Der Super-GAU
Berauer-Knörrers Kollegen wissen um ihre Krankheit, die sie im Alltag nicht beeinträchtigt. MS-Schübe gibt es selten, manchmal sind mehrere Jahre dazwischen. Sie hindern sie nicht daran, Sport zu treiben und für Mini-Triathlon zu trainieren. Ende 2013 treten erste Burnout-Symptome auf: Schlaflosigkeit, Probleme, abzuschalten, hoher Blutdruck. Sie ignoriert die Warnungen des Körpers. Bis zum dem Zeitpunkt, den sie heute den Super-GAU nennt.
Die Beine wollen nicht mehr
Wieder sind es die Beine. „Von einem Tag auf den anderen konnte ich nicht mehr laufen.“ Sie denkt: Etwas Cortison und eine Woche Krankschreibung, dann ist es wieder gut. Aus der einen Woche werden drei Monate. „Wenn ich gehen wollte, sah es so aus, als wäre ich betrunken, weil ich meine Beine nicht mehr gespürt habe. Die Beine schliefen mir jeden Tag ohne Vorwarnung plötzlich ein, so dass ich mich setzen musste. Ich traute mich auch lange nicht Autofahren. Da realisierte ich zum ersten Mal: Du hast ja Multiple Sklerose.“
Ein Einschnitt im Leben
Den starken Schub damals führt sie heute auf den Stress zurück, den sie sich mit ihren eigenen Leistungsansprüchen gemacht habe. Es ist ein Einschnitt in ihrem Leben. Die damals 32-Jährige fragt sich: Was tut mir eigentlich gut? Sie erinnert sich, wie sie fünf Jahre vorher mit einer Freundin ein Yoga-Wochenende in ihrer alten Tiroler Heimat verbracht hat, das sie heute als Schlüsselerlebnis bezeichnet. Berufsbegleitend beginnt sie eine Ausbildung als Yogalehrerin, will das Prinzip Yoga kennenlernen – auch um besser mit Stress umzugehen. Sie beginnt wieder zu arbeiten, merkt aber: Ich schaff das nicht mehr. So tritt sie auf der Karriereleiter einen Schritt zurück von der Managerin zur Personalreferentin.
Der Job ist weg
2016 kribbeln wieder die Beine. BAT verkündet die teilweise Schließung des Standorts Bayreuth, auch ihr Job soll wegfallen. Diesmal nimmt Berauer-Knörrer die Warnung ernst und wagt den Sprung in die Selbstständigkeit – mit Hilfe der Transfergesellschaft, in die sie nach vorzeitigem freiwilligem Ausscheiden aus dem Job wechselt. Sie hat gerade ihre Ausbildung als Yoga-Lehrerin abgeschlossen, beginnt eine Zusatzausbildung als Business-Yoga-Lehrerin. MS-Kranke und Menschen, die im Beruf an ihre Grenzen kommen, liegen ihr besonders am Herzen. Sie sagt: „Ich bin BAT dankbar, dass man mir ermöglicht, meinen Traum zu verwirklichen.“
Im hier und jetzt
Sorgen um die Zukunft macht sich Berauer-Knörrer nicht, Gedanken schon. "Ich lebe im hier und jetzt", sagt sie. Um ihren Sohn sorge sie sich nicht mehr als andere Mütter auch. Dass er ein erhöhtes MS-Erkrankungsrisiko hat, davon geht sie nicht aus. "Warum soll ich mir Sorgen um etwas machen, was höchstwahrscheinlich gar nicht eintritt?"
Ohne Cortison
Dunkle Momente, in denen auch Tränen fließen, hat sie gleichwohl. Vor wenigen Tagen, beim Frühstück mit einer Freundin aus der Bayreuther MS-Selbsthilfegruppe Albatros, fehlen ihr plötzlich die Worte. Die Untersuchungen im MS-Zentrum in der Hohen Warte bestätigen den Verdacht: ein neuer, leichter Schub. Diesmal aber schafft sie es ohne Cortison, die Folgen zu überwinden, nur mit ihren erlernten Yoga-Techniken. Berauer-Knörrer sagt das mit ein bisschen Stolz. Und so zitierte sie auch, auf die Frage nach ihrem derzeitigen Lebensmotto, die US-Schriftstellerin Virginia Wolff: „Wenn Dir das Leben eine Zitrone gibt, mach‘ Limonade draus.“
Das ist Albatros
Der Bayreuther MS-Selbsthilfegruppe Albatros gehören nach Auskunft von Leiterin Steffi Heinig 20 bis 30 Betroffene an. Darunter Betroffene, die trotz der Krankheit ein normales Leben wie Andrea Berauer-Knörrer, und auch solche, die wegen der Krankheit im Rollstuhl sitzen oder im Pflegeheim leben müssen. Die Gruppe trifft sich jeden letzten Freitag im Monat, meistens in der Lutherkirche. Am 30. Mai, dem Welt-MS-Tag, ist die Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft vor dem Krankenhaus Hohe Warte mit einem Info-Stand vertreten.
www.ms-albatros.com
Blogbeiträge von Andrea Berauer-Knörrer sind zu finden unter www.trotz-ms.de