Sie werden angespuckt und getreten und müssen trotzdem die Ruhe bewahren Junge Polizisten sorgen für friedliches Bierfest

Von
Sicherheit auf dem Bierfest: Das hat seit Jahren hohe Priorität. Die Polizisten sind fast so jung wie die meisten der Bierwochenbesucher. Fotos: Eschenbacher Foto: red

Schwarze Kappen, grüne Anzüge, Waffen am Gürtel: Die Einheiten der Bayerischen Bereitschaftspolizei fallen in der Masse der Bierfestbesucher auf. Der Kurier durfte sie am Mittwochabend zwischen 21 und 22.30 Uhr begleiten.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Zwei und Zwei hintereinander. Die Einsatzbesprechung mit dem Zugführer am Stützpunkt Stadthalle ist beendet. Die Männer und Frauen, die jetzt geordnet an der Tiefgaragenausfahrt stehen, haben junge Gesichter. Sie stammen aus Nürnberg. Es ist ihr erster Einsatz auf der Kulmbacher Bierwoche.

Man könnte sie sich auch als Bierfestbesucher vorstellen, wenn sie nicht in ihrer schweren Dienstkleidung stecken würden. Jeder von ihnen trägt ein kleines Kabel und einen Knopf im Ohr: Somit sind sie immer miteinander in Kontakt. Gruppenführer Christoph G. gibt ihnen eine Beschreibung der Lage. Seine Worte würden ohne Funk im Lärm der Masse und der Musik, die vom Bierfeststadel herüberweht, untergehen. Strammen Schrittes setzen sich die Bereitschaftspolizisten, kurz Bepo genannt, in Bewegung. Im Gänsemarsch. „Das ist ein Experiment für uns", sagt ihr Sprecher Herbert Gröschel eine Stunde zuvor. Wir sind bei einer Einsatzbesprechung mit der Polizei. Wir, die Journalisten, die den Bepo-Leuten bei der Arbeit über die Schulter schauen dürfen. So nahe heran lässt die Polizei die Medien sonst nicht so gern. Die Bepo macht am Mittwoch eine Ausnahme. Sie kümmert sich um den Schutz des Außengeländes. Im Bierstadel ist sie nicht unterwegs: Dort schaut der Sicherheitsdienst der Brauerei nach dem Rechten. Die Polizeiinspektion Kulmbach ist dankbar für die Bepo-Unterstützung: Tausende Besucher täglich, das kann die PI alleine nicht stemmen.

Schlagstock, Pistole und Handschellen: Die bewaffnete Einheit fällt beim Marsch auf die linke Seite der Stadthalle auf. Wird neugierig gemustert und beobachtet. Sie wird wahrgenommen. Provoziert Kommentare. Von freundlich: „Da sind ja die Hübschen wieder" bis zu verächtlich: „Nein, überall die Sch...polizei". Den Polizisten und Polizistinnen macht das nichts aus, darf das nichts ausmachen. Sie richten den Blick nach vorne und bahnen sich weiter einen Weg durch die Menge. „Worte sind die stärkste Waffe des Polizisten", haben sie in ihrer Ausbildung gelernt. Sie sollen kommunizieren, um Situationen zu entschärfen. Wenn sie sich einen herausgreifen, um mit ihm zu sprechen, stellen sich die anderen drum herum. Und behalten das Umfeld im Auge. Als sich die Truppe an den Stufen zur Halle in Zweierreihen aufstellt, traut sich zunächst keiner, sie anzusprechen. Seit einigen Jahren verstärkt die Bepo die Kulmbacher Polizei täglich am Bierfest. Sollte sich etwa ein gewalttätiger Konflikt zwischen Besuchern zuspitzen, würde sie eingreifen.

