Karten-Praxis verärgert Wagnerianer

Von Susanne Will
Viele suchten noch Karten für die Parsifal-Premiere. Foto: Christophe Braun Foto: red

Es gibt Wagner-Fans, die campieren vor dem Festspielhaus, um vielleicht doch noch eine Premieren-Karte zu erhalten. Und es gibt Menschen, die können oder wollen die Premiere nicht besuchen. Wie das gesamte bayerische Kabinett, das nach dem Münchner Amoklauf nicht zur Premiere erschien. Warum die einen die Plätze der anderen dennoch nicht bekommen, regt nicht nur die Wagnerianer auf, sondern auch Parsifal-Regisseur Uwe-Eric Laufenberg: „Das ist ein Witz.“

 
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Montagmittag, Festspielhaus: Vor dem Seiteneingang sitzen oder stehen Menschen in der Schwüle. Sie halten Zettel hoch, „Karte gesucht“ steht darauf. Andere hoffen am Ticket-Schalter, dass jemand seine Premieren-Karte zurückgeben muss, sie weichen keinen Meter von ihrem Platz. Als „Parsifal“-Regisseur Uwe-Eric Laufenberg diese Szene beobachtete, fand er eine zunächst ganz einfach klingenden Lösung: Weil viele Politiker den Parsifal-Besuch wegen des Amoklaufs in München mit zehn Toten abgesagt haben, waren nun ja Plätze frei – warum nicht einfach den Wagnerianern diese Karten verkaufen?

Kartenrückgabe zu kurzfristig

Was einfach klang, war unmöglich, sagt zumindest die Stadt Bayreuth. Rainer Sack ist der Leiter des Hauptamtes der Stadt. „Leider gibt es Vorgänge, die man nicht verändern kann.“ Er erklärt: „Wir konnten die Karten, die die Stadt gekauft hatte, um bestimmte Leute zur Premiere einzuladen, nicht zurückgeben, dafür war die Zeit zu kurz.“ Die Politiker hatten die Karten per Post erhalten. Am Samstag fiel deren Entscheidung, aus Respekt vor den Opfern des Amoklaufes nicht an der Premiere teilzunehmen. „Die Vorstellung war am Montag – wie hätten sie die Karten zurückgeben sollen?“

Zu nah an der Prominenz?

Auch aus Respekt vor der Entscheidung der eingeladenen Politiker, mit dem Fernbleiben ein Zeichen zu setzen, wären die Karten nicht in den Verkauf gegeben worden. Sack führt auch ein weiteres Argument an: „Die Politiker sitzen in den Logen, in denen auch andere hochrangige Menschen sitzen.“ Der US-Botschafter John B. Emerson beispielsweise. „Da kann ich nicht einfach einen gänzlich Unbekannten reinsetzen“, so Sack.

"Schluss mit der Angstkiste"

Peter Emmerich, Sprecher der Festspiele, bedauert das. „Wir konnten die Karten nicht verkaufen, weil sie uns ja nicht mehr gehörten. Die Stadt hätte sie uns anbieten müssen, dann hätten wir sie auf Kommission genommen. Und wir können ja auch schlecht um die Karten betteln.“ Das Beispiel vom Botschafter kann er nachvollziehen, auch aus Sicherheitsgründen. Er wendet allerdings ein: „Man geht doch erstmal nicht davon aus, dass unter den Wagner-Fans jemand sein könnte, der sich so Zutritt erschleichen möchte, um dann böse Dinge zu tun.“ Mit dieser  „permanenten, grässlichen Angstkiste“, so Emmerich, müsse einmal Schluss sein, „sonst lähmt die Angst alles“.

"Respekt auch den Eingeladenen gegenüber"

Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe sagt, die Stadt habe „sehr großes Verständnis“ für die Entscheidung der Politiker, ihren Besuch bei den Festspielen abzusagen. „Anstand und Respekt sowohl den Opfern und ihren Angehörigen wie auch den Eingeladenen gegenüber verbieten es zu versuchen, die Karten für die frei gewordenen Plätze zu verkaufen. Ein solches Vorgehen hätte außerdem große sicherheitstechnische Probleme verursacht.“ Weiter sagt Merk-Erbe, dass den Festspielen kein wirtschaftlicher Schaden dadurch entstanden sei. Und: „Die Geschäftsführung der Bayreuther Festspiele in Person ihres Pressesprechers wurde über diese Entscheidung im Grundsatz am Montag informiert. Dabei äußerte Pressesprecher Peter Emmerich hierfür Verständnis.“

Polizei wusste von nichts

Hätte es tatsächlich sicherheitstechnische Probleme gegeben, wenn Wagnerianer die Plätze eingenommen hätten? Jürgen Stadter, Pressesprecher vom Bayreuther Polizeipräsidium kann das nicht beantworten, denn: „Die polizeiliche Einsatzleitung ist in diesen Fall nicht involviert worden.“

 

 

Diese Politiker haben wegen der Vorfälle in München abgesagt: Die Bundesminister Christian Schmidt (Ernährung, Landwirtschaft), Barbara Hendricks (Umwelt), Hermann Gröhe (Gesundheit), Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, die Staatsministerin Ilse Aigner (Wirtschaft), Joachim Herrmann (Inneres), Marcel Huber (Leiter Staatskanzlei), Beate Merk (Europa-Angelegenheiten), Ludwig Spaenle (Kultur), Winfried Bausback (Justiz), Ulrike Scharf (Verbraucherschutz), Melanie Huml (Leiterin Staatsministerium Gesundheit und Pflege), Helmut Brunner (Landwirtschaft und Forsten), Emilia Müller (Bundes- und Europaangelegenheiten), die Staatssekretäre Gerhard Eck, Georg Eisenreich, Albert Füracker und Josef Pschierer.

Fotos: Festspiel-Premiere 2016

Glanzlose Festspiel-Eröffnung

 

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