Skandalöser Vorgang
Was Beobachter vehement bedauern. Klaus Graf nennt das Vorgehen Otto G. Schäfers gar „skandalös“: „Die Schweinfurter Bibliothek geriert sich als ehrenwerte und seriöse Institution, getragen von einem als ,Stiftung’ bezeichneten eingetragenen Verein, der aber vermutlich nur das abnickt, was der Vereinsvorsitzende Otto G. Schäfer will.“ Der Verkauf sei ein Aderlass, der den Kernbestand der Sammlung betreffe, so Graf. „Eigentum verpflichtet – da hätte man anders damit umgehen müssen.“
Erreicht haben die Bücher ihren designierten neuen Eigentümer in der Schweiz noch nicht. Grund: Das Hamburger Staatsarchiv hat die Ausfuhr aus der EU mit einer vorläufigen Eintragung angehalten. Mittlerweile liegt die Sache bei Bayern, dem Graf allerdings wenig Eifer zutraut. Bayern sei nicht für seinen Mut gegenüber dem Kunsthandel bekannt und vernachlässige bewegliche Kulturgüter „dreist“. Auch die Bayerische Staatsbibliothek habe kein Interesse am Schutz von Kultur, behauptet Graf.
Einzigartiges Konvolut
Was den Wert des verkauften Konvoluts betrifft, geben Experten Klaus Graf recht. Der Verlust der Spitzenstücke, entstanden zwischen 1407 und 1605, würde den Wert der Schweinfurter Sammlung erheblich mindern. So stuft Falk Eisermann, Referatsleiter der Berliner Staatsbibliothek, den größten Teil der Inkunabeln als „besonders bedeutsam“ an. Vielen der Stücke sei „ein herausragender wissenschaftlich-kultureller Rang zuzumessen“. Dies gelte aufgrund des Alters etwa für die Gutenberg-Bibel von 1457, auch wenn sie nur in Fragmenten vorhanden sei. Manche Werke seien extrem selten, ja, in dieser Form kein zweites Mal bekannt.
Die Fachleute interessieren sich vor allem für die rund 70 verkauften Inkunabeln oder Wiegendrucke. Darunter versteht man Drucke aus der Frühzeit dieser Technik, also Arbeiten, die noch im 15. Jahrhundert entstanden. Diese Bücher gelten als Kernstück der Sammlung, als „einzigartiges Ensemble“, dessen „geschlossene Bewahrung und Erhaltung in Deutschland aus meiner Sicht dringend erforderlich ist“, so Staatsbibliothekschef Eisermann. Er ist zuständig für den Gesamtkatalog, in dem sämtliche Drucke des 15. Jahrhunderts verzeichnet sind. Die Sammlung Otto Schäfer ist dort – noch – mit 234 Exemplaren vertreten.
Weder Otto G. Schäfer noch der Händler wollen die Vorgänge derzeit kommentieren, sie verweisen auf mögliche juristische Komplikationen. Nach Auskunft der Bayerischen Staatsbibliothek ist das Konvolut inzwischen aus Hamburg zurück in Schweinfurt. „Damit sind wieder wir zuständig“, sagt Ludwig Unger, Pressesprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst.
Das Ministerium lasse derzeit durch Experten prüfen, ob die Bücher aus Schweinfurt auch in die bayerische Kulturgut-Schutzliste aufgenommen werden. Unger rechnet mit einer Entscheidung noch im Februar.