BKH-Anwalt Karsten Schieseck über die Entlassung von Gustl Mollath und Hilfen, die stets abgelehnt wurden Immer Ärger mit Mollath

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 Foto: red

Vorwürfe gegen das Bezirkskrankenhaus Bayreuth waren mit das Erste, was Gustl Mollath (56) am Dienstag nach seiner Entlassung äußerte. Man habe ihm nicht geholfen und ihm eine Frist gesetzt, bis wann er seine Sachen gepackt haben sollte. Karsten Schieseck (52), Anwalt der Klinik, widerspricht dem im Exklusiv-Interview mit dem Kurier.

 
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Warum hat die Klinik Gustl Mollath nicht geholfen?
Karsten Schieseck: Die Klinik hat ihm angeboten, bei der Beschaffung seiner Papiere oder bei Gängen zu Behörden behilflich zu sein. Wie bei jedem Patienten, der entlassen wird. Dies wurde ihm auch während seiner Unterbringung angeboten, aber er hat abgelehnt.

Wie hat er von seiner Entlassung erfahren?
Schieseck: Ein Arzt und ich haben ihm die Dokumente des Oberlandesgerichts gegeben. Aber er hat sich geweigert, sie zu nehmen und wollte erst mit seinem Anwalt sprechen. Erst dann hat er sie genommen. Aus den Unterlagen ging hervor, dass er sofort zu entlassen war. Das Angebot, die Klinik oder sein Anwalt kümmere sich um seine Papiere, blockte er ab. Er wollte das nicht hören.

Sie haben ihn dann zum Packen gedrängt?
Schieseck: Er sah den Hinweis auf „sofortige Entlassung“ als einen Angriff auf sich selbst. Sein Anwalt signalisierte mir, er werde wohl bis 15 Uhr gepackt haben. Die Klinik hat ihre Hilfe dabei angeboten. Auch für seine Kartons im Keller. Das hat er abgelehnt. Erst später haben Mitarbeiter der Klinik die Kisten aus dem Keller tragen dürfen. Es gab keinen Druck und keinen Limit bis 15 Uhr gegeben. Er duschte und führte viele Telefonate. Keines wurde unterbrochen.

Gustl Mollath stellt das anders dar.
Schieseck: Es wurde 17 Uhr und er hatte nur noch wenige Sachen in seinem Zimmer, auch den Fernseher. Er verließ das Zimmer und fuhr mit dem Wagen nach vorne. Ich fragte ihn noch, ob er den Fernseher nicht auch gleich mitnehmen wolle. Mollath reagierte mit dem Vorwurf, dass es gegen die Menschenwürde verstoße, ihm eine Frist bis 15 Uhr zu setzen, und dass dies eine Foltermethode sei.

Haben Sie widersprochen?
Schieseck: Nein. Ich sollte als Anwalt dabei sein, um deeskalierend zu wirken. Das Zimmer wurde versiegelt, aber er wollte nicht dabei sein, obwohl es ihm angeboten wurde. So hätte er sicher sein können, dass nichts herauskommt.

Und warum wurde es so spät, bis Mollath schließlich herauskam?
Schieseck: Ich ging dann zu den Reportern am Eingang, um für einen ordnungsgemäßen Ablauf zu sorgen. Dann kam wieder eine Information. Jemand rief an, weil Mollath doch seinen Fernseher mitnehmen wollte. Spätestens da hätte man sagen können „jetzt reicht’s“. Aber nicht der Mensch Schieseck, sondern der Anwalt der Klinik war da. Und der muss auch auf ambivalente Wünsche eingehen. Dann ging Mollath wieder rein ins Zimmer und trug den Fernseher raus. Sein ganzes Hab und Gut ist von den Freunden abtransportiert worden. Die vielen Zeitungen hat er im Zimmer zurückgelassen.

Und plötzlich war er nicht mehr gefährlich.
Schieseck: Das nennt man „juristische Sekunde“. Allerdings ist nicht entschieden, dass er unschuldig ist. Auch das psychiatrische Gutachten haben die Nürnberger Richter nicht in Zweifel gezogen. Es geht auch nicht darum, dass das Attest des Arztes falsch war, das die Misshandlungen seiner Frau dokumentierte. Auch der Sachverhalt wie ihn das Gericht festgestellt hat, wurde nicht angezweifelt. Sondern nur, dass das Attest nicht auf einem formell korrekten Weg einbezogen wurde.

Droht ihm wieder eine Verurteilung?
Schieseck: Jetzt ist alles offen, vom Freispruch bis zu einer Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Aber die Taten liegen Jahre zurück. Berücksichtigt werden muss auch seine Unterbringung. Und dass er jede Therapie abgelehnt hat.

Aber er wurde doch nie untersucht?
Schieseck: Die Gesetzeslage ist, dass auch bei jemandem, der sich weigert, ein Gutachten erstellen zu lassen, ein Gutachten erstellt werden muss. Und wenn der Vorwurf der Dauerbeobachtung erhoben wird – dann ist das ein korrekter Umgang mit der Angelegenheit. Auch die Akten müssen von jedem Gutachter komplett gelesen werden.

Wie viele Beschwerden von Mollath gab es gegen die Klinik?
Schieseck: Es sind mehrere Aktenordner voll. In Einzelfällen mit Konsequenzen. Aber ernsthafte Beschwerden hatten keine Abmahnungen zur Folge. Und wir haben uns, wie bei jedem Patienten, wenn es nötig war, entschuldigt.

Foto: Wittek

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