Werkstatt für Behinderte wird zum Lebenswerk: Größte Einrichtung in Oberfranken mit 15 Millionen Euro Umsatz Lebenswerk: Weg mit dem Stempel

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Langer Prozess, große Wirkung: Aus den Werkstätten für behinderte Menschen ist das Lebenswerk geworden. Die Mitarbeiter sind stolz darauf, dass sie nicht mehr abgestempelt werden können. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Es ist ein Beitrag zur gelebten Inklusion: Die Werkstatt für Behinderte ist Geschichte. Auf dem Papier und in der Außenwirkung. Denn auf Wunsch des Werkstattrats heißt das Unternehmen unter dem Dach der Diakonie Bayreuth jetzt: Lebenswerk. Ein Namenswechsel, eine Weiterentwicklung zur Marke für die größte Einrichtung dieser Art in Oberfranken, die für namhafte Industriebetriebe wichtige Arbeit leistet.

 
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"Es war ein langer Prozess", sagt Franz Sedlak, Vorstand der Diakonie Bayreuth, im Gespräch mit unserer Zeitung. "Vor drei bis vier Jahren gab es die ersten zärtlichen Versuche, den Namen zu ändern." Aber: "Man muss da alle mit einbeziehen. Werkstattrat, Pädagogen, Geschäftsführung und viele andere mehr. Und das geht eben nicht von heute auf morgen."

Werkstattrat war die Triebfeder

Als eine Triebfeder des Namenswechsels nennt Sedlak den Chef des Werkstattrats, Karl Pfeiffer. "Im Zeichen der Inklusion wollten die Menschen nicht mehr in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten." Insgesamt arbeiten fast 800 Menschen in dem Unternehmen, das es seit mehr als 30 Jahren gibt. "150 ohne Handicap, 614 Menschen mit Handicap, inklusive des Förderbereichs", sagt Sedlak. Die Werkstatt hat "viele Stammkunden", wie Sedlak sagt. BMW gehört dazu. Ebenso Medi, Rosenthal oder Raps. Das Unternehmen, das mit all seinen Zweigen einen Umsatz von rund 15,5 Millionen Euro macht, stehe im Wettbewerb mit allen anderen produzierenden und weiterverarbeitenden Betrieben. "Die Mitarbeiter hier haben unterschiedliche Schweregrade der Beeinträchtigung. Sie wollen keinen Stempel bekommen, indem sie in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten", sagt Sedlak, der als Geschäftsführer der Diakonie auch Geschäftsführer des Lebenswerks ist.

Geschäftsführer wechselt in andere Einrichtung

Hartmut Springfeld, der als Geschäftsführer des Lebenswerks nach Informationen unserer Zeitung Ende August ausscheidet und eine neue Aufgabe in Oberfranken übernimmt, wie Sedlak bestätigt, hat den Namenswechsel intensiv vorangetrieben. Die Stelle des Werksleiters ist ausgeschrieben. Ein gewichtiger Hintergrund für den Namenswechsel: Der Kreis der Beschäftigten sei nicht mehr so klar abgegrenzt wie vor vielen Jahren. "Ein Mensch mit psychischer Erkrankung versteht sich nicht als ein Mensch mit Behinderung", wird Springfeld in einem Bericht des Evangelischen Pressedienstes (epd) zitiert. Mit dem Namen Lebenswerk wolle man sich bewusst von dem Begriff "behindert" diestanzieren. Ein Schritt, laut Springfeld, den "viele vergleichbare Einrichtungen bis jetzt" noch nicht in dieser Konsequenz vollzogen hätten.

Eine Marke, mehrere Zweige

"Wir haben uns einer Agentur bedient, die uns bei dem Prozess begleitet hat", sagt Sedlak. "Denn wir wollten eine Marke daraus machen." Unter dem Dach des Lebenswerks gibt es die Metallbe- und Verarbeitung, die jetzt als Metallwerk firmiert, Im Holzwerk, vorwiegend am Standort Melkendorf, wird alles zusammengefasst, was mit Holz und Möbeln zu tun hat. Unter der Marke Grünwerk läuft die Grün- und Grabpflege. Hinter dem Genusswerk versteckt sich unter anderem das Café Samocca. "Im Bildungswerk werden die Weichen gestellt, wohin der Mensch mit Handicap sich beruflich entwickelt", sagt Sedlak. Unter dem Oberbegriff Wohnwerk sind die Wohngruppen zusammengefasst, die es in Bayreuth gibt. Und schließlich gibt es das Teamwerk, das zuständig ist für die Vermittlung von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt. "Auch das schaffen wir", sagt Sedlak.

Stolz drauf, Lebenswerkler zu sein

"Ich bin froh und dankbar, dass wir es auf die Reihe gebracht haben, das Thema zum Laufen zu bringen", sagt Sedlak. Nicht wegen der Außenwirkung allein oder des Namenswechsels an sich. "Sondern für die Menschen. Die sind so stolz darauf, dass sie Lebenswerkler sind. Sie tragen gerne den Button, den jeder bekommen hat. Das hat einen richtigen Schub gegeben, hat zusätzlich stark motiviert."

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