Manche Jäger müssen mehr Rehe schießen

Von Heike Hampl
Matthias Huttner ist Forstoberrat. Er weiß, ob es dem Wald gut geht. Das Verbissgutachten, an dem er mitarbeitet, ist die Grundlage für den Abschussplan, den Jäger erfüllen müssen. Das ist notwendig, sagt Huttner, wenn der Wald zukunftsfähig sein soll. Foto: Andreas Harbach Foto: red

In Oberfranken gibt es zu viel Wild, sagt Forstminister Helmut Brunner. Er drängt auf höhere Abschusszahlen, um den Wald zu schützen. Viele Jäger ärgern sich darüber. "Das ist ein Angriff auf die Schöpfung", sagt Dieter Dichmann, Revierpächter und Hegegemeinschaftsleiter. Der Kurier klärt die wichtigsten Fragen.

 
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Was ist ein Abschussplan?

Die Untere Jagdbehörde schreibt den Revierpächtern vor, wie viele Rehe und Rotwild sie innerhalb von drei Jahren erlegen müssen. Dieser Abschussplan entsteht in Zusammenarbeit mit den Jagdgenossenschaften, den Revierinhabern, den Hegegemeinschaften, dem Jagdbeirat und den Jägervereinigungen. "Wir bemühen uns darum, den Abschussplan nicht von oben zu verordnen, sondern mit den Betroffenen zusammenzuarbeiten", sagt Rudi Adler von der Unteren Jagdbehörde, die zum Landratsamt gehört. Gerade ist es wieder so weit, Adler arbeitet an den Abschussplänen für die kommenden drei Jahre.

Was ist die Grundlage für den Abschussplan?

Das Vegetationsgutachten, umgangssprachlich Verbissgutachten, liegt dem Abschussplan zu Grunde. Alle drei Jahre erstellt das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dieses Gutachten. Es untersucht, wie viele Bäume vom Wild verbissen sind. Rehe knabbern die Triebe der Bäume gerne ab, und wenn sie den obersten Trieb erwischen, wachsen die Bäume schlechter. Deswegen berücksichtigt das Forstamt nur Bäumchen, die zwischen 20 Zentimetern und 1,40 Meter groß sind. Das ist die Höhe, auf der Rehwild zubeißen kann. Pro Hegegemeinschaft untersucht das Amt mehrere Flächen und rechnet die Ergebnisse dann hoch. So soll ein ausgewogenes Bild vom Zustand jeder der 15 Hegegemeinschaften im Kreis Bayreuth entstehen. "Wir erstellen das Gutachten transparent, jeder Jäger und die Jagdgenossenschaften sind eingeladen, mitzugehen und sich unsere Arbeit anzusehen", sagt Hans Schmittnägel, Bereichsleiter Forst.

Wie soll der Wald aussehen?

Der Anteil von Laubholz soll steigen und mit ihm der Artenreichtum. Doch der Wald soll auch wirtschaftlich sein. Das Problem ist: Rehe beißen am liebsten in die edlen Hölzer. "Sie mögen die Tanne mit Abstand am liebsten", sagt Forstoberrat Matthias Huttner. Dicht gefolgt von Esche, Ahorn, Eiche und Buche. So bleiben am Ende vor allem die Fichten stehen. "Dramatisch ist die Entmischung, die dadurch entsteht", sagt Huttner. Und da große Zäune nur die "absolute Notmaßnahme" bleiben sollen, bleibt der Abschuss der Rehe als effektives Mittel, um den Wald "umzubauen", wie das Forstamt das nennt.

Wie geht es dem Wald im Kreis Bayreuth?

Gut. Das jedenfalls sagt Schmittnägel vom Forstamt. Deswegen könne man auch nicht pauschal fordern, dass die Jäger mehr Wild erlegen sollen. In 67 Prozent der Bayreuther Hegegemeinschaften ist der Verbiss tragbar, es müssen also nicht mehr Rehe erlegt werden. In 33 Prozent der Gemeinschaften ist der Verbiss zu hoch. "Im Jahr 2006 war das viel schlimmer, da hatten wir in 80 Prozent der Hegegemeinschaften zu viel Verbiss", sagt Schmittnägel. Die regelmäßigen Untersuchungen des Forstamtes zeigen, dass der Laubholzanteil im Kreis Bayreuth steigt. "Das ist erfreulich und es geht nur, wenn der Wildbestand in Ordnung ist", sagt Huttner.

Was bedeutet der Abschussplan für die Jäger?

Dieter Dichmann ist Leiter der Hegegemeinschaft Bayreuth-Süd und selbst Revierpächter. Er sieht das Thema kritisch. "Ich glaube nicht wirklich, dass die Verbissgutachten aussagekräftig sind", sagt er. Laut des Gutachtens seien es in seinem Bereich im Jahr 2009  75 Prozent der kleinen Bäume Nadelholz gewesen, im Jahr 2012 sollen es 32 Prozent gewesen sein und 2015 60 Prozent. "Das erscheint mir schon etwas willkürlich", sagt Dichmann. Diesmal muss er seinen Abschuss nicht erhöhen, vor drei Jahren aber schon. Dichmann lobt zwar die Zusammenarbeit mit der Jagdbehörde, sagt, dort finde der Jäger immer ein offenes Ohr. Er sträubt sich aber gegen Brunners Forderung und den Leitsatz "Wald vor Wild". Dichmann sagt, im Staatsforst gehe es zu sehr um Profit und zu wenig um das Wild. "Verbiss gehört zur Natur. Der Leitsatz Wald vor Wild ist gegen die Schöpfung."

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