Aufsichtsrat und Zweckverband stellen Prof. Martin Höher frei Klinikum: Chefarzt gewinnt Zeit

Von Frank Schmälzle
Das Klinikum Bayreuth hat Prof. Martin Höher freigestellt. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Für ihn ging es um alles. Um seinen Job und seinen Ruf als Mediziner. Klinikum-Chefarzt Prof. Martin Höher hat jetzt zumindest Zeit gewonnen. Bis zum 8. Juli hat er Zeit, schwerwiegende Vorwürfe gegen ihn zu entkräften. Höher soll Patienten künstliche Herzklappen per Schlüssellochoperation eingesetzt haben, obwohl das medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Überdurchschnittlich viele Patienten seien dabei gestorben. Bis dahin hat ihn der Aufsichtsrat und die Zweckverbandsversammlung freigestellt. So verlief die Sitzung:

 
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Martin Höher trägt nicht den weißen Arztkittel. Er kommt in dunkelblauem Anzug, weißem Hemd mit roter Krawatte. Heute ist er nicht der Chefarzt des Klinikums. Heute geht es um ihn persönlich. Um seine berufliche Zukunft, seinen Ruf.

Sechs Stunden lang tagen am gestrigen Dienstag die Mitglieder des Aufsichtsrat der Klinikum Bayreuth GmbH und der Zweckverbandsversammlung, die Stadt und Landkreis als Eigner der Klinik repräsentieren. Ihr Thema ist brisant: Stimmt es, was Höher vorgeworfen wird? Dass er Patienten künstliche Herzklappen per Schlüssellochoperation eingesetzt habe, obwohl das medizinisch nicht notwendig war? Dass er damit Geld gemacht hat? Dass überdurchschnittlich viele Patienten nach diesen Operationen starben?

Höhers Fürsprecher und Kritiker

Zuerst spricht Prof. Wolfgang Mäurer. Er ist Vorsitzender der Kommission, die die Vorwürfe gegen Höher aufklären sollte. Er ist Höhers Vorgänger auf dem Chefarztposten im Klinikum. Mäurer spricht langsam, für manchen quälend langsam. Und er spricht Höher von so gut wie allen Vorwürfen frei. Dann sind die dran, die ganz anderer Meinung sind. Drei Münchner Herzspezialisten – unter ihnen der Mediziner, der diese Operationsmethode in Deutschland etabliert hat – sehen Höher kritisch. Sehr kritisch. Höher sagt, dass er nicht viel sagen kann. Das Ergänzungsgutachten der Münchner Mediziner nennt keine Patientennamen. Nur Nummern, die die Gutachter selbst vergeben haben. So könne er sich nicht verteidigen.

Verloren und doch gewonnen

Das hatte Höher keine 24 Stunden zuvor schon einmal seinen Rechtsanwalt erklären lassen. Am Montag hatte der Chefarzt vor dem Bayreuther Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung erreichen wollen. Das Ergänzungsgutachten sollte dem Aufsichtsrat und der Zweckverbandsversammlung nicht vorgestellt werden. Damit fiel Höher zwar durch, erreicht hatte er trotzdem etwas: Richter Christoph Glaser ließ keinen Zweifel daran, dass Höher sich vor den Klinikumsgremien verteidigen können muss.

Das saß. Noch am Montagabend war den Rechtsberatern des Klinikums klar: Wenn Höher jetzt die Kündigung bekommen sollte, wenn er vor dem Arbeitsgericht dagegen klagt, stehen seine Chancen zumindest nicht schlecht. Jetzt bloß keinen Formfehler machen, das raten die Juristen den Aufsichtsräten und Zweckverbandsmitgliedern.

Betretene Gesichter nach sechs Stunden

Um 15.35 Uhr ist die Sitzung im Klinikum zu Ende. Müde und betretene Gesichter, die Aufsichtsräte und Zweckverbandsmitglieder verlassen wortlos das Klinikum. Gerade haben sie mit deutlicher Mehrheit beschlossen, heute nichts zu beschließen. Am 8. Juli wollen sie wieder zusammenkommen. Dann soll Höher ausführlich Stellung nehmen. Und dann wollen sie entscheiden.

Höher bewahrt Haltung

Um 15.45 Uhr wird Höher ins Büro von Klinikum-Geschäftsführer Joachim Haun gerufen. Er wirkt entspannt, entspannter als noch tags zuvor vor dem Arbeitsgericht. Der Ärztliche Direktor des Klinikums, Prof. Klaus Henneking, kommt hinzu. Er murmelt: „Ich bin entnervt.“ Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe und Landrat Hermann Hübner teilen Höher mit, er sei bis zum 8. Juli zunächst freigestellt. Der Chefarzt hat damit zumindest Zeit gewonnen. Zeit für seine Verteidigung.

Als er das Büro verlässt, will Höher nicht reden. Er lächelt, bewahrt Haltung. Und auch Hübner und Merk-Erbe lassen ausrichten, sie seien zu keiner weiteren Stellungnahme bereit. Das Klinikum gibt eine Pressemitteilung heraus. Sie ist zwölf Zeilen lang. Der entscheidende Satz: „Es bestehen noch offene Fragen, die in einer weiteren Sitzung zu klären sind.“

Noch ein ungelöster Fall

Im Juli wird es fast ein Jahr her sein, dass die Vorwürfe gegen das Klinikum für einen bundesweiten Skandal gesorgt hatten. Fast ein Jahr ist vergangen, seitdem auch Geschäftsführer Roland Ranftl freigestellt wurde. Noch ein ungelöster Fall. Im Klinikum heißt es: „Es wird Zeit, dass endlich wieder Ruhe einkehrt.“

Info: Prof. Martin Höher war auch vorgeworfen worden, er lasse Patienten auf einer Intensivstation länger als nötig künstlich beatmen. Er war von der Leistung der Station suspendiert worden. Inzwischen führt er sie wieder.

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