Ein Ereignis, auch wenn man nicht alles versteht: Der Grande des Wiener Kabaretts in Bayreuth Josef Hader: Das Gesamtkunstwerk

Von Michael Weiser
Josef Hader spielt Josef Hader. Und singt auch noch. Foto:Harbach Foto: red

Den Mann muss man gesehen haben, um zu verstehen, was er sagt: Josef Hader legt in der Bayreuther Stadthalle eine souveräne Show vor.

 
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In der Regel machen wir das ganz gern so, dass wir in einer Besprechung einen Kabarettisten oder Comedian mit seinen besten Pointen zitieren. Nicht etwa, weil’s die Zeilen füllt, sondern vielmehr, um einen Eindruck zu vermitteln, was der Künstler so gesagt hat, um dem Leser auch ein wenig Spaß zu gönnen und ihm damit natürlich auch ganz allgemein mitzuteilen, was er da versäumt hat: Schau her, so lustig war’s an diesem Abend in der Stadthalle.

Bei Josef Hader funktioniert das nicht. Nicht etwa, weil der Abend nicht lustig gewesen wäre. Sondern weil Sätze wie diese aus dem Zusammenhang gerissen gar nicht so den großen Witz versprühen: „Ihr seid’s für mich ein riesiges schwarzes Loch.“ Oder: „Die wichtigste Beschäftigung im alten Griechenland: Knabenliebe. Wenn ich des sag’, lachen s’ im Süden von Bayern immer recht laut. Weil’s dann sagen können: Gottseidank, wir haben’s nicht erfunden.“

Die Grenzen der Philosophie

Nein, Hader muss man schon ganz erleben, mit diesem Dackelblick von schräg unten, seiner souveränen Ratlosigkeit, seiner grandiosen Art, Geschichten zu erzählen – zum Beispiel über die Antike. Man muss sich mal vorstellen, wie ein Wiener Kellner Sokrates verblüfft - so schnell zeigt Hader die Grenzen der Philosophie auf.

Hader spielt Hader, als Gesamtkunstwerk, in Auszügen aus mehreren älteren Programmen. Wer genau hinhört, merkt vielleicht, wo das eine an das andere Fragment stößt. Insgesamt aber ergibt sich ein kleines Theaterereignis, ein Monolog eines zärtlichen Misanthropen, eines einsichtigen Politikerbeschimpfers, eines gut aufgelegten Pessimisten, eines witzigen Melancholikers, eines diabolischen Narren.

Hader beherrscht nicht nur die Geste, sondern auch die Show. Mal nimmt er das Tempo raus, bis knapp vor den Punkt, an dem er den Motor abwürgen würde. Im nächsten Moment drückt er wieder aufs Pedal, doch ohne zu überdrehen.

Hader kennt die Grenze – und verletzt sie allenfalls bewusst. Und wenn er über Amstettens Keller lästert, spielt ein verschwörerisches Grinsen um seine Mundwinkel: Bei solch geschmacklosen Witzen wird das Publikum ganz schnell zum Komplizen. Irgendwie doch witzig, dass halb Österreich im Keller groß geworden sein soll.

Das funktioniert auch beim Serben-Mobbing: Wer da lacht, ist ihm auf den Leim gegangen. Klischees funktionierten halt deswegen so gut, weil sie so einen hohen Wiedererkennungswert haben. Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland? Hitler kommt aus Deutschland, Beethoven aus Österreich. Irgendwie kann man diesem Hütchenspieler gar nicht böse sein.

Hader singt auch, und es klingt ein bisserl, als habe da jemand Samt über ein Nagelbett gezogen: viel netter, als es gemeint ist. Aber das versteht man leider gar nicht mal so gut. An Haders Wienerisch liegt’s nicht unbedingt, er hat eh schon auf die Franken Rücksicht genommen. Nein, auch der alte Kabarettrecke ringt über weite Strecken vergeblich mit der Akustik der Stadthalle. Dennoch blieb da genug übrig für einen wirklich guten Abend: Wäre schad, würde man’s nur auf ein paar Worte verkürzen.