Verwaltungsgericht München gibt Klage von Kurier-Chefredakteur in der Verwandtenaffäre statt Verwandten-Affäre: Landtag muss Auskunft über Beschäftigung geben

Von Henry Stern
Kläger vor dem Verwaltungsgericht München: Kurier-Chefredakteur Braun. Foto: Wittek Foto: red

Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat den Medien im Zuge der Verwandten-Affäre im Landtag zu Unrecht Informationen über die Höhe des Bruttoeinkommens der von Landtagsabgeordneten beschäftigten Familienangehörigen vorenthalten. Diesen Schluss legt der am Freitag bekannt gewordene Tenor einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München nahe. Geklagt hatte der Chefredakteur des Kurier, Joachim Braun.

 
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Das Gericht gibt darin der Klage des Chefredakteurs des Nordbayerischen Kuriers in Bayreuth, Joachim Braun, statt. Braun hatte den Freistaat Bayern - in diesem Fall vertreten durch die Landtagspräsidentin Barbara Stamm - verklagt, weil der Landtag ihm die gewünschte Information über das aus der Mitarbeiterpauschale des früheren Bayreuther CSU-Abgeordneten Walter Nadler bezahlte Bruttogehalt der Ehefrau Nadlers vorenthalten hatte.

Der Abgeordnete hatte mithilfe einer Altfallregelung - wie Dutzende andere Abgeordnete - seine Gattin über Jahre als Sekretärin beschäftigt. Nach Bekanntwerden der Verwandtenaffäre im Frühjahr 2013 hatte Nadler - wie andere Betroffene auch - Auskunft über die Höhe des seiner Frau bezahlten Gehaltes verweigert und auch später nur von einer der Tätigkeit angemessenen Entlohnung gesprochen.

Stamm verweigerte Auskunft

Auch Stamm verweigerte die Auskunft mit Verweis auf Persönlichkeitsrechte sowie das freie Mandat eines Landtagsabgeordneten. Eine Argumentation, die die Rechtsexperten des Landtagsamtes in der mündlichen Verhandlung am Donnerstag noch einmal bekräftigten: Auch wenn es sich um die eigene Ehefrau handle, sei die Sekretärin eines Abgeordneten keine Person der Zeitgeschichte, deshalb gilt auch hier der Schutz der Privatsphäre, argumentierte die Ministerialrätin Monika Hohagen.

Zudem müsse ein Abgeordneter innerhalb der geltenden Regeln von äußerer Einflussnahme völlig frei sein. Dieser Schutz des freien Mandats umfasse nicht nur die Ausübung des Mandats selbst, sondern auch die damit verbundenen Kosten. Details der Verwendung der dem Abgeordneten zur Verfügung stehenden Mittel könnten deshalb nicht öffentlich gemacht werden - außer es gebe direkte Erkenntnisse über einen Missbrauch. Die Verfassung will keinen gläsernen Abgeordneten, findet Hohagen.

Anwalt: Wächterfunktion der Medien ausgehebelt

Eine Argumentation die Johannes Weberling, der Anwalt des Klägers, einen fatalen Zirkelschluss nannte: Wenn die Presse nur nachfragen dürfe, wenn ein Missbrauch bereits bestätigt ist, werde die Wächterfunktion der Medien ausgehebelt: Die Presse muss recherchieren können, ob es einen Missbrauch gibt, forderte Weberling. Und in der Verwandtenaffäre gebe es zweifellos genügend Grund, um nachzufragen.

Eine Argumentation, der der Vorsitzende Richter Michael Eder nun offenbar folgte. Anfang 2014 hatten die Münchner Verwaltungsrichter noch eine Eilentscheidung in der Sache mit der Begründung mangelnder Aktualität abgelehnt. Falls das Urteil rechtskräftig wird, muss der Landtag damit nun Auskunft über die im Hause Nadler gezahlte Vergütung geben.

Braun: Geht nicht nur um den Fall Nadler

"Ich finde das Urteil großartig, weil die Abgeordneten jetzt zur Transparenz gezwungen werden", sagte Chefredakteur Braun. Schließlich gehe es nicht nur um den Fall Nadler: Es geht um viele Abgeordnete, die sich in der Verwandtenaffäre womöglich bereichert haben.

Das Landtagsamt will zunächst die schriftliche Begründung des Urteils prüfen und dann entscheiden, ob Rechtsmittel eingelegt werden. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils könne es aber durchaus sinnvoll sein, sich mit dieser Fragestellung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu wenden.

Nadler war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die CSU-Geschäftsstelle in Bayreuth teilte mit, er wolle erst die Urteilsbegründung abwarten. Die CSU-Landtagsabgeordnete Gudrun Brendel-Fischer sagte: „Ich werde mich, wenn es um Herrn Nadler geht, in keinster Weise äußern.“

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Ulrike Gote sagte, das Urteil sei „ein gutes Signal für die Pressefreiheit und den Transparenzanspruch, den jeder Bürger und jede Bürgerin hat“. Gote: Es wäre sehr viel klüger gewesen, hier nicht erst darauf zu warten, dass einer klagt.“ Der Schaden sei nun, „dass die Menschen den Eindruck haben: Die geben nur etwas preis, wenn sie dazu gezwungen werden, die haben etwas zu verbergen“.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Rabenstein geht davon aus, dass Landtagspräsidentin Stamm Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird. „Es betrifft ja nicht nur den Herrn Nadler, sondern alle anderen Abgeordneten, die entsprechend Familienangehörige beschäftigt haben.“ Rabenstein betont: „Ich selber bin nicht betroffen", weil er mit der Verwandtenaffäre absolut nichts zu tun habe.

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