Hunderttausende Euro für sichere Felsen

Von Thorsten Gütling
Ein Fels an der Bundesstraße 22 zwischen Neidenstein und Freienfels droht zu kippen. Das zeigt aufgetragene, rote Farbe. Ob er im Ganzen abtransportiert werden kann oder gesprengt werden muss, steht noch nicht fest. Danach sollen Arbeiter loses Geröll per Hand von etlichen Felsen entlang der Bundesstraße 22 entfernen. Die Arbeiten sollen fünf Wochen dauern. Foto: Ronald Wittek Foto: red

15 Menschen müssen für einen, vielleicht sogar mehrere Tage ihre Häuser verlassen. Die Kreisstraße für einige Tage gesperrt werden. Die Stadt muss 65.000 Euro vorstrecken. Es ist Felssturzgefahr in Waischenfeld. Ein Problem, das auch andernorts besteht. Und in Zukunft häufiger auftritt, sagt ein Experte.

 
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Vier Felsen in Waischenfeld wertet das Landesamt für Umweltschutz als gefährlich. Drei in der Stadt, einen in Nankendorf. Während es bei dreien als wahrscheinlich gilt, dass sie noch einige Hundert Jahre unverändert liegen werden, ist bei einem schnelles Handeln geboten.

Richard Wagner thront und droht

Über den Häusern der Vorstadt thront der Richard-Wagner-Felsen. Und er thront nicht nur, er droht auch – zu stürzen. „Das sieht schon dramatisch aus, ein echter Klotz, ganz schön geneigt“, sagt Carlo Schillinger. Der Geschäftsführer des Instituts für Geologie und Altlasten hat das Felsmassiv überprüft. Sein Ergebnis: Ein Abstürzen des 110 Kubikmeter großen Blocks und seiner 35 Quadratmeter großen Deckplatte ist tatsächlich nicht auszuschließen ist. Gesamtgewicht: Rund 350 Tonnen. „Der Aufenthalt unterhalb des Felsens ist lebensgefährlich“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt.

350 Tonnen Felsmasse

Eine Sprengung, direkt vor den Toren der Vorstadt, ist zu gefährlich. Weil eine Sprengung der mehr als 350 Tonnen an Felsmasse oberhalb der südlichen Häuser der „Vorstadt“ nicht möglich ist, sollte möglichst bald eine Sicherung gegen Absturz erfolgen. „Die Höhe ist entscheidend“, sagt Geologe Schillinger. „Da genügt ein kleiner Stein und man ist tot.“

Zwei Häuser müssen evakuiert werden

Wenn nächste Woche die erste Bohrung gemacht wird, müssen die rund 15 Bewohner zweier Häuser am Fuße des Wagnerfelsens daher ihre Häuser verlassen. Weil nicht auszuschließen ist, dass die Maschinen, die den Fels von hinten einmal durchbohren, den Klotz zum Absturz bringen. Dabei gehen die Fachleute so vorsichtig wie möglich vor. Voraussichtlich fünf Wochen werden die Sicherungsarbeiten dauern. Zunächst wird am Rücken des Felsens ein dicker Betonriegel angebracht. Durch den und durch den Fels hindurch werden dann Löcher gebohrt. Von unten, nach schräg oben. Anschließend werden sechs Zentimeter dicke Stahlstangen und Beton in die Löcher gebracht. Drückt der Fels dann nach vorne, wird der Druck über die Stangen nach hinten geleitet. „Wie bei einem Balkon“, sagt Schillinger.

"Sonst sperren sie mich ein"

Jedes Mal, wenn gebohrt wird, soll die Kreisstraße BT 34 gesperrt werden. Die Stadt Waischenfeld muss die Kosten dafür zunächst aus der eigenen Tasche bezahlen. Waischenfeld hat aufgrund hoher Schulden Stabilisierungshilfe beim Freistaat beantragt. 65.000 Euro sind für die Stadt viel Geld. Bürgermeister Edmund Pirkelmann hofft, das Geld im nächsten Jahr über sogenannte Bedarfszuweisungen vollständig zurück zu bekommen. Solche Zuweisungen gibt es für Gemeinden, die die Umstände für hohe Investitionen nicht zu verantworten haben. Einen Rechtsanspruch darauf gibt es aber nicht. „Was soll ich tun?“, fragt Pirkelmann. „Wenn etwas passiert und ich um die Gefahr wusste, sperren sie mich ein.“

