Und warum wurde es so spät, bis Mollath schließlich herauskam?
Schieseck: Ich ging dann zu den Reportern am Eingang, um für einen ordnungsgemäßen Ablauf zu sorgen. Dann kam wieder eine Information. Jemand rief an, weil Mollath doch seinen Fernseher mitnehmen wollte. Spätestens da hätte man sagen können „jetzt reicht’s“. Aber nicht der Mensch Schieseck, sondern der Anwalt der Klinik war da. Und der muss auch auf ambivalente Wünsche eingehen. Dann ging Mollath wieder rein ins Zimmer und trug den Fernseher raus. Sein ganzes Hab und Gut ist von den Freunden abtransportiert worden. Die vielen Zeitungen hat er im Zimmer zurückgelassen.
Und plötzlich war er nicht mehr gefährlich.
Schieseck: Das nennt man „juristische Sekunde“. Allerdings ist nicht entschieden, dass er unschuldig ist. Auch das psychiatrische Gutachten haben die Nürnberger Richter nicht in Zweifel gezogen. Es geht auch nicht darum, dass das Attest des Arztes falsch war, das die Misshandlungen seiner Frau dokumentierte. Auch der Sachverhalt wie ihn das Gericht festgestellt hat, wurde nicht angezweifelt. Sondern nur, dass das Attest nicht auf einem formell korrekten Weg einbezogen wurde.
Droht ihm wieder eine Verurteilung?
Schieseck: Jetzt ist alles offen, vom Freispruch bis zu einer Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Aber die Taten liegen Jahre zurück. Berücksichtigt werden muss auch seine Unterbringung. Und dass er jede Therapie abgelehnt hat.
Aber er wurde doch nie untersucht?
Schieseck: Die Gesetzeslage ist, dass auch bei jemandem, der sich weigert, ein Gutachten erstellen zu lassen, ein Gutachten erstellt werden muss. Und wenn der Vorwurf der Dauerbeobachtung erhoben wird – dann ist das ein korrekter Umgang mit der Angelegenheit. Auch die Akten müssen von jedem Gutachter komplett gelesen werden.
Wie viele Beschwerden von Mollath gab es gegen die Klinik?
Schieseck: Es sind mehrere Aktenordner voll. In Einzelfällen mit Konsequenzen. Aber ernsthafte Beschwerden hatten keine Abmahnungen zur Folge. Und wir haben uns, wie bei jedem Patienten, wenn es nötig war, entschuldigt.
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