Junge Frau kämpft für Epilepsie-Kranke

Von Peter Rauscher
Bianca Gehr will Epileptikern helfen und hat eine Bundestagspetition eingereicht. Die junge Frau ist auf den Rollator angewiesen. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ein Zusammenbruch und ein epileptischer Anfall haben das Leben von Bianca Gehr von einem Moment auf den nächsten völlig verändert. Seitdem kämpft sich die junge Bayreutherin zurück und will nun mit einer Petition im Bundestag erreichen, dass allen rund 600.000  Epilepsie-Kranken in Deutschland besser geholfen werden kann.

 
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Was am 30. Januar 2014 genau mit ihr geschah, kann die 33-Jährige bis heute nicht sagen. Sie weiß nur, dass sie in Kulmbach einkaufen war und plötzlich zusammenbrach. Die Ärzte stellten später einen Schädelbruch links fest, ein Innenohrtrauma, ein Thoraxtrauma sowie eine massive Hirnblutung als Folge des Sturzes. Warum sie stürzte, sei den Ärzten bis heute unklar, sagt sie. Nach dem Sturz erlitt sie einen epileptischen Anfall. „Der Gutachter meinte später, ich hätte auch sterben können“, sagt Bianca Gehr.

Nach dem Zusammenbruch

Im Krankenhaus leidet sie an Kopfschmerzen, ist orientierungslos, nach ihrer Entlassung braucht sie Hilfe im Haushalt, ist nicht mehr belastbar und gehbehindert. Erst nach einer Reha kann die junge Frau wieder arbeiten gehen, seit ihrem Unfall sind 21 Monate vergangen. In ihren Beruf als  Krankenschwester am Klinikum Bayreuth kann sie nicht zurückkehren, sie übernimmt eine Teilzeitstelle vorwiegend am Schreibtisch in der Patientenverwaltung des Klinikums.

Notfalltabletten am Arbeitsplatz

Bianca Gehr wirkt beim Gespräch heiter und flachst mit ihren Kollegen, aber nach ihrem Zusammenbruch hat sie sich aus einem tiefen seelischen Loch herausarbeiten müssen. Sie braucht psychische Hilfe, ist wegen Gleichgewichtsstörungen und Spastiken auf einen Rollator angewiesen, und ihre Kollegen wissen, wo sich ihre Notfalltabletten befinden. Für den Fall, dass sie erneut einen epileptischen Anfall erleidet. Doch es gab keinen zweiten Anfall. Ihre Ärzte glauben mittlerweile, dass sie nicht an Epilepsie leidet. Davon spricht man nur, wenn es wiederholt zu Anfällen kommt.

Petition an den Bundestag

Bianca Gehr hat sich mit der Krankheit intensiv auseinandergesetzt. Gestützt auf ihr Wissen als Krankenschwester und nach intensiver Recherche hat sie zwei Fachbücher geschrieben. Dabei habe sie festgestellt, dass es kein bundesweites Register über Epilepsie gibt, anders als etwa bei Krebs oder Diabetes. „Damit aber würde eine Datenbasis geschaffen, um Therapien für Kranke zu optimieren und die Forschung anzuschieben“, sagt Gehr. Sie wandte sich an das Büro der CSU-Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner, das ihr riet, im Internet eine Petition an den Deutschen Bundestag zu richten.

Weitgehend normales Leben führen

An den Petitionsausschuss kann sich jeder Bürger wenden, ohne Anwalt oder andere Hilfe. Bianca Gehr formulierte ihr Anliegen. In ihrer Petition an den Bundestag mit der Nummer 72464 argumentiert sie, Epilepsie sei eine Volkskrankheit, an der jährlich bis zu 5000 Menschen in Deutschland neu erkrankten. Ein Register könne Betroffenen „helfen beziehungsweise die Möglichkeit geben, eine geeignete Therapie zu finden, damit sie ein weitgehend normales Leben führen können“. Sie schreibt, die Kranken seien in ihrem Leben „massiv eingeschränkt und leiden. Meine Einstellung dazu ist, dass diesen Menschen soweit wie möglich geholfen werden kann“. Ihre Petition wurde zugelassen, Bianca Gehr wartet derzeit ab, wie die Bundestagsfraktionen reagieren.

Unterstützer gesucht

Einschalten wird sich nun die Deutsche Epilepsievereinigung. „Die Idee von Frau Gehr ist interessant, ich werde mich mit ihr in Verbindung setzen und das Thema mit meinen Vorstandskollegen besprechen“, sagt Sybille Burmeister, selbst Betroffene und Vorstand in der bundesweiten Selbsthilfeorganisation, auf Kurier-Anfrage. Bisher habe sie von der Petition nichts gewusst, ein solcher Vorstoß bedürfe nach ihrer Erfahrung vieler Unterstützer.

Genau darum bemüht sich Bianca Gehr gerade. Um zu zeigen, dass viele Menschen ihr Anliegen mittragen, hat sie mehr als 430 Unterschriften gesammelt, die Liste liegt auch am Infoschalter des Klinikums aus.  Die Universitätsklinik Heidelberg, die bei der Epilepsieforschung mit führend sei, unterstütze sie ebenso wie Prof. Thomas Rupprecht, Ärztlicher Direktor am Klinikum Bayreuth. Bianca Gehr will auch aufklären: „Meine Unfallversicherung weigert sich zu zahlen, weil sie Epilepsie für eine Geisteskrankheit hält“, sagt sie. Epilepsie sei ein Tabuthema. „Viele Betroffene schweigen aus Angst.“ Bianca Gehr, die sich ehrenamtlich als Notfallseelsorgerin engagiert, möchte, dass die Kranken offener mit ihrem Leiden umgehen können.

 

Stichwort: Epilepsie

Epilepsien sind neurologische Erkrankungen mit einem äußerst vielfältigen Erscheinungsbild. Deshalb wird in der Regel nicht von der Epilepsie, sondern von den Epilepsien gesprochen. Epilepsie liegt vor, wenn wiederholt epileptische Anfälle auftreten. Tritt zum Beispiel in Folge von übermäßigem Alkoholgenuss, bei hohem Fieber oder auch bedingt durch völlige Übermüdung ein einziger epileptischer Anfall (Gelegenheitsanfall) auf, ist das keine Epilepsie.

Es wird geschätzt, dass etwa fünf Prozent aller Menschen einmal in ihrem Leben einen epileptischen Anfall bekommen. Epileptische Anfälle sind unwillkürliche Funktionsstörungen, die durch vorübergehende abnorme Entladungen größerer Nervenzellverbände an der Hirnoberfläche hervorgerufen werden.

Es gibt verschiedene Anfallarten: Stürze infolge von Verkrampfungen des Körpers und grobe Zuckungen, Bewusstseinspausen, die von Außenstehenden oft nicht erkannt werden oder Vorgefühle und Empfindungen von Dingen, die nicht vorhanden sind. (Quelle: Deutsche Epilepsievereinigung)

 

 

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