Entrüstung in Görlitz und Lübeck, Unterstützer im Internet Fall Winfried Stöcker: Kritik fällt in Pegnitz zurückhaltend aus

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Steht massiv in der Kritik - und das bundesweit: Prof. Winfried Stöcker. Foto: dpa Foto: red

Eine Welle der Empörung haben Äußerungen des aus Pegnitz stammenden Unternehmers Prof. Winfried Stöcker nach einem Interview ausgelöst. Stöcker wurde Rassismus vorgeworfen. Aber es gibt auch viele, die ihm recht geben, und auf Facebook wurde eine Unterstützer-Seite für Stöcker ins Leben gerufen - von einem Vertreter der Berliner NPD.

 
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Stöcker hatte gegen ein Benefizkonzert interveniert, das in jenem Kaufhaus in Görlitz stattfinden sollte, das er mit Millionenaufwand aus dem Dornröschenschlaf erwecken wollte. Der Erlös der Veranstaltung sollte Flüchtlingen zugute kommen, die in Görlitz untergebracht sind. Das von Stöcker im Kaufhaus verbotene Benefizkonzert fand nun unter dem Motto „Jetzt erst recht“ am Samstagabend auf dem Christkindelmarkt der Stadt statt. Über die Diskussion, die Stöcker auslöste, haben wir bereits am Wochenende berichtet.

Reaktionen aus Pegnitz: Altbürgermeister Manfred Thümmler würdigt das soziale Denken Stöckers – zumindest habe er ihn so kennengelernt. Habe Stöcker doch zum Beispiel in der Pegnitzer Zweigstelle seines Medizintechnikunternehmens Euroimmun zwei Mitarbeiter der dort vorher ansässigen Reinigungsfirma nach einer Weiterqualifikation übernommen, damit sie nicht auf der Straße sitzen.

Thümmler erinnert auch an den „beinahe gelungenen“ Versuch, mit Stöckers Hilfe Pflaums Posthotel Pegnitz (PPP) zu retten. Nach einem der von Thümmler organisierten Wirtschaftsgipfel zur Flinderer-Zeit saß er mit Stöcker und der damals noch amtierenden PPP-Geschäftsführerin Svetlana Pamposhchuk zusammen, so Thümmler. Auch wenn das Ganze letztlich scheiterte: „Ich hatte eine gute Meinung von ihm, mich wundert das sehr.“

Auch sein Nachfolger Uwe Raab findet Stöckers Äußerungen „befremdlich“, nach all dem, was er bisher über den 68-jährigen Unternehmer gehört hat. Aus seinen schriftlichen Kontakten und aus Aussagen Dritter habe sich für ihn das Bild eines „innovativen Unternehmers“ geformt, der gerne Projekte anpacke, die andere nicht anpacken wollen. Wie aktuell im Fall des Görlitzer Kaufhauses.

Stöckers im Interview mit der "Sächsischen Zeitung" gemachten Äußerungen wolle er nicht kommentieren, solange er nicht mit ihm selbst darüber gesprochen hat. Er habe mit Stöcker vor gar nicht langer Zeit ausgemacht, dass man sich einmal persönlich treffen wolle. Entweder bei einem der seltenen Besuche Stöckers in seiner Geburtsstadt oder in Lübeck, wenn Raab mal im Norden weilt. Etwa bei einer Stippvisite beim Patenboot „Pegnitz“ in Kiel. Eine schädliche Außenwirkung für Pegnitz befürchtet Raab nicht. Die Stadt habe sich klar und unmissverständlich gegen jede Form von Intoleranz positioniert. Ohne Wenn und Aber.

Wolfgang Nierhoff und Ursula Reinhardt von der katholischen Kirchengemeinde Herz Jesu – sie hatte im Pfarrhaus schon vor Monaten Wohnungen für Flüchtlinge angeboten – verstehen Stöckers Wortwahl auch nicht. Es dürften keine Pauschalurteile gefällt werden. Denn: „Es kommen nicht nur Leute aus wirtschaftlichen Gründen zu uns, sondern viele aus Kriegsgebieten, in denen ihr Leben in Gefahr ist. Wir leben alle gemeinsam auf Gottes Erde, niemand hat das Recht zu sagen, das oder jenes gehört nur uns“, so Nierhoff.

Reaktionen aus Görlitz: Die evangelische Kirche hat den Görlitzer Unternehmer Winfried Stöcker nach fremdenfeindlichen Äußerungen scharf kritisiert. Er sei über die Aussagen entsetzt, sagte der Görlitzer Generalsuperintendent der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Martin Herche, dem Evangelischen Pressedienst am Samstag: „Mit seinen zynischen Äußerungen zu Flüchtlingen und Asylbewerbern hat er viele enttäuscht.“ Am Abend demonstrierten in Görlitz aus diesem Anlass nach Polizeiangaben fast 300 Menschen gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Auch der katholische Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt, Oberbürgermeister Siegfried Deinege (parteilos) und Vertreter von Parteien kritisierten Stöcker. Und die Stiftung Diakonie-Sozialwerk Lausitz gibt eine Spende an den Unternehmer zurück, weil seine Positionen zynisch und menschenverachtend seien.

Reaktionen aus Lübeck: Auch in Lübeck gehen Politiker auf Distanz zu dem Unternehmer, schreiben die „Lübecker Nachrichten“ in ihrer Online-Ausgabe. „Die Äußerungen sind menschenverachtend und beschämend“, sagt etwa Sozialsenator Sven Schindler (SPD), „sie passen in keiner Weise zur offenen Flüchtlingspolitik und zur positiven Willkommenskultur der Hansestadt Lübeck.“ Schindler: „Auch wenn der Professor wieder zur Besinnung kommen sollte, kann er den angerichteten Schaden mit seinen Millionen nicht wieder gutmachen.“ CDU-Fraktionschef Andreas Zander zweifelt an Stöckers Verstand: „Wenn jemand das in der heutigen Zeit ernsthaft äußert, muss man sich überlegen, ob er sich nicht auf seinen geistigen Zustand untersuchen lassen muss.“ Der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität zu Lübeck geht noch weiter. „Die Uni muss sich von Stöcker distanzieren, ihn von allen Lehrverpflichtungen freistellen und ihm die Honorarprofessur entziehen.“

Reaktionen aus dem Internet: Geteilt sind die Meinungen im sozialen Netzwerk Facebook. Auf der Seite „Ich bin echter Pegnitzer“ wird neben heftiger Ablehnung auch Zustimmung laut. Nach dem Motto, man solle Stöcker nicht vorverurteilen, ehe man sich nicht näher mit seinen Äußerungen beschäftigt hat. Und auf Facebook wurde auch bereits eine Unterstützerseite mit dem Namen „Solidarität mit Winfried Stöcker“ ins Leben gerufen. Dort wird auch der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz pro Stöcker zitiert. Im Impressum dieser Gruppe steht Oliver Niedrich aus Berlin. Niedrich ist Mitglied im Berliner Landesvorstand der rechtsextremen NPD.

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