Musiktheater-Projekt zum 25. Todestag Friedelind Wagners im Haus Wahnfried: Einige Zuschauer gingen zur Pause Idee top, Aufführung Flop

Von Gordian Beck
08.05.2016, Bayreuth, Richard-Wagner-Museum, Friedelinds Wahnfried, Foto: Andreas Harbach Foto: red

Bereits zur Pause hin – in den Ohren klingelte noch das „Organum plenum“ des Ensembles – wurde für Bayreuther Verhältnisse ungewohnt emotional Tacheles geredet. Zugegeben, eine Uraufführung wie diese lädt dazu auch ein. Dennoch, die Reaktionen waren heftig. „Friedelinds Wahnfried“, so der Titel des Musiktheater-Projekts, das am Sonntagabend im fast voll besetzten Saal des Hauses Wahnfried zum ersten Mal einem Publikum vorgestellt wurde, bewegte die Gemüter erheblich. Fürsprecher gab es im Übrigen auch, doch die waren klar in der Minderheit. In der Konsequenz war der Abend für eine ganze Reihe von Besuchern bereits nach der Pause beendet.

 
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Diesen pauschal Recht zu geben, wäre zu einfach. Sicherlich, die Qualität der Aufführung war indiskutabel, doch das ändert nichts am Gehalt der Idee. Denn die ist gut. Schließlich bietet das Umfeld sowie die Persönlichkeit Friedelind Wagners genügend Reibungsfläche, um daraus wirkungsvolles Musiktheater zu generieren. Und Anlass, selbiges zu tun, gibt es überdies: 2018 steht Friedelinds 100. Geburtstag an und damit eine gute Gelegenheit, dieser ebenso bemerkenswert mutigen wie eigensinnigen Frau zu gedenken. Kurz: Dieser Abend hätte durchaus Potenzial gehabt. Stellt sich nur die Frage, warum selbiges nicht durchschlug?

Kein stringenter Plot

Die Gründe sind vielschichtig. Das beginnt schon mit der von Autor Dirk Schattner und Komponist Mario Stork gewählten musikalischen Form. Nichts gegen Musical, aber dafür bräuchte es einen stringent erzählten Plot mit Höhen und Tiefen, sowie einen überzeugenden Schluss. Doch all das gibt es hier nicht, stattdessen operiert Schattner mit einer simplen Collage. Friedelind erzählt über sich, über Winifred und Siegfried, bisweilen singt und redet man auch miteinander. Ein vierköpfiger Chor kommentiert. Doch die Szenen, die Schattner offeriert, erscheinen wahllos aneinander gehängt, ein innerer Zusammenhang erschließt sich kaum. Das gilt insbesondere für den zweiten Akt.

Keine Hilfe

Der Programmflyer ist da keine große Hilfe; die Festlegung der einzelnen Szenen auf bestimmte Jahreszahlen verwirrt. Auch, weil sich diese nicht konsequent am Text festmachen lassen. Zum Beispiel im zweiten Akt, Szene 1. Betitelt ist sie mit „Begräbnis Siegfried Wagner“ und von Schattner korrekt auf 1930 datiert. Soweit alles nachvollziehbar. Das nächste Bild lautet „Auf der Flucht“ und ist in drei Unterszenen gegliedert. Unter anderem wieder mit einer Szene „Begräbnis Siegfried Wagner“. Das irritiert, zumal dem gesamten Bild die Jahreszahl 1933 zugeordnet ist. Friedelind Wagner hat sich aber erst 1939 aus Bayreuth abgesetzt.

An Beliebigkeit kaum zu toppen

Leider gaben da weder Text noch Musik Hilfestellung. Während erster sich im Verlauf des Stückes zunehmend im pseudodramatisch-klischeehaften „Wer bin ich? – Wer bist Du? – Wer sind wir überhaupt?“ verfing, blickte man, musikalisch gesehen, in ein schwarzes Loch. Denn das, was Stork da dem ehrwürdigen Flügel im Haus Wahnfried an Tönen entlockte, war an Banalität, an Beliebigkeit kaum noch zu toppen. Bis auf wenige Ausnahmen immer dieselben vollgriffigen Bassmuster, dazu meist melancholisch angehauchte Melodiebögen, die zwar geschmeidig ins Ohr gingen, aber dort eben nicht verfingen. Traurig!

Trauriger Gesang

Noch trauriger waren allerdings die Gesangsdarbietungen, denn das, was Stork auf seiner Homepage als „großartige Besetzung“ preist, genügte nicht ansatzweise den Ansprüchen, die man hierzulande mit dem Begriff „Solist“ verbindet. In einem Saal, wie ihn das Haus Wahnfried bietet, sollte man als ernst zu nehmender Sänger auf ein Mikrofon verzichten können! Michaela Schober (Friedelind), Kathryn Wieckhorst (Winifred) sowie Stork, der Siegfried Wagner gab, konnten das offensichtlich nicht.

Andererseits konnte auch die Tonanlage nicht verschleiern, dass Schober aus dem Musicalfach kommt, Wieckhorst über eine mehr oder weniger ausgebildete Opernstimme (Sopran) verfügt und Stork allenfalls als besserer Amateur reüssieren kann. Denn, Aussteuern lässt sich eine derartige Melange nur bedingt.

Falsche und schrille Töne

Weshalb man gerade bei den Gesangsnummern von Schober und Wieckhorst – dann und wann kam auch noch Stork dazu – ordentlich auf die Ohren bekam, falsche und schrille Töne inklusive. Dass die Textverständlichkeit darunter erheblich litt, versteht sich von selbst.

So gesehen, fände sich für diese Veranstaltung eigentlich nur ein Begriff, nämlich Desaster, hätten sich Schattner und Stork nicht ein Hintertürchen offen gehalten und ihre Konzert-Performance als Versuchsballon deklariert. Demnach soll das Projekt „Friedelinds Wahnfried“ weiterentwickelt und in zwei Jahren in einer szenischen Version auf die Bühne gebracht werden. Weshalb das Publikum seitens Schattner explizit um Feedback gebeten wurde.

Doch: Die Idee ist gut

Nun, hier ist es: Mund abwischen, das Ganze einstampfen, dann neu konzipieren und mit einer anderen Besetzung auf die Bühne hieven. Denn, wie gesagt, die Idee ist gut.

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