Jeder 18-Jährige soll 20.000 Euro bekommen

Von Peter Rauscher
Die Schweizer stimmen ab: Am Sonntag geht es um die Themen Asylreform und Grundeinkommen. Foto: Jean-Christophe Bott/dpa-Archiv Foto: red

Die Bürger der Schweiz entscheiden am Sonntag in einer Volksabstimmung über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in Höhe von 2.500 Schweizer Franken (rund 2.270 Euro). David Stadelmann (33), Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, der mehrere Jahre in der Schweiz gearbeitet hat, hält das für keine gute Idee. Aber er hätte einen anderen Vorschlag.

 
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Herr Stadelmann, wenn es in Ihrer Jugend ein bedingungsloses Grundeinkommen gegeben hätte: Wären Sie heute Professor oder hätten Sie sich ein paar schöne Jahre ohne Arbeit gegönnt?

David Stadelmann: Ich wäre wahrscheinlich nicht Professor geworden, sondern in die Politik eingestiegen. Als Professor kann man schon manches tun, um die Welt zu verbessern. Aber in einem Land, in dem sehr viel umverteilt wird, weil es ein Grundeinkommen gibt, könnte man mehr tun an den Stellen, an denen über diese Umverteilung entschieden wird.

Laut Umfrage sind rund 30 Prozent der Schweizer für ein solches Grundeinkommen. Sind das alles faule Säcke?

Stadelmann: Das glaube ich nicht. Das Grundeinkommen wird nach meiner Einschätzung klar abgelehnt werden. Aber einigen der Befürworter geht es darum, ein Zeichen zu setzen für eine sozialere Politik und für Reformen.

Das Geld kommt nicht vom Christkind

Geld bekommen ohne zu arbeiten – würde da nicht für viele ein Traum in Erfüllung gehen?

Stadelmann: Das stimmt. Aber die Schweizer Stimmbürger sind zu vernünftig, um an die Erfüllung dieses Traums zu glauben. Das Grundeinkommen hätte wenigstens zwei relevante negative Effekte: Erstens würde der Anreiz zu arbeiten sinken. Zweitens: Ein Grundeinkommen würde sehr, sehr viel Geld kosten. Es ist leider kein Weihnachtsgeschenk, das vom Christkind kommt.

Jetzt ist der Ökonom gefragt: Wenn sich der Staat dafür andere Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sparen könnte und die Unternehmer weniger Lohn zahlen müssten, weil 2.500 Franken jeden Monat pro Beschäftigen vom Staat kommen: Könnte sich das am Ende doch irgendwie rechnen?

Stadelmann: Ökonomen schätzen, dass in der Schweiz im Durchschnitt über 80 Euro Steuer aufs Einkommen nötig wären, um so ein Grundeinkommen zu finanzieren. Wenn man in Deutschland ein Grundeinkommen von 800 Euro machen würde, wären es mindestens 70 Prozent Steuern. Man kann bei anderen Sozialleistungen gar nicht so viel einsparen wie nötig wäre. Ein Grundeinkommen, das die Armut beseitigt, ist schlicht nicht finanzierbar. Rechnen Sie 2.500 Franken monatlich mal auf das ganze Leben hoch. Da kommen Sie schnell auf einen Barwert von über einer Million Franken. Dass das nicht zu bezahlen ist, leuchtet jedem ein. Und stellen Sie sich vor, wie attraktiv die Schweiz dann bei Ausländern wäre: Das Land müsste sich noch stärker nach außen abschotten.

Abstimmung hat Signalcharakter für Deutschland

Warum wird ein Grundeinkommen eigentlich ausgerechnet in der reichen Schweiz so intensiv diskutiert? In Deutschland steht noch nicht einmal die Linkspartei geschlossen hinter dieser Idee.

Stadelmann: Das liegt am politischen System in der Schweiz. Initiativen können relativ einfach gestartet werden. 100.000 Unterschriften reichen für, um eine Volksabstimmung zur Verfassungsänderung zu erzwingen. Das hat jetzt beim Grundeinkommen funktioniert. Es ist aber gut, wenn das Volk einmal darüber entscheidet, denn dann ist die Diskussion wieder für ein paar Jahre vorbei. Auch für Deutschland könnte der Ausgang Signalcharakter haben. Diese Diskussion kann man sich dann hier sparen.

Aber wäre die Diskussion in Deutschland nicht gerade jetzt wichtig? In der Mittelschicht gehen Abstiegsängste um, viele Menschen können trotz Mindestlohn von ihrem Einkommen kaum leben. Das bedroht die politische Stabilität des Landes.

Stadelmann: Die Diskussion um das, was Menschen zum Leben brauchen, wird in Deutschland ja geführt. Ich würde sie nur anders führen. Zum Beispiel so, dass Existenzminima in Regionen mit hohen Lebenshaltungskosten wie München höher sein müssten als auf dem Land in Sachsen. Dass das Grundeinkommen die beste Möglichkeit ist, Armut zu beseitigen, glaube ich nicht. Was man braucht, um Niedriglohn und Armut zu bekämpfen, wäre mehr Innovation durch Unternehmertum und mehr Wettbewerb. Das drückt die Preise und hebt die Realeinkommen.

Hätten Sie eine andere Idee als das Grundeinkommen?

Stadelmann: Ich schlage ein Grundkapital vor. Sie können es auch Startkapital oder Innovationskapital nennen. Mit 18 Jahren soll jeder Bürger in Deutschland vom Staat 20.000 Euro bekommen. Das hilft den jungen Leuten beim Start ins Berufsleben und wäre viel billiger und berechenbarer als ein Grundeinkommen. Man könnte auch Bedingungen damit verknüpfen, dass die jungen Leute zum Beispiel schon einige Jahre im Land leben müssen. Und man müsste im Gegenzug wieder Studiengebühren einführen, die die Studierenden mit ihrem Startkapital zahlen, während jene, die eine Berufsausbildung gemacht haben, ihr Innovationskapital für die Unternehmensgründung oder die Realisierung ihrer Ideen einsetzen.

Zur Person

David Stadelmann (33) arbeitet seit mehr als drei Jahren als Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und ist Forschungsmitglied bei Crema-Center for Research in Economics, Management and the Arts in der Schweiz. Er ist geboren in Vorarlberg im österreichisch-schweizerischen Grenzgebiet, arbeitete mehrere Jahre in der Schweiz und pflegt bis heute berufliche Kontakte dorthin.

Einen Gastbeitrag von David Stadelmann zum Thema Flüchtlinge lesen Sie hier