Hitlergruß von der Eisdiele

Von Susanne Will
Ein solches Eis bietet der Eisdielenbesitzer aus Bayreuth nicht an. Im Internet aber zeigte er sich mit Hitler-Gruß. Die Kriminalpolizei Bayreuth hat 2015 in 13 Fällen ein Ermittlungsverfahren wegen der Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts eingeleitet. 2016 waren es – Stand 25. August – zehn. ⋌Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ein Flüchtlingsmädchen (6) steht im Sommer im Wassernebel, den die Feuerwehr für sie gezaubert hat. Das Mädchen strahlt vor Freude, das Foto erscheint im Internet. Ein Azubi postet dazu: "Flammenwerfer wäre da die bessere Lösung." Ein Bayreuther Eisdielen-Besitzer teilt an seiner Facebook-Chronik Hitler als Integrationsminister, posiert mit Hitler-Gruß und sagt, "es war nur Spaß".

 
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Im Netz wimmelt es von rassistischen Kommentaren. Oft werden sie im Schatten der Anonymität verschickt. Manchmal sind Menschen so naiv, dass sie mit Klarnamen rechte Sprüche oder Bilder posten. Die Naivität liegt wohl auch darin begründet, dass es kaum Konsequenzen nach sich zieht, wenn sich jemand mit Hitler-Gruß auf Facebook zeigt. Wie Eisdielen-Besitzer M., über den der Kurier kürzlich in einem ganz anderen Zusammenhang berichtete. Ein Kurier-Leser hatte die geschmacklosen und eventuell strafwürdigen Fotos entdeckt und war fassungslos. Der Kurier sprach mit M.. Seine Argumentation ist beispielhaft für viele Facebook-Faschisten: Fotos von Hitler als Integrationsminister vor einer Gruppe Flüchtlinge oder die Aufforderung, Flüchtlinge zur Integration nach Auschwitz zu schicken sei nur ein „Spaß“ gewesen.

Sind Sie ein Nazi?

Eismann M.: Ich? Nazi? Nein!

Aber wie kommen Sie dann dazu, sich mit aufgemaltem Hitler-Bart beim Hitler-Gruß fotografieren zu lassen und das ins Netz zu stellen?

M.: Das war Spaß.

Ich kann nicht lachen.

M.: Ich schon!

Und ist es auch ein Spaß, einen Affen neben einer dunkelhäutigen Frau zu zeigen und darüber zu schreiben: „Bei der Geburt getrennt“?

M.: Das ist Politik.

Wie, das ist Politik?

M.: Die Frau ist Cedile Kyenge, sie war die Integrationsministerin von Italien.

Und?

M.: Sie ist sehr umstritten.

Und deshalb vergleichen Sie sie mit einem Affen? In Ihrem Geschäft arbeitet eine Frau aus Afrika. Was, wenn sie das sieht?

M.: Das ist etwas anderes. Die schwarze Frau ist meine beste Mitarbeiterin. Ich bin kein Nazi.

Und was ist mit dem nächsten Bild, das einen Mann zeigt, der Hitler darstellen soll, und den Sie sich als neuen Integrationsminister wünschen?

M.: Ja, das kann man schon falsch verstehen.

Und dass Sie Emigranten zum Integrieren nach Auschwitz schicken wollen, kann man das auch missverstehen?

M.: Das war nur ein Spaß zwischen mir und meinem Freund. Ich bin selbst Ausländer. Ich habe nichts gegen Ausländer, die hier arbeiten und sich integrieren.

In Auschwitz?

M.:

Sie wissen, dass Sie sich mit dem Hitler-Gruß eventuell strafbar gemacht haben?

M.: Das ist doch nur Facebook-Spaß. Da ist der schuld, der sich beim Kurier gemeldet hat.

Wie meinen Sie das?

M.: Ja, der war doch nur neidisch, dass der Kurier positiv über mich geschrieben hat.

Sie haben also keinen Fehler gemacht?

M.: Naja, das kann man so sehen, aber das war nur Spaß. Ehrlich. Beim Leben meiner Tochter.

Der "Spaß" ist mittlerweile von M.s Facebook-Seite gelöscht worden.

