Intoleranz geht Thomas Nagel (FDP) gegen den Strich

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Auf Wahlkampftour in Selb. Fotos: Wittek Foto: red

Der knallgelbe Wahlkampfbus trägt die Aufschrift "Ein Nagel, der die Region zusammenhält." Der Nagel, das ist der Kulmbacher FDP-Stadt- und Kreisrat Thomas Nagel. Jetzt will er auch in den Landtag und den Bezirkstag einziehen.

 
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Sein Kleinbus steht vor dem Haupteingang der Selber Firma TVD, Textilveredelung Drechsel. Textilien und Porzellan, dafür steht das Fichtelgebirge noch immer. Besonders Selb, die Rosenthal-Stadt. Thomas Nagel will sich am Mittwoch mit Bundestagsabgeordnetem Horst Meierhofer ein Bild von der Situation der Wirtschaft und des Tourismus machen. Den Regensburger Parteifreund duzt Nagel, der in Jeans, schwarzem Sakko und Weste, weißem Hemd und blauer Krawatte erschienen ist. Seriös und gutbürgerlich. Aufmerksam hört er dem Unternehmer Ernst Drechsel zu, der berichtet, warum er sich weigert, die EEG-Umlage zu bezahlen und seinen Strom von den Stadtwerken Bochum bezieht. Es geht um den Mittelstand und die Energiewende. Nagel fragt höflich und sachlich nach, wenn ihn etwas interessiert. Und zum Schluss: "Was wünschen Sie sich von der Politik?" "Augenmaß", sagt da der Seniorchef, und die Politiker sollten sich bitte aus dem Thema Mindestlohn raushalten. Der 45-jährige Nagel macht sich während des einstündigen Gesprächs ab und zu Notizen, wozu er einen mit Gold verzierten Kugelschreiber benutzt.

Im Bus fahren wir zur nächsten Station: das Porzellanikon Selb. Den grauhaarigen Herrn am Steuer nennt der Landtagskandidat, der auf dem Beifahrersitz Platz nimmt, "meinen wichtigsten Unterstützer". Es ist sein Vater, Hans-Heinrich Nagel. Der Rentner unterstützt seinen Sohn, der in diesem Jahr seinen zweiten Wahlkampf macht. Der 71-Jährige nimmt sich die Zeit, um seinen Sohn zu begleiten und beim Plakatieren zu helfen. Nagel senior ist selbst bei den Freien Demokraten: "Er hat mich nicht überredet, sondern überzeugt." Hans-Heinrich Nagel kann sich noch daran erinnern, als Philip Rosenthal Staatssekretär war und im Kulmbacher Vereinshaus aufgetreten ist. Seitdem es die Wählergemeinschaften gibt, nahm der Zulauf zur FDP ab. In Kulmbach hat sie rund 80 Mitglieder, der Ortsverein Selb wurde erst im Mai dieses Jahres gegründet. Als einziger FDP-Vertreter sitzt Nagel seit 2008 im Kulmbacher Stadtrat, der erste FDPler seit 40 Jahren überhaupt. Dort fiel er immer wieder mit originellen Anträgen auf: Live-Übertragungen der Sitzungen im Internet, ein "Schutzengel"-Programm für Kinder aus armen Verhältnissen und zuletzt mit dem Vorschlag, der Stadt den Namenszusatz "am Main" zu geben.

Nagel ist zwar in Coburg geboren, aber dennoch ein waschechter Kulmbacher, hat dort Abitur gemacht und ein Volontariat beim Lokalradio. Mittlerweile ist er Studienleiter der Akademie für Neue Medien und Seminarleiter der Akademie der Bayerischen Presse. "Die FDP ist für mich eine Art Lebenseinstellung", sagt Nagel, der seit 2003 der Partei angehört. Seit er politisch unterwegs ist, kann er nur noch "unverfängliche Sendungen" moderieren, etwa in den Ressorts Kultur oder Sport. Gesellschaftspolitische Themen gingen gar nicht, "das kann ich nicht machen, da bin ich nicht mehr glaubwürdig."

Durch das Porzellanikon führen Museumsdirektor Wilhelm Siemen und der 1927 geborene Künstler und gelernte Porzellanmaler Helmut Drexler. Nagel hält das Industriemuseum für äußerst sehenswert und wundert sich, dass es "kaum bekannt" ist. Womit er beim Thema Tourismus ist, das ihm am Herzen liegt: "Oberfranken hat viele Perlen, aber wir müssen sie viel mehr miteinander vernetzen", meint Nagel, der auch das Fehlen einer Museumskarte für die Region bemängelt. Die Kinderfreundlichkeit höre mancherorts bei einem Teller Pommes auf.

Bei der Mittagspause im Museumscafé bestellt Thomas Nagel Zwetschgenkuchen mit Sahne, sein Vater Apfelkuchen mit Sahne. Er hat vorher eine Zigarette geraucht, der Sohn nicht. Der Kulmbacher Kommunalpolitiker widmet seinen Urlaub nahezu völlig dem Wahlkampf. "Ich bin zwar gut und eifrig unterwegs, will aber auch noch für meine Familie da sein." Um mit dem sechsjährigen Sohn Markus Fußball zu spielen oder sich seiner Frau zu widmen. "Sie erdet mich und sagt auch schon mal: Komm, nimm dich nicht so wichtig." Wenn Nagel spricht, verschränkt er oft die Arme, bleibt auf Distanz. Ob er auch mal aus der Haut fahren kann? "Was ich nicht leiden kann, ist Intoleranz und Nörgler, die selbst nichts tun und alles schlechtreden." Er schätzt Menschen, die klar sagen, was sie wollen. Und wenn es der Sache dient, parteiübergreifend für die Region handeln. In München, da würde er sich wohl fühlen.

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