Müller: Ja. Man kann die Abläufe, wie man sich verhalten sollte, verinnerlichen, so dass man das alles automatisch abrufen kann, wenn man Zeuge eines Vorfalls wird. Man kann aber auch Distanzverhalten und Körperhaltung trainieren, damit man gewappnet ist in Gefahrensituationen, Sprache, die richtigen Worte und Ansprache spielen auch eine Rolle, um zu deeskalieren.
Die Frau im Rotmaincenter ist selbst dazwischen gegangen, sie hätte auch Schläge abkriegen können. Was sollte ich tun, damit ich mich nicht selbst in Gefahr begebe, wenn ich helfen will?
Müller: Grundsätzlich gilt freilich immer: "Helfe, ohne dich in Gefahr zu bringen!". Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch mal daran erinnern, dass wir verpflichtet sind zu helfen. Was man auf jeden Fall immer machen kann, ist, die Polizei zu rufen. Und das hätte ich jetzt bei diesem Fall im Rotmaincenter auch erwartet. Das ist enttäuschend. Mit der Polizei in Kommunikation zu sein, dient auch der weiteren Informationsvergabe. Dazu kann man sich beispielsweise auf die andere Straßenseite stellen, den Vorfall weiter beobachten und wenn die Polizei eintrifft, auch gleich sagen, wohin ein potenzieller Täter geflüchtet ist und so weiter.
Das andere Wichtige in so einer Situation, was auch jeder machen kann: dem Opfer helfen, es ansprechen, Vertrautheit schaffen, Taschentücher reichen, trösten. Denn so ein Angriff ist schon ein Schock-Erlebnis an sich, da muss man niemandem zumuten, dass er dann auch noch einer anonymen Masse gegenüber steht, die nur glotzt.
Der andere bundesweit bekannt gewordene Fall ist der der Offenbacher Studentin Tugce A.bayrak, die im November 2014 niedergeschlagen und so schwer verletzt wurde, dass Ärzte sie zehn Tage später für hirntot erklärten. Sie hatte zuvor versucht, auf der Toilette eines Schnellrestaurants einen Streit zu schlichten. Ihre Familie rief später eine Stiftung für Zivilcourage ins Leben, die einen jährlichen Preis verleiht. Ist so etwas eine Hilfe?
Müller: Jede Initiative, jeder Weg der Auseinandersetzung ist gut. Bei so vielen eigentlich profanen Dingen des Alltags sind wir nicht vorbereitet. So wie man sich fragen sollte "Kann ich eigentlich Reifen wechseln? Was mache ich, wenn ich meine Schlüssel verliere?", sollte man sich auch vergewissern: "Wie kann ich helfen, wenn ich eine Gewalttat beobachte? Kann ich eigentlich noch Erste Hilfe leisten?". Das sind erste Schritte der Vorbereitung für einen Ernstfall. Irgendwann verinnerlicht man das dann.
Viele wollen auch helfen, haben in der Situation dann aber Angst, auch nur bei der Polizei anzurufen, weil sie denken, wenn jetzt doch nichts war oder die sich geeinigt haben, dann habe ich da unnötig Wirbel gemacht. Das ist falsch. Es ist immer gut, bei der Polizei anzurufen. Auch wenn sich herausstellen sollte, dass da nichts war. Es geht um ein subjektives Sicherheitsgefühl. Das kann man so für sich und auch für potenzielle Opfer stärken.
Zur Person: Peter Müller war lange bei der Bundespolizei in Bayreuth und beschäftigte sich hier bereits schwerpunktmäßig mit dem Thema Gewaltprävention. Nach dem Tod von Dominik Brunner in München gründete sich hier 2010 das "Forum Bayreuth ohne Gewalt", 2014 wurde die Initiative von Peter Müller und Peter Kuhn mit 20 Bayreuthern aus den unterschiedlichsten Bereichen dann auch ein eingetragener Verein, dessen Vorsitzender Müller seitdem ist.
Weitere Infos gibt es unter www.bayreuthohnegewalt.de und aktion-tu-was.de.