An seinen Sportgeräten sei nichts Besonderes dran, sagt Rücker. Na ja, eines möchte der Ausdauerspezialist, der Mitglied beim Team Icehouse ist, nicht missen: die elektronische Gangschaltung. Ein leichter Knopfdruck zum Umwerfen der Kette, anstatt mit einer Drehung des kompletten Unterarms den Hebel zu betätigen – das mache in der Summe der Schaltvorgänge einen enormen Unterschied, betont er. Schmerzen in Nacken oder Schulter? Kennt er nicht. Und auch das stundenlange Sitzen auf dem Rennsattel ist für ihn kein Thema. „Ich lehne sogar dicke Sitzpolster in der Hose, die reiben können, ab; dünne reichen doch völlig aus.“
So viel zum Physischen. Und die Psyche? Schließlich wollen Veranstaltungen über 300, 400, 600 Kilometer bewältigt werden, oder gar Höhepunkte wie das Race Across Italy (808 km am 23. April) oder ab 20. Juni die Kroatien-Durchquerung (1400 km). Musik ist immer dabei, von Johann Strauß bis Metallica. Rücker: „Ich habe ein breites musikalisches Spektrum, stelle mir Playlists zusammen, die dann – passend zur Stimmung oder zur Tageszeit – abgespielt werden.“
Eine weitere Hilfe: „Ich unterteile mir die Strecke gedanklich in 150-km-Abschnitte, die ich ja auch im Training fahre“, schildert der Bayreuther, wie er seinen Kopf beschummelt. Und um den Willen zu schulen, hat sich Rücker eine Spezialschikane ausgedacht: „Bisweilen nehme ich mir zu Hause eine 90-km-Runde vor. Und wenn ich dann heimkomme, beschließe ich, diese nach dem Auffüllen von Getränke- und Riegelvorrat sofort noch mal zu absolvieren. Das sorgt für eine gewisse mentale Härte, die man bei den Rennen auch braucht.“ Der innere Schweinehund mault vielleicht auf den ersten 10 oder 20 Kilometern der Zusatzetappe, „aber wenn es dann am Untreusee in Hof wieder Richtung Bayreuth geht, ist das kein Thema mehr“.
Schon ein Thema ist das Geld. Langsam werde wohl Sponsorenhilfe nötig, meint der 44-Jährige. Der Materialverschleiß (Reifen, Ritzel, Bremsen, Kleidung) sei beträchtlich, Startgelder sind zu bezahlen. Kosten von 25 000 Euro etwa für eine (begleitete) Teilnahme mit allem Drum und Dran beim Race Across America (RAAM), dem wohl härtesten Rennen dieser Art von der West- zur Ostküste der USA, seien realistisch. Ja, für Bernd Rücker ist das RAAM ein Thema, 2017 könnte es schon so weit sein, die notwendige Qualifikation für die 5000-km-Strapaze möchte er heuer beim Race across Germany in Angriff nehmen. Ab 15. Juli geht es dann über 1110 Kilometer von Flensburg nach Garmisch. 48 Stunden ist in Rückers Altersklasse das Limit.
Unterwegs mal schnell etwas einkaufen
Solche Zeitfenster bereiten ihm keine Probleme, auch wenn diese ein Brutto-Wert sind, also etwa Schlaf und Verpflegungspausen dazugehören. Die bekannte Veranstaltung Paris – Brest –Paris (1230 km, 11 500 Höhenmeter) hat er im vergangenen August, wie berichtet, in 69:45 Stunden absolviert – ohne jegliche fremde Hilfe. „Es gilt, extrem gut organisiert zu sein. Ich weiß in der Regel, wo ich unterwegs was zu essen besorgen kann. Mit dabei sind neben Mantel und Schläuchen fürs Rad noch ein Ersatzakku für das Licht sowie Verpflegung etwa in Form von Energieriegeln. „Ich habe Nüsse als ideale Nahrung für mich entdeckt“, sagt der Bayreuther.
Die Starter bei diesen Wettbewerben, auch Brevet genannt, sind auf sich allein gestellt, haben auf einer offiziellen Strecke Kontrollpunkte anzufahren. „Man könnte unterwegs sicher schummeln, aber für die Teilnehmer ist es eine Ehrensache, das nicht zu tun“, erzählt Bernd Rücker. „Es gibt keine Preisgelder, es kommt nicht darauf an, als Erster zurück zu sein. Wer dort startet, will die verlangte Strecke bewältigen, will sich selbst etwas beweisen. Er würde sich ja nur selbst bescheißen, wenn er unterwegs ins Auto oder in die Bahn steigt.“
Bernd Rücker wird Mitte März ins Auto steigen, um nach Treuchtlingen (Mittelfranken) zu fahren. Dort steht der erste Brevet des Jahres über 200 km an. Dann geht es fast Schlag auf Schlag: 300, 800, 400, 600 . . . Knapp 4000 Rennkilometer sollte er in den Beinen haben, wenn die Deutschland-Durchquerung losgeht. Im August ist dann mal Unterstützung für seine Freundin, eine amerikanische Künstlerin, angesagt, die auch vom Fieber des Langstrecken-Radelns erfasst ist und in Norwegen startet. Und dann ist Amerika nicht mehr weit für Bayreuths Perpetuum mobile.