Zuckmayers Schauspiel "Des Teufels General" in einer kontroversen Fassung - Am 23. April in Bayreuth Hof zeigt Deutschlands Super-Drama

Von Michael Weiser
Männerbund in schwüler Atmopsphäre: "Des Teufels General" am Theater Hof. Foto: SFF-Fotodesign Foto: red

Dieser Held wird beispiellos abstürzen: Sapir Heller führt Carl Zuckmayers "Des Teufels General" am Theater Hof als Revue auf. Dass sich General Harras auch bei Zuckmayer nicht hundertprozentig gut verhält,  war klar. Wie aber kamen wir noch mal darauf, ihn trotzdem als Held zu betrachten?  Am 23. April gastiert das Theater Hof damit in Bayreuth.

 
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Der Mann hat ein gebrochenes Verhältnis zur Wahrheit und zur Wirklichkeit. Es stimmt nicht, was er von seiner Weltanschauung behauptet. Es stimmt auch nicht, was er beschreibt. Und wir im Publikum wissen nicht: Müssen wir ihm misstrauen? Sollen wir ihn bemitleiden? Sapir Hellers Inszenierung von „Des Teufels General“ lässt uns im Unklaren.

Es geht Heller immer noch um General Harras, um die Hauptfigur in Carl Zuckmayers Drama. Um den Mann, dem Harras nachempfunden ist, das Flieger-As Ernst Udet. Und ganz besonders geht es ihr darum, wie Udet/Harras nachher gesehen wurde, in der Gründungszeit der Bundesrepublik. „Ein Nazi bin ich nie gewesen, immer nur ein Flieger“ sagt Harras bei Zuckmayer. Ein Bayreuther Nazi-Architekt namens Hans C. Reissinger warb auf ganz ähnliche Art um Verständnis fürs ach so unpolitische Spezialistentum: „Warum soll ein junger Architekt nicht Feuer fangen, wenn er auf einen Bauherren stößt, der Großes vorhat?“

Wie soll ein Flieger nicht begeistert sein, wenn er auf einen Kriegsherrn stößt, der Großes vorhat? Man ahnt, man weiß mittlerweile, dass es mit der Widerstandsfähigkeit des Fliegerasses gegen die Nazi-Ideologie nicht weit hergewesen sein kann. Wir sollten all diesen Geschichten der sauberen Fachleute grundsätzlich misstrauen.

Regisseurin Heller setzt noch einen drauf: Wenn bei ihr Luftwaffengeneral Harras von einer schlanken Frau spricht, taucht auf der Bühne ein aasig grinsender Typ auf. Pützchen wird hier endgültig zum Mephisto, der Harras rumrkiegen will – indem er ihn zur Macht verführt. Warum noch mal war dieses Stück so extrem erfolgreich in Deutschland? In Hof etwa, wo es – seit seiner Premierensaison 1948/49 bis heute – den Zuschauerrekord hält. Ist es so, weil man beruhigt sein wollte, wenige Jahre nach dem Krieg? Man konnte Fehler gemacht, sich sogar mit dem Teufel eingelassen haben. Aber man musste doch deswegen kein Lump sein. Das männlich-markante Gesicht von Curd Jürgens stand als Markenzeichen für diese Sicht.

General im Superman-Dress

Sapir Heller geht es nicht mehr um die Verführbarkeit des Fliegers, sondern um die des Publikums. Ihr „General“ ist angelegt wie eine Revue, mit einem Harras im schlecht sitzenden Superman-Kostüm, später mit einem roten Kunststoffmantel drüber. Marco Stickel legt ihn überzeugend als kantigen Held an, der sich selbst keineswegs sicher ist, ein romantischer Macho, der immer wieder mal überlegt, ob er im richtigen Film ist. NS-Funktionär, Fliegerkameraden, Pützchen, Anne, Diddo: Alle Rollen sind von Männern besetzt (es ragen heraus Oliver Hildebrandt als Korianke und Schmidt-Lausitz sowie Florian Bänsch als Pützchen). Ja, stimmt schon, diese Nazis hatten immer etwas von schwülem Männerbund, etwas verdruckst Homoerotisches. Man kann diese Travestie auch als ironischen Kommentar auf eine Nachkriegsgesellschaft sehen, die das Vergangene aufs Niveau eines Herrenwitzes reduziert.

Seltsame Judenliebe

Sapir Heller lässt singen (ihre Texte in Töne gesetzt von Jonathan Huber und Leif Eric Young) und erlaubt sich Krawall. Harras klammert sich an einen Davidstern und schaukelt mit Liebschaft Diddo (Jörn Bregenzer) durch die Salonnacht und trällert: „Wenn ich jüdisch wär!“ Eine Zumutung das, und so ist das gewollt. Wie gesagt, es geht auch ums Publikum und die deutsche Gesellschaft, ihren seltsamen Philosemitismus, der oft in vergiftetem Boden wurzelt.

Das Drama ist gut gerafft, doch nicht jeder wird jede Musikeinlage für unkürzbar halten. Wem so ist, der kann sich zwischendurch am Gesehenen abarbeiten: Das Bühnenbild gehört zum Besten, was man in den vergangenen Monaten in weitem Umkreis sehen konnte. Ein Hakenkreuz als Revuetreppe, dahinter einander kreuzende Lichtkegel, fast wie ein Lichtdom von Speer, dieser Jägerstil und diese Lack- und Leder-Uniform von Harras, der unterm viel zu weiten Mantel doch nur diesen schepse Supermann-Overall trägt: Gaisböck hat einen fesselnden Raum geschaffen, ein Spielfeld, das sich ausdehnt und Abgründe offenbart.

INFO: In Bayreuth ist „Des Teufels General“ am Donnerstag, 23. April, zu sehen, ab 19.30 Uhr im Großen Haus der Stadthalle.