Maler mit Smartphone und Tablet

Von Norbert Heimbeck

Zollstock und Bleistift benutzt Hans-Christian Hölzel nur noch selten. Wenn er für einen Kunden ausrechnen soll, wie viel Farbe für den neuen Anstrich der Fassade gebaucht wird, zückt der Maler sein iPad und schießt ein Foto der Fassade. Eine spezielle App berechnet dann die zu streichende Fläche, Fenster und Türen werden automatisch abgezogen.

 
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Hölzel ist Handwerker, aber ein untypischer. In seinem Büro stehen zwei Bildschirme und ein Laptop auf dem Schreibtisch, im Regal liegen diverse Ladegeräte. Für den angehenden Meister ist Digitalisierung kein Schreckgespenst, sondern eine Möglichkeit, Beruf und Familie zu verbinden. „Wenn ich pro Woche zwei Stunden Zeit gewinne, hilft mir das schon viel,“ sagt Hölzel, dessen Lebensgefährtin im Januar ein Kind erwartet.

"Bin mit Computern groß geworden"

Die Malerwerkstatt Hölzel in Wüstenselbitz bei Helmbrechts wurde 1949 von Großvater Hölzel geründet. Seit dem überraschenden Tod seines Vaters ist Hans-Christian technischer Leiter im Familienunternehmen, Geschäftsführerin ist Mutter Karin. „Ich bin mit Computern groß geworden,“ sagt der 31-jährige Hölzel. 1988 wurde der erste Computer fürs Büro angeschafft, Überweisungen wurden damals per Diskette zur Bank getragen: „Kennen Sie noch Btx?“ Seit etwa 2008 hat Hans-Christian Hölzel die Elektronik systematisch modernisiert: Den Zollstock hat er durch ein Lasermessgerät ersetzt, das Aufmaß erstellt er per Tabletcomputer, Leistungsverzeichnisse und Stundenzettel der vier Mitarbeiter werden per App ausgefüllt. Alle Mitarbeiter sind mit einem Smartphone ausgestattet, auf dem sie per Fingertipp eingeben, wie lange sie mit welcher Arbeit beschäftigt sind. Die verschiedenen Anwendungen kommen von einem Software-Anbieter und können ihre Daten gegenseitig lesen. So wird es möglich, dass das Lasermessgerät die Raumgrößen per Bluetooth an die Aufmaß-App schickt, die wiederum mit der Kalkulationssoftware auf dem Bürorechner zusammenarbeitet.

Zeitgewinn: zwei Stunden

Mit der konsequenten Digitalisierung vieler Arbeitsabläufe gehört Hölzel zu den Vorreitern seiner Branche: „Ich spare dadurch viel Bürozeit, weil zum Beispiel die mehrfache Eingabe von Arbeitszeiten entfällt. Ungefähr zwei Stunden pro Woche gewinne ich durch diese App.“ Seit Einführung des Mindestlohns klagen viele Handwerker über ausufernde Dokumentationspflichten: Hölzels Mitarbeiter können die unterschiedlichsten Arbeiten auf ihrem Smartphone angeben und auf der Baustelle mit einer Art Stoppuhr dokumentieren. Bei Bedarf können sie Bild-, Sprach- oder Textnotizen an den Chef schicken.

Sein Wissen gibt Hölzel gerne weiter. Sein Betrieb gilt bei der Handwerkskammer in Bayreuth als „best practice“-Beispiel für Digitalisierung. Im „Kompetenzzentrum Digitales Handwerk“ kümmern sich Johanna Erlbacher und Cornelia Bachstein um Rat suchende Handwerker. „Wir bieten kleinen und mittleren Unternehmen Unterstützung bei der Einführung und Nutzung von Produktions- und Automatisierungstechnologien, sagt Bachstein.

Lagerverwaltung mit elektronischer Waage

Während viele Handwerker noch mit den Grundlagen der digitalen Geschäftsprozesse zu kämpfen haben, schaut Hans-Christian Hölzel schon in die Zukunft: „Von meinem Softwarehersteller gibt es noch weitere Module, die uns die Arbeit erleichtern. Zum Beispiel eine Lagerverwaltung, die mit Barcodescanner und elektronischer Waage den Materialverbrauch dokumentieren und Bestellungen automatisieren kann. Dank „augmented reality“-Software zeigt er seinen Kunden, wie der neue Wohnzimmeranstrich bei wechselndem Licht aussieht. Auch das komplette Zimmer in 3D-Ansicht darzustellen, gehört für ihn zum Service.

Glossar:

Btx: Das Kürzel steht für Bildschirmtext. Seit September 1983 in Deutschland verfügbar, kombinierte der Dienst Telefon und Fernsehschirm zu einem interaktiven Onlinedienst. Heute wegen des Internets weitgehend bedeutungslos.

Aufmaß: Ausmessen und Aufzeichnen eines Gebäudes. Die Bauzeichnung dient als Grundlage für die Planung der Arbeiten.

Bluetooth: Technik zur Datenübertragung über kurze Entfernungen. Dadurch können Mobiltelefone, Computer und andere elektronische Geräte ohne Kabelverbindung miteinander kommunizieren.

Kompetenzzentrum Digitales Handwerk: Es gibt bundesweit vier solcher Zentren, in Oldenburg, in Koblenz, in Dresden und in Bayreuth. Die HWK Oberfranken beschäftigt sich vor allem mit Produktions- und Automatisierungstechnologien. Die Zentren sind Teil des Förderprogramms des Bundeswirtschaftsministeriums.

Barcode: auf deutsch Strichcode; ein Feld aus verschieden breiten Strichen, das auf praktisch jeder Verkaufsprodukt zu finden ist, von der Zahnpasta bis zur Bierflasche. Die Daten des Strichcodes werden mit optischen Lesegeräten erfasst und können elektronisch weiterverarbeitet werden.

Augmented Reality: Darunter versteht man die visuelle Darstellung von Informationen, etwa die Ergänzung von Bildern mit computergenerierten Zusatzinformationen. Bei Fußball-Übertragungen ist erweiterte Realität das Einblenden von Entfernungen bei Freistößen durch Linien und Kreise.