Das steckt dahinter

Im Netz fallen die Hemmungen, sagt die Medienpsychologin Dr. Astrid Carolus: "Uns fehlt die Reaktion des Gegenübers." Sie ist akademische Rätin an der Universität in Würzburg für Medienpsychologie. Die Experten dort fragten sich, warum Hemmungen versagen – und haben Ansätze gefunden, um das zu erklären. Astrid Carolus über:

Anonymität

„Jeder sitzt zunächst alleine vor dem Rechner oder am Smartphone. Er sieht sein Gegenüber nicht und er weiß auch nicht, wer es lesen wird. Potenziell ist es die ganze Welt, faktisch vielleicht drei Menschen. Eine solche Situation ist in unserer bisherigen Kommunikation unüblich, evolutionär betrachtet haben wir bislang dabei Menschen immer gesehen oder gehört.

Reize

Unsere sozialen Hinweis-Reize fehlen: Wir sehen nicht, wie das Gegenüber reagiert. Uns fehlt die Mimik, auch der Tonfall, wie jemand etwas kommentiert. Aber auch, wie es der Absender meint. Wenn der Eisdielen-Besitzer jetzt sagt, er habe das nicht so gemeint, dann bleibt es natürlich mindestens geschmacklos, hätte er aber von Angesicht zu Angesicht kommuniziert, hätten wir eventuell schon vorher Hinweise dafür gefunden, dass er es tatsächlich nicht so gemeint hat. Allerdings wird es nicht weniger rassistischer, wenn er mit den Augen zwinkert oder ein Zwinker-Smiley hinzufügt.

Mangende Rückmeldung

Im Zwiegespräch hätte das Gegenüber gesagt: Du hast sie ja wohl nicht alle. Oder: Das ist rassistisch. Oder: Das ist strafbar. Dieses Korrektiv ist in den Minuten, in denen so etwas auf Facebook eingestellt wird, nicht vorhanden.

Die Folgen

Hätte er es in der Eisdiele zu jemandem gesagt, hätten niemand anderer davon mitbekommen. Wie früher beim Stammtisch. Aber in den Sozialen Medien ist es jetzt festgehalten, jeder kann es nachlesen. Und das macht das Gefühl: Es wird alles immer schlimmer, dabei ist er nur der Stammtisch zum Nachlesen.

Gruppendenken

Ich als Schalke-Fan bin damit in unserer Gesellschaft in einer Gruppe. Und dort gibt es unterschiedliche Normen. Bei rassistischen Gruppen im Netz lassen sich die Leute mitreißen vom Gruppendenken, wie in anderen Gruppen auch. Dann begehen sie Handlungen, die sie für sich alleine nicht tun würden. Der Eismann sagt über sich, er sei kein Rassist – aber er verhält sich dort so. Auch in einer derartigen Gruppe fehlt wieder das Korrektiv, es sei denn, es kommt jemand von außen dazu, der sich empört oder widerspricht. Wie der Kurier-Leser in diesem Fall das Korrektiv gewesen ist

Motivation

Eine der größten Motivationen für den Menschen ist das Dazugehörigkeits-Gefühl. Wir machen den lieben langen Tag Dinge, die wir nur tun, um dazuzugehören. Das ist auch bei Facebook so. Wenn ich dort ein Forum für meine Gedanken finde, lade ich schnell etwas hoch – und gehöre dazu.

Abwertung

Andere abzuwerten ist eine tolle Möglichkeit, sich selbst aufzuwerten. Egal, ob es Flüchtlinge sind, Fußballer oder in dem Fall die italienische Ministerin – Abwertung anderer ist Aufwertung meiner selbst.

Medien

Wenn wir – um beim Beispiel zu bleiben – uns vermehrt auf rassistischen Seiten bewegen, dann haben wir schnell das Gefühl: Es werden ja immer mehr Flüchtlinge/Probleme/Herausforderungen. Aber: Wer auf rechten Seiten im Internet surft, dann sorgt der Algorithmus dafür, dass vermehrt rechte Seiten vorgeschlagen werden. Das heißt: Wir nehmen die Verteilung von Meinungen in der Gesellschaft durch die Medien verzerrt wahr. Filter-Bubble nennen wir das. Wir leben in einer Blase, gefüllt mit Informationen, die unserer Meinung entsprechen.

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