Das Richard-Wagner-Gymnasium war vor 50 Jahren eines der ersten sozialwissenschaftlichen Gymnasien Kompetenz statt Knödel-Abitur

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Auch das gehört zum sozialwissenschaftlichen Zweig: Der Red-Hand-Day als Zeichen der Schüler gegen den Einsatz von Kindersoldaten in der ganzen Welt. ⋌Foto: red Foto: red

Sozialwissenschaft, mehr Bio und Chemie statt dritter Fremdsprache. Verpflichtende Sozialpraktika statt ausschließlicher Theorie. Kompetenz im Umgang mit Sprache. Und natürlich ein tieferes Wissen um die politischen Vorgänge lokal und überregional. Das kennzeichnet die Schüler, die den sozialwissenschaftlichen Zweig im Richard-Wagner-Gymnasium (RWG) durchlaufen. Vor 50 Jahren wurde der Zweig eingeführt.

 
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Als Knödel-Abitur wurde das Abitur der Sozialwissenschaftler lange Zeit verspottet. Weil das Wissen, das an den sozialwissenschaftlichen Gymnasien ab 1965 vermittelt wurde, durch Praxis erweitert wurde. In der Küche. Am Herd. "Hauswirtschaft und Säuglingspflege gehörte auch dazu", sagt Ursula Graf, die Direktorin des RWG. Das RWG, sagt Graf, war 1965 eine der ersten 27 Schulen in Bayern, an der der Zweig eingeführt wurde. Auf Initiative der Direktoren der höheren Töchterschulen, wie die Mädchengymnasien damals hießen. Der Hintergrund: In der Wirtschaftswunderzeit fehlten nicht nur die Fachkräfte. Es fehlten die jungen Frauen an den Universitäten, sagt Sandra Reim, die Fachbetreuerein für Sozialkunde und Geschichte am RWG.

So wie die Gesellschaft sich verändert hat, hat sich in den vergangenen 50 Jahren auch der sozialwissenschaftliche Zweig verändert. Denn: "Als Ende der 70er Jahre aufs Kurssystem umgestellt wurde, wurde der Zweig wissenschaftlicher. Eine erste Erweiterung der ehemals traditionellen Mädchenbildung", sagt Reim. 1986 öffnete sich die Schule auch für Jungs. Sozialkunde und sozialpolitische Grundbildung rückten stärker in den Fokus, sagt Graf.

Allerdings blieb das Grundprinzip unangetastet: "Die Schulung der Artikulationsfähigkeit durch Projektarbeit, beispielsweise", sagt Reim. Oder das selbstständige Arbeiten in diesem Zweig, das Bilden von Interessensgruppen. "Man setzt andere erzieherische Schwerpunkte, legt Wert auf ein besonderes Lehrer-Eltern-Verhältnis. Auch das verpflichtende Sozialpraktikum ist ein Novum am Gymnasium gewesen." Oft genug, sagt Ursula Graf, werde die "Theorielastigkeit am Gymnasium beklagt. Auf den sozialwissenschaftlichen Zweig trifft das nicht zu".

Ein gutes Drittel der RWGler wählt diesen Zweig, der traditionell der stärkste an der Schule ist. Und das soll er auch bleiben. Auch wenn das RWG jetzt MINT-Schule ist, um Mathematik und Naturwisenschaften stärker ins Bewusstsein der Schüler zu bringen. "Aushängeschild bleibt der sozialwissenschaftliche Zweig", sagt Graf. Und selbst, wenn Hauswirtschaft in diesem Zweig nicht mehr die Rolle spielt, die sie 1965 zur Einführung des Zweiges spielt: gekocht wird am RWG immer noch. Genäht auch. In Wahlkursen. "Wir haben nach wie vor eine Schulküche und eine Hauswirtschaftslehrerin. Heute gibt es Koch-Workshops, die von weit über 100 Schülern pro Jahr besucht werden", sagt Graf. "Auch von den Jungs."

Wenn am Montag in einem Festabend ab 18 Uhr - mit einer Podiumsdiskussion mit den ehemaligen Absolventinnen Gudrun Brendel-Fischer, Brigitte Merk-Erbe und Gülcin Sahin - an das Jubiläum erinnert wird, dann sorgen die Schüler dafür, dass es ein Büffet gibt.      

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