Wegen der extremen Hitze am Anfang und zwei Regentagen kamen bisher weniger Besucher zur Bierwoche als im Vorjahr. Das bedeutet für die Polizei, weniger Gewaltdelikte, weniger Körperverletzungen, sagt Jürgen Stadter vom Polizeipräsidium Oberfranken. „Schlägereien, bei denen Bierkrüge im Spiel sind, kommen kaum vor." Wenn die Leute heimwärts ziehen, kommt es immer wieder zu Sachbeschädigungen und Diebstählen. Aber nicht in größerem Ausmaß, so Stadter. Die Polizei habe bis Mittwoch trotz erhöhter Kontrollen noch keine einzige Trunkenheitsfahrt aufgedeckt: „Wir hoffen, dass der Trend anhält." Damit die Straftaten nicht zunehmen und die Sicherheit bewahrt bleibt, setzt die Polizei auf sichtbare Präsenz.

„Warum seit ihr denn so viele?" Eine Dreizehnjährige hat sich getraut und spricht einen der Bepos an. Als sie mit ihrer Freundin vorbeilief, zwinkerte Christian K. ihr zu – und signalisierte damit Gesprächsbereitschaft. Er tritt einen Schritt vor und hört sich geduldig ihre Fragen an: „Was macht ihr, wenn wir uns schlagen?", „Kannst du mir mal die Handschellen anlegen?", „Dürfen wir mit, wenn ihr wohin müsst?" Christian K. antwortet freundlich und knapp, ein Mädchen entschuldigt sich. „Ich hoffe, wir haben euch nicht bei der Arbeit gestört." Er sagt, sie würden dafür bezahlt hier zu sein, damit sich die Besucher sicher fühlten. Nein, festnehmen nur zum Spaß, das gehe nicht.

Die Lage ist nach wie vor ruhig. Kein Funkspruch beordert die Gruppe an einen anderen Ort, an dem eine Eskalation drohen würde. Die Bereitschaftspolizei hat in ganz Bayern Einsatzhundertschaften stationiert. An sieben Standorten werden Auszubildende auf den Polizeiberuf vorbereitet. Von 6000 Bewerbern werden nur 1200 eingestellt. Die „Beponesen", wie sie sich selbst nennen, werden zu Fußballspielen, Demonstrationen und Festivals geschickt. Sie unterstützen die Landespolizei auch in anderen Bundesländern. Da die Mentalitäten unterschiedlich sind, ist dafür viel Fingerspitzengefühl erforderlich. Erfahrung und die nötige Portion Gelassenheit, die bringt Christoph G. mit.

Als Gruppenführer hat er am Mittwoch das Kommando. Um fast einen Kopf überragt er die Kollegen. Der Einsatz an der Bierwoche ist für ihn nicht außergewöhnlich. Er hat schon Härteres erlebt: „Ich war beim G8-Gipfel in Heiligendamm dabei, da sind uns die Gehwegplatten um die Ohren geflogen." Er ist gespannt, wie sich der bisher ruhige Abend noch entwickelt. „In der Masse fallen die Hemmungen schneller", weiß er. „Je höher der Alkoholpegel, um so größer das Aggressionspotenzial."

Bei einem Angriff dürfen sich die Polizisten wehren, solche Zugriffe werden regelmäßig trainiert. Die Arbeit des Ordnungsamtes, der Feuerwehr, der Polizei, der Sicherheitsdienste und der Rettungskräfte von BRK, DLRG und Maltesern greift auf dem Bierfest ineinander. „Wir merken massiv, dass die Kollegen da sind", sagt Maximilian Türk, Einsatzleiter des Roten Kreuzes. Das bedeutet: „Weniger Schlägereien und alkoholisierte Patienten unter 18 Jahren." Er sitzt um 22.45 Uhr entspannt in der Notrufzentrale in der Stadthalle. Hin und wieder greift er zum Telefonhörer oder tippt etwas in den Computer ein. Im Erdgeschoss der Dr.-Stammberger-Halle werden von bis zu 40 freiwilligen Helfern die Patienten versorgt. Bislang waren unter den rund 140 Fällen hauptsächlich Schnittverletzungen und Kreislaufbeschwerden. Seit vier Monaten bereiten sich die Ehrenamtlichen vor, haben schon 1577 Stunden geleistet. Manche haben extra Urlaub genommen für den Bierwocheneinsatz. Und der dauert in der Regel bis um 1 Uhr. Wenn der Stadel schließt, geht's für die Retter und Polizisten erst richtig los.

Autor

Bilder