Steffen Ludwig aus Mistelgau lebte als Junge hinter der Grenze, eingesperrt habe er sich aber nie gefühlt Kindheit in der DDR

Von Ulrike Sommerer
Steffen Ludwig erlebte seine Kindheit in der DDR, einem Land, das es heute nicht mehr gibt. Foto: Köpplinger Foto: red

Als 1989 die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR geöffnet wurde, war Steffen Ludwig 24 Jahre alt. Seine Kindheit erlebte er in einem Land, das es heute nicht mehr gibt. Wie erlebt ein Kind das geteilte Deutschland? Für die Kinderseite des Nordbayerischen Kuriers hat Steffen Ludwig seine Geschichte erzählt. Er erzählt auch davon, dass er auf seinen Trabi gar nicht warten musste.

 
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Steffen Ludwig wuchs in der DDR auf, der Deutschen Demokratischen Republik. Die DDR entstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Länder, die Deutschland im Krieg besiegt hatten, teilten das Land unter sich auf. Aus den Teilen von Frankreich, England und den USA wurde die Bundesrepublik Deutschland.

Aus dem Teil der Sowjetunion entstand die DDR. Nur wenige Menschen, die in der DDR lebten, durften überhaupt in den Westen reisen. Die Grenze zur Bundesrepublik war dicht, hier durfte niemand durch. Teilweise bestand diese Grenze aus einer Mauer. Sie wurde 1961 gebaut. Vier Jahre später, 1965, wurde Steffen Ludwig geboren.

Er wuchs mit seiner Schwester in Altgeringswalde auf. Das ist ein Ort in Sachsen, also gar nicht weit von der Grenze zur Bundesrepublik entfernt.

Für Steffen Ludwig war es eine ganz normale Kindheit, die er auf einem Bauernhof in ländlicher Umgebung erlebte. Drei Generationen lebten hier unter einem Dach. Die Grenze hat er als Kind nicht wahr genommen, Er fühlte sich nie eingesperrt.

Als im November 1989 die Mauer fiel war Steffen Ludwig gerade mit seinem Studium an der Technischen Universität in Chemnitz fertig. Diese Stadt hieß zu Zeiten der DDR Karl-Marx-Stadt. Ein Jahr nach dem Mauerfall, 1990, bekam sie erst wieder ihren alten Namen zurück und heißt seitdem wieder Chemnitz. Genau genommen studierte Steffen Ludwig also gar nicht in Chemnitz, sondern in Karl-Marx-Stadt.

In der DDR gab es ein anderes Schulsystem. Die Kinder gingen dort bis zur zehnten Klasse alle zusammen in eine Schule, erinnert sich Steffen Ludwig. Als Fremdsprache wurde in der DDR russisch und ab der siebten Klasse wahlweise auch Englisch gelernt. Nach seiner Einschätzung wurde mehr Wert auf Physik, Chemie und Biologie gelegt und es sei strenger zugegangen.

Fast alle Kinder waren in ihrer Freizeit bei der FdJ. Das ist die Abkürzung für Freie deutsche Jugend. In der DDR war die FdJ die einzige Jugendorganisation, die vom Staat anerkannt gewesen war. Und da waren eben alle Kinder dabei. „Ich glaube, da waren nur die nicht dabei, deren Eltern Pfarrer waren. Alle anderen machten da mit. Das war einfach so.“

Die Familie von Steffen Ludwig hatte Kontakt zu Menschen, die in Westdeutschland lebten. Sein Vater hat in den 1970er Jahren einen Luftballon gefunden und die beiden Familien hatten Kontakt zueinander aufgenommen. „Das war immer das Größte, wenn sie uns besucht haben.“

Schließlich brachte der Besuch aus dem Westen Dinge mit, die es in der DDR nicht zu kaufen gab oder nur ganz schwer zu bekommen waren. Steffen Ludwig erinnert sich an Kaffee, Kleidung und Bananen als Mitbringsel.

Als Steffen Ludwig später seinen Führerschein machte, bekam er von den Großeltern einen Trabi geschenkt. Den hatten Oma und Opa 17 Jahre vorher schon bestellt. Denn auf ein Auto musste man in der DDR jahrelang warten.

Dass Steffen Ludwig also mit seinem Führerschein gleich ein Auto hatte, war nur den Großeltern zu verdanken. Sie hatten schon kurz nach der Geburt von Steffen Ludwig das Auto bestellt.

Am 9. November fiel dann die Mauer und Steffen Ludwig fuhr mit seiner Frau nach Berlin. „Wir haben zum ersten Mal West-Berlin betreten, sind mit der U-Bahn zum Brandenburger Tor gefahren“, sagt er. „Wir waren überwältigt von dem Überfluss, der hier herrschte.“

Von dem ersten westdeutschen Geld, das er in der Hand hatte, kaufte sich Steffen Ludwig Bananen und eine Palme.

Nach dem Mauerfall wurde die wirtschaftliche Lage in der DDR zunächst schlechter, Steffen Ludwig fand nach seinem Studium keine passende Arbeit, da alles im Umbruch war. Er ging in den Westen.