Herzogs Verbeugung vor Badewitz

Von Thomas Schuberth-Roth

Er war der Bayreuther "Lohengrin"-Regisseur von 1987 bis 1993, er ist einer der bedeutendsten Film-Regisseure Deutschlands. Vor gut und gerne 45 Jahren debütierte er bei den Hofer Filmtagen. Und jetzt schaut er mal wieder vorbei: Am Donnerstag blickt er bei einer Podiumsdiskussion zurück auf sein Werk. Und in die Zukunft der Filmtage. Im Interview sprach er über die Filmtage nach Badewitz, bayerische Filme im Urwald un d Glück in Amerika.  

 
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Herzog und Hof – das ist eine lange gemeinsame Geschichte: 1968 zeigten Sie Ihren ersten Film hier. In diesem Jahr machen Sie das Dutzend voll. Was bedeuten ihnen die Filmtage, was die Stadt?

Werner Herzog: Die Filmtage waren ja per se anfangs nicht geplant. Das war Heinz Badewitz (der im vergangenen Jahr verstorbene Festivalleiter) und sein Familien-Zusammenbringen-Können. Das hatte zunächst mit Hof nichts zu tun. Und dass er jetzt nicht dabei sein kann...Er rief mich noch kurz vor seinem Tod an, ich war in München, und sagte, ich müsse unbedingt kommen, er wolle eine große Retrospektive mit mir machen, weil ich doch gerade in den Anfangsjahren so oft dabei war... Wir haben ein Treffen ausgemacht, aber dazu kam es dann leider nicht mehr.

In der Retrospektive laufen acht Filme aus den Filmtage-Programmen der vergangenen 49 Jahre. Darunter ist auch „Letzte Worte“. Mit dem 13-Minuten-Kurzfilm (nochmals zu sehen am Samstag um 11 Uhr) haben Sie in Hof debütiert.

"Ein merkwürdiger Anspruch"

Herzog: In der Retro werden Filme von deutschen Regisseuren gezeigt, auch von ganz früher, die für die Filmtage wichtig waren. Und das ist gut so.

2009 hat das Times Magazin Sie auf die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gesetzt. Hat sich damit in ihrem Leben und Tun etwas verändert?

Herzog: Das war mir immer unbehaglich und ist es noch. Ich habe damals  Anstrengungen unternommen, damit man mich wieder von dieser Liste nimmt. Aber mir wurde gesagt, dass der Erwählte darauf keinen Einfluss hat. Ich fühle mich nicht wohl auf dieser Liste, sie hat einen merkwürdigen Anspruch, mit dem ich nicht vertraut werden kann.

"Fitzcarraldo wäre nicht unter 150 Millionen zu machen"

Sie leben seit 1995 in Los Angeles. Ihr Leben scheint gewissermaßen die Verkörperung des amerikanischen Traums zu sein: Aufgewachsen in der bayerischen Provinz, als Autodidakt zum Film gekommen, in Amerika zum vielleicht bekanntesten deutschen Regisseur aufgestiegen, der, ohne sich dem Studiosystem Hollywoods zu beugen, dennoch Filme mit millionenteuren Budgets dreht und sich dabei die Schauspieler aussuchen kann.

Herzog: Da wird mir ein bisschen viel zusammengepackt. Zunächst einmal: In Amerika lebe ich, weil ich dort glücklich verheiratet bin. Und zum Zweiten: So wie Sie das nun aneinanderreihen, unterstellt das ja einen linearen Fortschritt, was Größe und Budget der Filme angeht. Dem ist aber nicht so. Ich habe schon vor Amerika viel größere Projekte gemacht. So etwas wie „Fitzcarraldo“ (1982, mit Klaus Kinski in der Titelrolle des Kautschuk-Barons Carlos Fermín Fitzcarrald, der im Dschungel ein Opernhaus bauen will, Anm. der Red.) wäre heute nicht mehr unter 150 Millionen Euro zu machen. Größe und Budget der Filme spielen für mich ohnehin keine Rolle. Ich habe kleine Dokumentationen gedreht und auch als Schauspieler gearbeitet. Und wenn ich heute mit Christian Bale („Rescue Dawn“), Nicole Kidman („Königin der Wüste“) oder Nicolas Cage „Bad Lieutenant“) drehe, dann dürfen Sie nicht vergessen, dass ich auch früher schon mit großen Schauspielern gedreht habe, mit Claudia Cardinale und Klaus Kinski zum Beispiel.

"Ich bin ein Geschichtenerzähler"

Ich habe in Vorbereitung auf unser Gespräch einen schönen Satz gelesen: „Herzog reiste um die Welt und nahm seine Kameras mit, um unter der Erde zu filmen, in Höhlen, unter dem ewigen Eis, auf brennenden Ölfeldern, in der Wüste, im Hochgebirge. Das eröffnete ihm ganz neue Räume und Blicke – auf Menschen und auf unsere Welt.“ Was treibt Sie an?

Herzog: Ich bin neugierig. Und ich habe Stories zu erzählen. Ich bin ein Geschichtenerzähler. Die Reisen sind dabei eine notwendige Begleiterscheinung. Wenn der Film von einem spanischen Eroberer im Amazonas-Urwald handelt, dann kann ich den eben nicht im Böhmerwald drehen, sondern muss dorthin, wo die Geschichte spielt. Dabei bleiben die Filme, die ich mache, jedoch immer bayerische Filme. Da ist es egal, wo ich sie mache, in Amerika oder im Amazonas-Urwald.

Oder in Bolivien, wo sie ihren Film „Salt and Fire“ mit Veronica Ferres drehten. Wie man bisher lesen konnte, handelt es sich um einen Umweltthriller...

Herzog: Nein, es ist kein Umweltthriller. Das hat jemand geschrieben, obwohl der Film in Deutschland noch gar nicht angelaufen ist. Es geht darin um eine mysteriöse Geiselnahme mit zwei blinden Jungen. Der Film wurde in Shanghai uraufgeführt, nun hat er in Hof Deutschlandpremiere.

"Eine Verbeugung vor Heinz"

Laufen Ihre Filme in Hof, weil es zeitlich passte, oder war es Ihnen eine Herzensangelegenheit?

Herzog: Zeitlich passen tut da gar nichts. Die Filme laufen hier und sind eine Verbeugung vor Heinz .

Sie kennen Festivals weltweit, haben einen großen Erfahrungsschatz. Wie kann die Zukunft der Hofer Filmtage – ohne Heinz Badewitz – aussehen?

Herzog: Das weiß noch keiner. Hof wird sich aber mit dieser Frage beschäftigen müssen. In diesen Tagen ist Zeit, darüber laut nachzudenken. Ein erster Schritt dazu dürfte die Podiumsdiskussion am Donnerstag sein. Da bin auch ich dabei.

 

Info: Werner Herzog ist am Donnerstag, 27. Oktober, um 11 Uhr bei einer Podiumsdiskussion zu erleben, zusammen Doris Dörrie, Jochen Laube, Caroline Link und Alexander Riedel in der Fabrikhalle von Hoftex. Titel des Gesprächs: "50 Jahre Internationale Hofer Filmtage. Blick zurück nach vorn." Herzogs neuer Film "Salt and Fire" ist am Donnerstag 14.15 Uhr im Casino und am Samstag um 22:45 Uhr im Regina zu sehen. Den Kurzfilm "Letzte Worte", Herzogs Hofer Debüt, gibt es am Samstag um 11 Uhr im City.