportunternehmen nicht bei seiner Arbeit zu behindern. "Wenn Sie hier was blockieren, ist das eine Nötigung", sagt einer der Beamten. Die Meusel-Mitarbeiter und ihre Unterstützer weichen langsam zurück, als die Laster vor das Firmengebäude rollen. Für die letzten 150 Meter brauchen die Autos fast eine Stunde.

Es könnte noch ein Nachspiel haben, dass die Maschinen nun weg sind. Denn nach Auskunft von Uwe Bauer wurden einige dieser Maschinen in den Jahren 2008 bis 2010 mit Fördergeld der Regierung von Oberfranken angeschafft. Mit der Maßgabe: Bis Ende 2016 müssen die Arbeitsplätze garantiert werden.

Regierung von Oberfranken könnte Fördergelder zurückverlangen

Bisher ging die Regierung auch davon aus, dass die Übernahme der Firma durch Jürgen Spessert auf gutem Weg sei. Noch letzte Woche habe es wegen der damals gewährten Fördergelder ein Gespräch zwischen Spessert und der Regierung gegeben, bestätigt Sprecher Oliver Hempfling auf Kurier-Anfrage. Dass Spessert nun aus dem Rennen ist, überrascht.

Geschäftsführer Frank-Oliver Hoffmann sei in den kommenden beiden Wochen nicht für die Presse erreichbar, heißt es auf telefonische Anfrage am Meusel-Sitz in Langenhagen. Auch sonst könne niemand im Haus über die Vorgänge in Waischenfeld Auskunft geben.

"Wir haben bis zuletzt gehofft, dass die Abmachungen eingehalten werden", sagt Thomas Schrüfer vor dem Werk. "Dass wir hier unsere Arbeitsplätze behalten können." Er ist bitter enttäuscht. Der Großteil der Belegschaft sei älter als 50. In dem Alter finde man kaum noch einen Job. Vor allem nicht hier in Waischenfeld und Umgebung. Schrüfer sagt: "Wir stehen vor dem Nichts."

Kommentar: 14 Existenzen aufs Spiel gesetzt