240.000 Euro für Felsen bei Hollfeld

Keine 20 Kilometer entfernt wird auch eine Straße gesperrt. Zwischen Neidenstein und Freienfels, beides Ortsteile der Stadt Hollfeld. Zuständig für die Straßensicherung dort das Staatliche Bauamt, die Kosten trägt der Staat. Und die haben es in sich. Auf 240 000 Euro schätzt sie Fritz Baumgärtel vom Staatlichen Bauamt. Wahrscheinlich fünf Wochen lang werden Arbeiter damit beschäftigt sein, die Felswände entlang der B 22 von losem Gestein zu befreien. Händisch, oft nur mit einem Seil gesichert. Dazu muss ein Felsblock entfernt werden. Weil er nur wenige Kubikmeter groß ist, soll er ohne Sprengung, im Ganzen, geborgen werden. Die Vorarbeiten haben begonnen. Die Bundesstraße ist noch bis Ende der Woche gesperrt. Danach soll bis Dezember eine Behelfsampel den Verkehr am Fels vorbei leiten.

Wachsende Felsspalte bei Krögelstein

Hollfeld Bürgermeisterin Karin Barwisch ist froh, dass die Stadt die Kosten diesmal nicht selbst tragen muss. Denn im Ortsteil Krögelstein ist man noch mit einem weiteren Fels beschäftigt. Regen und Frost haben in den vergangenen Jahren eine Felsspalte auseinandergetrieben. Jetzt droht ein Teil auf die Häuser am Fuß zu stürzen. Vor drei Wochen wurden Dübel zur Sicherung in den Fels getrieben. Alles in allem wird die Stadt wohl 52 000 Euro vorschießen müssen.

Bad Berneck erwartet hohe Kosten

Kosten, die nicht nur die Gemeinden in der Fränkischen Schweiz fürchten. Teure Felssicherungen fallen auch immer wieder im Fichtelgebirge an. Beispiel Bad Berneck. Dort machten Anwohner die Stadtverwaltung auf Risse und Absprengungen am Kurhausfelsen aufmerksam. Jetzt muss ein zusätzlicher Fangzaun gebaut werden. Erwartet werden Kosten von 190 000 bis 210 000 Euro.

600.000 für einen Hang bei Warmensteinach

Zwischen Sophienberg und Warmensteinach musste vor einem Jahr ein Hang kostspielig gesichert werden. Um die Gefahr von Verkehrsunfällen auf der Straße zu reduzieren, wurde die Fahrbahn in den Hang hinein verbreitert. Weil danach Felsbrocken abzustürzen drohten, mussten Schutznetze und Metallgitter angebracht und Felsen mit Beton gesichert werden. Die Kosten beliefen sich auf 600.000 Euro.

 

Interview

 

Carlo Schillinger ist Geschäftsführer des Instituts für Umweltgeologie in Nürnberg.

Er sagt: Zur Felssicherung kommen weitere Kosten auf die Gemeinden zu.

 

 

 

Herr Schillinger, täuscht der Eindruck, oder werden in letzter Zeit mehr Felssicherungen nötig?
Carlo Schillinger: Vor 30 Jahren haben wir viele Felsen gesichert. Dann war plötzlich Ruhe. Jetzt läuft gerade wieder eine Welle über Bayern. Auslöser ist wohl das Felsunglück von Stein an der Traun vor fünf Jahren. Da haben die zuständigen Behörden wieder gemerkt: Sie werden in die Haftung genommen. Dazu kommt: Die Bevölkerung ist aufmerksamer geworden. Es werden mehr Schäden an Felsen gemeldet. Gerade dort, wo viele Kletterer unterwegs sind.

Tragen die Kletterer auch selbst zu den Felsschäden bei? Oder der Schwerlastverkehr?
Schillinger: Das macht nichts aus. Die Schwingungen die von Kletterern und Verkehr ausgehen, sind vernachlässigbar. Auslöser ist die Witterung. Viel Wasser ist genauso schlecht wie große Hitze. Nach diesem Sommer haben die Pflanzen auf den Felsen lange Wurzeln gebildet und auf der Suche nach Wasser die Felsen gesprengt. Wenn es regnet schwemmt es Dreck in die Spalten und bei Frost sprengt der dann den Felsen.

Wird das in Zukunft mehr?
Schillinger: Da kommt definitiv was auf uns zu.

Nur in der Fränkischen Schweiz oder auch im Fichtelgebirge?
Schillinger: Überall. Nur das Gestein ist anders. Während der Jurakalk der Fränkischen Schweiz oft mit Nägeln befestigt werden kann, muss das kleinteiligere, geschichtete Gestein im Fichtelgebirge oft mit riesigen Netzen und Fangzäunen gehalten werden. Billiger ist der Nagel. Ein Meter Zaun kostet 800 Euro.