Maßstäbe für einen weltoffenen Katholizismus
Am Sonntag läutete zu Ehren Lehmanns die größte Domglocke in Mainz für eine halbe Stunde. Zur gleichen Zeit läuteten nach Angaben eines Bistumssprechers auch viele der 303 Pfarreien in Rheinland-Pfalz und Hessen die Kirchenglocken. Das Bistum Mainz umfasst Gebiete in Hessen und Rheinland-Pfalz sowie die Exklave Wimpfen in Baden-Württemberg.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, Lehmann habe «Maßstäbe für einen weltoffenen Katholizismus gesetzt». Dabei nannte sie das Engagement des Kardinals für die Aufnahme von Flüchtlinge und zum kirchlichen Beistand für schwangere Frauen in Gewissenskonflikten. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erklärte: «Kardinal Lehmann wird dieser Welt als authentischer Repräsentant und Erneuerer der katholischen Kirche fehlen.»
Warmherziger und menschlicher Bischof
Mit Betroffenheit und Trauer nahm die Deutsche Bischofskonferenz die Nachricht vom Tod Lehmanns auf. «Ein großer Theologe, Bischof und Menschenfreund geht von uns», sagte Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Bischofskonferenz und Erzbischof von München und Freising. Mit Lehmann gehe ein warmherziger und menschlicher Bischof von großer Sprachkraft. «Die Kirche in Deutschland verneigt sich vor einer Persönlichkeit, die die katholische Kirche weltweit wesentlich mit geprägt hat.»
Der Kölner Kardinal Rainer Woelki hat den verstorbenen Kardinal Karl Lehmann als einen exzellenten theologischen Denker und den Menschen zugewandten Seelsorger gewürdigt. «Durch seine besondere Gabe, auch komplexe theologische Fragen einfach darstellen zu können, hat er immer wieder den Austausch mit allen Menschen gleich welcher Weltanschauung gefördert», sagte Woelki. «Besonders in dieser Rolle als den Menschen zugewandter Seelsorger, der den Dialog befördert, wird uns Kardinal Lehmann noch lange als Vorbild in Erinnerung bleiben», betont Woelki.
Wegbereiter für die Annäherung beider Kirchen
Als einen der «intellektuellen Köpfe der Bischofskonferenz» hat Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck den verstorbenen Kardinal Karl Lehmann gewürdigt. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, würdigte Lehmann als Wegbereiter für die Annäherung beider Kirchen. Lehmann habe ein «weltweit beachtetes Zeichen für die Verständigung der beiden großen Konfessionen», schrieb der bayerische Landesbischof in einen Brief an Kohlgraf.
Auch der oberste Repräsentant der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, hat den verstorbenen Kardinal Karl Lehmann als Brückenbauer zwischen Kirche und Gesellschaft und zwischen den Konfessionen gewürdigt. «Wir haben Bruder Lehmann als einen echten Pontifex, einen Brückenbauer, erlebt: Er hat Konfessionen übergreifend Brücken geschlagen und dabei immer wieder auf die Quellen verwiesen, aus denen wir gemeinsam schöpfen», so der rheinische Präses in seinem Kondolenzschreiben an Kohlgraf.
Letzter öffentlicher Auftritt im August 2017
Im Mai 2016 war Lehmann mit 80 Jahren in den Ruhestand gegangen. Er hatte den Papst aus Altersgründen darum gebeten, seinen Dienst als Bischof zu beenden. Zu seinem Abschied kamen rund 1200 Menschen in den Mainzer Dom. Im August 2017 trat Kohlgraf seine Nachfolge an - das war der letzte öffentlicher Auftritt von Lehmann.
Lehmann bezog in vielen Debatten klar Stellung - zum Beispiel mit seinem gemäßigt liberalen Kurs bei der Schwangeren-Konfliktberatung und bei wiederverheirateten geschiedenen Katholiken. Er setzte sich für ein Diakonenamt für Frauen ein. Lehmann zeigte sich beunruhigt über die AfD und hielt sie aus christlicher Sicht nicht für wählbar. Für seine Verdienste um die Verständigung zwischen den christlichen Kirchen ehrte ihn die Evangelische Kirche in Deutschland 2016 als ersten katholischen Träger mit der Martin-Luther-Medaille.