Herzrasen im Bierzelt

Trieben medizinische Studien im Bierzelt (von links): Stefan Brunner, Rebecca Herbel, Cathrine Drobesch und Moritz Sinner. Foto: red Foto: red

Die Maß im Bierzelt steigt nicht nur zu Kopfe, sondern bringt auch das Herz durcheinander. Münchner Forscher untersuchten 3028 Oktoberfestbesucher – und zeigten, dass mit dem Alkoholspiegel das Risiko für Herzrhythmusstörungen bis hin zum Vorhofflimmern steigt. Einer der Mediziner der Studie ist der gebürtige Bayreuther Stefan Brunner.

 
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Die in der Fachzeitschrift „European Heart Journal“ veröffentlichte Studie prüfte Rhythmusstörungen erstmals unmittelbar nach dem Alkoholkonsum und an einer großen Zahl von Teilnehmern.

Für die Mediziner bedeutete dies: Dort forschen, wo andere Party machen. Schnell war man sich einig, dass das Münchner Oktoberfest der richtige Ort für die Studie wäre. „Weil da viele betrunkene Teilnehmer sind, die man in kurzer Zeit rekrutieren kann“, wie Brunner im Gespräch mit dem Kurier sagt. Zusammen mit den beiden fesch gekleideten jungen Medizinstudentinnen Rebecca Herbel und Cathrine Drobesch, die für die Kontaktaufnahme zuständig waren, machte man sich an die Arbeit. Tag für Tag, an 16 Festtagen, waren die Wissenschaftler des Klinikums der Universität München auf der Wiesn 2015 unterwegs. „Das Ergebnis war: Je mehr man trinkt, desto mehr Herzrhythmusstörungen entwickelt man“, sagte Moritz Sinner, der die Studie mit seinem Kollegen Brunner leitete. Fast ein Drittel der Bierzeltbesucher hatte akute Rhythmusstörungen, ein Viertel Herzrasen – und die Probleme stiegen mit der Alkoholmenge.

Herzrhythmusstörungen

Kleinere Studien hatten bereits vermuten lassen, dass viel Alkohol über einen kurzen Zeitraum zu Herzrhythmusstörungen führt. Dieses „Holiday Heart Syndrome“ war aber nicht während des Alkoholkonsums, sondern nachträglich nüchtern beim Arztbesuch festgestellt worden. Die untersuchten Bierzeltbesucher hatten im Schnitt 0,84 Promille Alkohol im Blut, im Einzelnen lagen die Werte zwischen Null und knapp unter drei Promille. Ab drei Promille sind Menschen zu betrunken, um an Studien teilnehmen zu können. „Drei Promille Alkohol im Blut entspricht einer sehr großen Menge an konsumiertem Alkohol und erreicht dabei die Grenze zur Alkoholvergiftung“, sagte Brunner. Die nötige Menge Bier liege je nach persönlicher Konstitution bei sechs bis zehn Litern.

Bei 30 Prozent der Studienteilnehmer – Altersschnitt etwa 35 Jahre – fanden die Mediziner Herzrhythmusstörungen, bei knapp 26 Prozent Herzrasen. Sie verglichen die Daten mit Ergebnissen aus einer Langzeitstudie in der allgemeinen Bevölkerung: Die Häufigkeit der Herzrhythmusstörungen lag hier bei ein bis vier Prozent.

Höheres Risiko

Bei den Wiesnbesuchern stieg das Risiko für Herzrhythmusstörungen pro zusätzlichem Promille um 75 Prozent an. „In einigen Fällen gab es auch Vorhofflimmern“, sagte Sinner. Die Erkenntnisse sind bedeutend, da Vorhofflimmern über einen längeren Zeitraum zu Schlaganfällen oder Herzschwäche führen kann. Nun wollen die Forscher die Ergebnisse vertiefen. „Das ist unser Ausgangspunkt für nachfolgende Studien“, sagte Sinner. Um die längerfristige Wirkung zu testen, laufen am Uniklinikum Großhadern Untersuchungen mit Langzeit-EKGs an rund 200 Freiwilligen, „die privat Alkohol trinken gehen“.

Ein Forschungsfeld ganz anderer Art würde sich für Brunner indes in Bayreuth anbieten: Wie wirkt sich Richard Wagners Musik auf die Herzfrequenz der Festspielbesucher aus? „Eine gute Idee, die man weiter verfolgen kann“, sagt Brunner. roko/dpa

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