Noch sind nicht alle Kapazitäten ausgeschöpft Im Kreis Kulmbach leben 455 Flüchtlinge

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Viele Familien mit Kindern leben im Wohnheim in Neuenmarkt. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Sie verlassen ihre Heimat. Und stranden irgendwo in Europa. Auch der Landkreis Kulmbach nimmt Flüchtlinge auf. Inzwischen sind es fast sechs Mal so viele wie im Jahr 2012. Noch kommen Behörden und Helfer mit dem Zustrom zurecht.

 
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Das sagt das Landratsamt: In 14 von 22 Kommunen im Landkreis Kulmbach leben derzeit 455 Asylbewerber. Noch ist der vorhandene Wohnraum nicht ausgeschöpft. „Wir haben noch Luft“, sagt Christine Dippold vom Sachgebiet Ausländerwesen am Landratsamt in Kulmbach. Aktuell werden Dippold zufolge zehn Flüchtlinge pro Woche in Unterkünfte weitervermittelt. Der Notfallplan sei im Landkreis bereits im Februar in Kraft getreten. Daher sind jetzt zuerst andere Landkreise und kreisfreie Städte in Oberfranken an der Reihe, Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Die Regierung von Oberfranken hat zugesagt, alle gleichmäßig zu belasten. „Wann bei uns die Spitze erreicht sein wird, ist noch nicht absehbar“, sagt Dippold. „Eine genaue Prognose abzugeben ist schwer.“

14 Kommunen nehmen Flüchtlinge auf

Im Landkreis haben Wonsees, Harsdorf, Trebgast, Ködnitz, Ludwigschorgast, Kupferberg, Guttenberg und Marktleugast keine Flüchtlinge aufgenommen. Das ist so gewollt: „Wir versuchen, die kleinen Kommunen nicht zu sehr zu belasten“, erklärt Dippold. In den drei Gemeinschaftsunterkünften im Kreis wohnen 194 Menschen (Stand: August 2015): 72 in Mainleus, 68 in Kulmbach und 54 in Neuenmarkt. Dezentral, also in angemieteten Wohnungen, hat das Landratsamt 193 Menschen untergebracht. 17 Personen wohnen privat, 51 sind Kontingentflüchtlinge aus Syrien und Afghanistan. Die im Landkreis gestrandeten Flüchtlinge stammen zudem aus den Ländern Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Serbien, Russland, Aserbaidschan, Ukraine, Irak und Albanien.

Die Zahl der Flüchtlinge ist rasant gestiegen: Im November 2012 waren es 80, im September 2014 bereits gut drei Mal so viele (250) und inzwischen hat sich die Zahl beinahe versechsfacht (über 450). Die Betreuung übernehmen vor allem ehrenamtliche Helferkreise und die Caritas-Asylsozialberatung. „Wir allein könnten das mit unserem Verwaltungspersonal nicht stemmen“, sagt Dippold.

Das macht die Jugendhilfe: Um minderjährige Flüchtlinge kümmert sich das Jugendamt. Ungefähr 44 Jungen zwischen 14 und 17 Jahren betreut es gegenwärtig. Neben dem Jugendheim in Fassoldshof nahm auch das BRK-Heim jugendliche Flüchtlinge auf. Weil die Zahl der Ankömmlinge vermutlich noch steigen wird, soll ein Teil künftig in den Räumen der ehemaligen Awo-Kurzzeitpflege in der Schützenstraße wohnen. „Das BRK-Heim dient uns vorübergehend als Notunterkunft“, sagt Jugendamtsleiter Klaus Schröder. Das Jugendamt leiste in diesem Fall Amtshilfe für andere Behörden im Süden Bayerns. Denn normalerweise ist das Jugendamt an dem Ort zuständig, an dem die Flüchtlinge aufgegriffen werden. 24 männliche Jugendliche, hauptsächlich aus Syrien und Afghanistan, wurden in Kulmbach aufgenommen. Nur etwa zehn Prozent der minderjährigen Flüchtlinge sind Mädchen. Für sie gelten besondere Regeln der Unterbringung.

Wieder auf der Flucht

„Jugendliche können nach einer Gesetzesänderung inzwischen eigenständig keinen Asylantrag mehr stellen“, sagt der Jugendamtschef. Allerdings kann dies ein Vormund für sie übernehmen. Dieser wird automatisch bestellt. Nach einem Vierteljahr Aufenthaltsdauer sorgt er auch dafür, dass der Jugendliche Schulunterricht erhält. Wenn es dazu kommt: Die Jugendamtsmitarbeiter erleben immer wieder, dass sich Jugendliche nach einiger Zeit absetzen. „Niemand kann sie festhalten und daran hindern, dass sie zum Beispiel weiterziehen nach Skandinavien.“ Zwar seien sie in der Regel von Land und Bund registriert worden. Und eine „Entweichung“ werde gemeldet. Doch die Situation sei vielfach unkalkulierbar. Im Regelfall tragen die Jugendlichen auch keine Papiere bei sich.

Im Vorjahr wurden 3.400 Jugendliche unter 18 Jahren auf der Flucht registriert. In diesem Jahr wurde mit 5.000 gerechnet, die Prognose mittlerweile auf 10.000 erhöht. „Die aktuellen Aufgriffszahlen erscheinen hoch, doch auch sie werden sich nicht halten lassen“, sagt Schröder. Ab dem nächsten Jahr werde die Verteilung bundesweit organisiert. Im Augenblick sieht er sich hauptsächlich vor einem Problem: „Das alles gut zu machen, ohne die anderen Aufgaben zu vernachlässigen.“

Das erleben die Helfer: „Wir kommen im Grunde ganz gut zurecht“, sagt Kerstin Wanderer vom Asylhelferkreis in Neuenmarkt. 50 Personen, davon 20 aktive Helfer, kümmern sich um das Asylbewerberwohnheim und die 18 weiteren Flüchtlinge in der Gemeinde. „Doch auch wir stoßen an unsere Grenzen.“ Besonders, wenn es zu Spannungen der Asylbewerber untereinander komme. „Je länger manche da sind, umso schwieriger wird es. Das Glück und die Fröhlichkeit, die sie anfangs empfunden haben, lässt nach.“ Die Helfer können nur Ratgeber sein, Entscheidungen wollen sie nicht erzwingen. Sie helfen beim Umgang mit Behörden, machen Fahrdienste oder besorgen Rezepte. „Wir wollen dazu beitragen, sie zu integrieren und sie auffangen, wenn sie in Not sind.“

Feste Stelle für die Flüchtlingshilfe

Weil das für Ehrenamtliche zur Herkulesaufgabe werden kann, soll gemeinsam mit der Hensoltshöhe eine feste Personalstelle dafür eingerichtet werden. "Es ist wichtig, dass wir das alles profesionalisieren", sagt Wanderer, die derzeit rund zehn Stunden wöchentlich für die Asylhilfe arbeitet. Neben ihrem Beruf als Erzieherin. In Neuenmarkt leben viele Familien mit Kindern im Wohnheim, die in der Grünanlage vor dem Gebäude spielen können. Sie gehen dort in den Kindergarten und in die Schule. Oftmals hätten sie gar keine Zeit, sich von den Mitschülern zu verabschieden, wenn sie verlegt werden oder ausreisen müssen. "Sie sind dann einfach weg." Acht unter 25-Jährige versuchte sie, in Kulmbach unterzubringen. Dort soll im nächsten Schuljahr eine Flüchtlingsklasse eingerichtet werden. "Sie ist aber schon voll und wird von den unbegleiteten Jugendlichen belegt."

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