Prozess um Brandstiftung in der Sutte – Experte hat kein fremdenfeindliches Motiv gefunden Junger Trinker legt Feuer

Von Manfred Scherer
Foto: Archiv Foto: red

Er ist 20. Er trinkt, seit er 16 ist. Sein psychischer Zustand ist nicht gut. Im Februar zündete er im Hauseingang eines Mehrfamilienhauses in der Sutte einen Kinderwagen an. Vier Menschen kamen mit Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus. In seinem Prozess vor der Jugendkammer des Landgerichts in Bayreuth hat der 20-Jährige gestanden. Es war nicht das erste Mal, dass er Feuer gelegt hat.

 
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Aus „Langeweile“, so beschreibt der aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Angeklagte sein Tatmotiv. Gerichtspsychiater Thomas Wenske wird später sagen: „Langeweile führen meist diejenigen als Motiv an, die sich ihre Tat nicht recht erklären können.“ Was der Psychiater aber ausschließen kann: einen fremdenfeindlichen oder rechtsextremistischen Hintergrund: „Das hat er vehement verneint.“

Der Angeklagte war am 21. Februar in dem Mehrfamilienhaus zu Besuch bei einer Bekannten. Fünf Bier – für seine Verhältnisse nicht viel – habe er bei ihr getrunken. Und beim Hinausgehen habe er sein Feuerzeug an den Sonnenbaldachin des im Hausflur stehenden Kinderbuggys gehalten. Das Gefährt ging in Flammen auf, der Hausflur war schnell verraucht. Ein Experte vom Landeskriminalamt (LKA) sagte im Prozess, dass alleine die brennenden Plastikmaterialien des Buggys eine derartige Rauchentwicklung erzeugen können – die Treppe hinauf sei gar ein Kamineffekt entstanden.

Papiertonne als Gefahrenquell

Zum Glück war die Feuerwehr schnell vor Ort. Der erste Feuerwehrmann, der eintraf, löschte die Reste des Buggys mit einem Pulverlöscher. Ein anderer schaffte die volle Papiertonne aus dem Hausflur. Falls die Feuer gefangen hätte, so der LKA-Experte, wäre in jener Nacht ein weit verheerenderes Feuer ausgebrochen. Über die Wahrscheinlichkeit, dass der brennende Buggy die Tonne in Brand gesetzt hätte, wollte der Experte sich nicht konkret äußern – insgesamt sah er diese Möglichkeit in dem steinernen Hausflur als eher gering an. Das bedeutet für das Landgericht: Rechtliche Überprüfung des Tatvorwurf der versuchten schweren Brandstiftung. Schwere Brandstiftung heißt: Ein Gebäudeteil oder ein Gebäude, in dem Menschen wohnen, in Brand zu setzen.

Giftiges Rauchgas zieht durch das Treppenhaus

Er ist auch wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, weil aufgrund des Kamineffekts einige Bewohner Rauchgasvergiftungen erlitten. Einige kamen ins Krankenhaus, darunter die vierjährige Tochter einer Flüchtlingsfamilie aus Syrien. Das Rauchgas wurde damals von der Feuerwehr abgesaugt.

Den Brandstifter konnte die Kulmbacher Polizei in Zusammenarbeit mit dem Kollegen des Kriminaldauerdienstes (KDD) der Bayreuther Kripo noch am selben Abend überführen. Ein Streifenbeamter der Polizeiinspektion Kulmbach hatte beim Eintreffen am Brandort den ihm bekannten Angeklagten auf der gegenüberliegenden Straßenseite am Geländer der Brücke über den Mühlbach lehnen sehen. Bei den Ermittlungen ergab sich, dass der 20-Jährige im Haus eine Bewohnerin besucht hatte.

Widersprüche aus den Handynachrichten

Zunächst erzählte der Mann, er sei aus dem Haus gegangen und er habe dann eine Runde zu Fuß durch die Innenstadt gedreht. Erst als er die Feuerwehr gehört habe, sei er zurückgekommen. Aufgrund von Handynachrichten vom Mobiltelefon der im Haus besuchten Bekannten und vom Handy des Angeklagten ermittelte der Streifenbeamte Widersprüche. Mit diesen Widersprüchen konfrontierte ein Ermittler des KDD den 20-Jährigen, der noch in der Nacht gestand. Welche polizeiinternen Erkenntnisse den Kulmbacher Streifenbeamten hellhörig gemacht hatten, wurde im Prozess bekannt: Der Mann, der früher in Mainleus gelebt hatte, hatte dort einer Nachbarin zwei Kinderwägen angezündet.

Warum? Das ist nicht ganz klar. Gerichtspsychiater Wenske fand heraus, dass der 20-Jährige unter einer Intelligenzminderung leidet und eine Lernbehinderung hat – er kann kaum Lesen oder Schreiben, Rechnen nur wenig. Der Psychiater fand auch heraus, dass der junge Mann den gewaltsamen Tod seines Vater – unterschiedliche Quellen sprechen einmal von Unfall und einmal von einem Mord – nicht aufgearbeitet hat. Wohl auch deshalb trinkt der junge Mann exzessiv. Und wegen dieses Hangs zu Alkohol stellte er eine Gefahr dar. Psychiater Wenske empfahl, ihn in die Zwangstherapie in einem Bezirksrankenhaus einzuweisen.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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