Kinder leben in zerbrechlichen Beziehungen
Der Therapeut Volkmar Schulze arbeitet in der Mutter-Kind-Station, in der zwölf Plätze für Begleitkinder angeboten werden. „Die Mütter befinden sich häufig in einer Zerreißprobe. Sie sorgen sich um die Daheimgebliebenen und um ihr mitgebrachtes Kind.“ Darüber vernachlässigten sie sich selbst komplett. Wer alkoholkrank sei, sei emotional instabil. Das hat oftmals extreme Stimmungsschwankungen und unberechenbares Verhalten zur Folge. „Ein Kind kann keine sichere Bindung aufbauen, wenn es seinem Vater oder seiner Mutter ständig schlecht geht.“ Manche Kinder versuchten, die Situation zu bewältigen, indem sie schneller erwachsen und selbstständig werden. „Sie werden dann zu Eltern ihrer Eltern, denken für sie mit, holen ihre Medikamente ab.“
Lernen wieder Vertrauen zu fassen
Die Frauen müssten überhaupt erst zu der Erkenntnis kommen, „mein Kind hat etwas mitbekommen“, sagt Kinder- und Jugendtherapeutin Beate Jezussek, die die Aktionswoche unterstützt. Bei den Aufnahmegesprächen werde dies von den meisten Patientinnen bestritten. Die Leiterin des Kinderhauses Kindernest weiß, dass es sehr lange dauern kann, bis das verloren gegangene Vertrauen der Kinder in die Eltern wieder hergestellt ist. Bis sie die Mutter oder Vater wieder als verlässliche Bezugsperson erleben. „Bei uns sollen sie lernen: Es lohnt sich, sich Erwachsenen wieder anzuvertrauen.“
Beate Jezussek betreut Kinder bis ins Alter von zwölf Jahren. Schulkinder besuchen die Grundschule der Gemeinde oder weiterführende Schulen im Landkreis während der Therapie ihrer Mütter. Die Frauen kommen aus dem ganzen Bundesgebiet in die Fachklinik. Was sie in Hutschdorf vermittelt bekommen, sollen überwiegend positive Erlebnisse sein. „Die Kinder sollen spüren: Ich war meiner Mutter so wichtig, dass sie mich mitgenommen hat.“
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