Sabine Hüttemann (45) hat Krebs - Ihre Familie gibt ihr Kraft - Professionelle Beratung am Klinikum "Mama, was ist das für ein Tier in dir?"

Von Katharina Wojczenko
Sabine Hüttemann (45) hat schon sechs von zwölf Chemotherapien hinter sich. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Sabine Hüttemann hat starke Blutungen im Unterleib. Als die Ärzte Eierstöcke und Gebärmutter entfernen, finden sie zufällig Krebs. Blinddarmkrebs. "Ich glaube, das schaffe ich", sagt sie heute. Auch, weil die psychoonkologische Beratung am Klinikum Bayreuth ihr Tipps gegeben hat, wie sie mit ihren Kindern umgeht.

 
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Als sie die Diagnose im Herbst hört, steht die Thurnauerin erst einmal unter Schock. Zwei Wochen nach der ersten Operation muss die 45-Jährige noch einmal unters Messer. Die Ärzte sind optimistisch, dass sie den Krebs erwischt haben. Derzeit bekommt Hüttemann ihre siebte Chemotherapie. "Ich habe also die Hälfte hinter mir", sagt die Diplomkauffrau. Sie will positiv denken.

"In so einer Situation merkt man, wer für einen da ist." Die Nachbarn, die Freunde, die Familie. "Ich bin mit der Diagnose offen umgegangen und alle haben Hilfe angeboten." Bekannte riefen an, wünschten ihr Kraft. Nur bei ihren Kindern hat sie gezögert. "Ich wollte nicht, dass sie mich so sehen, mit all den Schläuchen", sagt Hüttemann.

Lieber mit den Kindern reden, bevor sie es irgendwo aufschnappen

Ein paar Tage nach der Operation schaut eine Psychologin am Krankenbett vorbei, bietet ein Gespräch an.  "Ich war noch ganz auf mich fixiert", sagt Hüttemann. Da sei es hilfreich gewesen, mit jemandem zu reden, der ihr Umfeld nicht kennt, um ihre Gedanken zu sortieren. Sie spricht mit ihr über ihre Familie, die Kinder. Die Psychologin rät ihr: Sagen Sie es den Kindern, bevor sie es irgendwo aufschnappen. Ein guter Rat, findet Hüttemann heute. Ihr Mann erklärte Paul (acht) und Anna-Luise (fünf) dann, dass ihre Mutter krank ist. Paul fragte: "Mama, was für ein Tier ist in deinem Körper?" Krebs kannte er nur als Krabbelwesen aus dem Kinderbuch.

"Wie sag ich es meinen Kindern" ist eine typische Sorge von Eltern, die an Krebs erkranken, sagt Psychoonkologin Ulrike Schmeisser. Genauso die Frage: Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Schmeisser versucht behutsam, die Familienmitglieder miteinander ins Gespräch zu bringen. "Die Familie ist eine Ressource der Kraft. Wenn jeder den anderen schont, sind alle allein mit ihren Sorgen."

"Meine Kinder haben feine Antennen", sagt die Mutter

Sabine Hüttemann hat ihren Kindern die Narbe an ihrem Bauch gezeigt. Seitdem toben sie anders mit ihr. Paul hat mit seiner Lehrerin gesprochen. Sagt: "Mama, du brauchst nicht mit mir aufzuräumen, du bist zu schwach." Nimmt sie in den Arm. Anna-Luise kann sich noch nicht so ausdrücken, sie malt Bilder für ihre Mama.

Hüttemann hat zehn Kilo abgenommen. Die Fingerspitzen prickeln, sie friert leicht, ist oft müde. Kann sich nicht länger konzentrieren. Von der Psychologin hat sie erfahren, dass es Kurse gibt, um das zu üben, darüber gesprochen, wie sie wieder in ihren Beruf zurückkehrt. "Sie hat mich in meiner Einstellung bestärkt", sagt Hüttemann, "das hat mir gutgetan." Und wenn der Krebs wiederkommt? "Man muss damit zurecht kommen, wenn's da ist. Sonst mache ich mich kaputt."

Immer noch auf Hilfe angewiesen

Sie ist dankbar für Dinge, die sie vorher selbstverständlich fand. "Gerade, weil ich anfangs immer auf Hilfe angewiesen war." Ihr Mann schmeißt derzeit den Haushalt, weil sie selbst zum Kochen zu schwach ist, muss sie überallhin fahren. Ihre Eltern kommen regelmäßig "zum Betüdeln". Mitte des Jahres will sie wieder arbeiten. Mit den Kollegen ist sie in Kontakt. Ihr nächstes großes Ziel: Endlich wieder raus für einen längeren Spaziergang oder abends in die Pizzeria.

Info: Psychoonkologischer Dienst und Tag der offenen Tür

Zwischen 25 und 30 Prozent aller Krebspatienten im Verlaufe ihrer Erkrankung psychische Störungen oder erfahren psychosoziale Beeinträchtigungen. Deshalb gibt es seit zehn Jahren den psychoonkologischen Dienst (POD) am Klinikum Bayreuth. Vier Mitarbeiter sind Ansprechpartner für die Patienten und ihre Angehörigen, darunter ein Mann. "Das ist wichtig, weil wir auch die Urologie an der Hohen Warte mitbetreuen", sagt Psychoonkologin Ulrike Schmeisser. "Für Männer ist es einfacher, mit einem Mann über die Prostata zu sprechen."

Wurden im ersten Jahr noch 281 Patienten beraten, waren es zuletzt 1600 Patienten. Die größte Gruppe sind Patientinnen mit Brustkrebs. Das Angebot ist Pflicht für jedes onkologische Zentrum. Etwa 200.000 Euro kostet der POD jedes Jahr. Separat vergütet wird dieser von den Krankenkassen nicht. Dabei ist die psychoonkologische Versorgung seit 2010 als Ziel im nationalen Krebsplan festgeschrieben.

Mit einem Tag der offenen Tür feiert der POD am Dienstag, 8. März, seinen zehnten Geburtstag. Von 13 bis 15 Uhr können die Gäste in den Räumen des POD (Ebene -3 im Brustzentrum) unter dem Motto "Schenken Sie uns einen schönen Gedanken" ihre Wünsche aufschreiben. Um 15 Uhr beginnen die Vorträge im Konferenzsaal 1. Die Themen: "Immuntherapeutische Ansätze in der Krebstherapie" und "Psychoonkologie - eine Sacher vieler".

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