Herrmann zu NPD: Nicht zu sicher fühlen

 Foto: red

Auch das zweite Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD ist gescheitert. Bayerns Innenminister Herrmann respektiert zwar die Begründung, hält sie aber dennoch für falsch. Wie die hiesigen Abgeordneten.

 
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Herr Herrmann, sind Sie nach dem Urteil jetzt enttäuscht?

Joachim Herrmann: Das Bundesverfassungsgericht hat klar entschieden, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist, dass ihre ganze politische Propaganda menschenfeindlich ist und gegen die Menschenwürde verstößt und mit unserer freiheitlichen Demokratie nicht vereinbar ist.

Was bedeutet das für die Zukunft für ein NPD-Verbot?

Herrmann: Das Gericht hat eine hohe Hürde definiert. Es muss eine echte Gefahr bestehen, dass unsere Demokratie ins Wanken gerät, und die sieht das Gericht derzeit zutreffend nicht. Ich persönlich halte es nicht für richtig, die Hürden so hoch zu hängen und damit letztlich einer verfassungsfeindlichen Partei die Möglichkeit zu geben, solange sie nicht stark genug ist, ihre Propaganda weiter voranzutreiben. Aber wir müssen dieses Urteil respektieren.

Was heißt das konkret?

Herrmann: Ein besonderer Aspekt, der zu prüfen bleibt, ist die Frage der Parteienfinanzierung. Ich denke, hier muss man schon noch mal prüfen, ob einer Partei, die zwar noch nicht so gefährlich ist, dass sie verboten werden kann, aber trotzdem ganz eindeutig verfassungsfeindlich ist, die Möglichkeit entzogen werden kann, Steuergelder zu kassieren. Das würde ich auf jeden Fall für richtig halten. Deshalb muss im Bundestag jetzt schnell eine Prüfung stattfinden, wie gegebenenfalls auch mit einer Änderung des Grundgesetzes und des Parteienfinanzierungsgesetzes die Möglichkeiten dazu geschaffen werden können.

Fürchten Sie nun für die Zukunft der NPD eine erneute Wiederbelebung?

Herrmann: Es stimmt, die Mitgliederzahlen und der Einfluss der NPD haben stark abgenommen, sie ist aus allen Landesparlamenten geflogen. Ich hoffe sehr, dass das Urteil nun keine Wiederbelebung bedeutet. Im Moment kann ich das auch noch nicht erkennen. Aber wir werden seitens des Verfassungsschutzes die Entwicklung genau beobachten.

Profitiert die NPD von der aktuellen öffentlichen Stimmung in Deutschland, die auch die AfD und Pegida stark gemacht hat?

Herrmann: Wir haben mit unserem Verbotsantrag deutlich gemacht, dass alle Länder die NPD sorgfältig im Blick haben. Keiner kann glauben, dass er sich unbeobachtet an einer so verfassungsfeindlichen Propaganda beteiligen kann. Das muss jeder auch in Zukunft wissen. Für jeden Angehörigen einer verfassungsfeindlichen Partei wird auch in Zukunft kein Platz im öffentlichen Dienst sein. Das wird durch das Urteil eher bekräftigt.

Bedeuten zwei gescheiterte Verbotsverfahren nun eine Narrenfreiheit für die NPD?

Herrmann: Von Narrenfreiheit kann auf keinen Fall die Rede sein. Man muss darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht erklärt hat, dass die Bedingungen für ein Verbot noch nicht erreicht sind. Das ist eine deutliche Warnung an alle Rädelsführer. Es soll sich da keiner zu sicher fühlen.

Wäre Bayern bereit, die Verbotsdebatte wieder aufzumachen?

Herrmann: Das Gericht hat jetzt genau dargelegt, was die Voraussetzungen für ein Parteiverbot im 21. Jahrhundert sind. Man muss die nicht alle teilen, aber die Grundsätze sind soweit klar. Und selbstverständlich werden wir uns auf allen politischen Ebenen das Recht vorbehalten, am Maßstab des Urteils gegebenenfalls neue Parteiverbotsverfahren zu stellen. Im Moment stellt sich diese Frage aber sicher nicht.

 

Hartmut Koschyk (CSU-Bundestagsabgeordneter): "Ich habe erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht dem vom Bundesrat gestellten NPD- Verbotsantrag stattgeben wird. Von Bundestagsseite haben wir bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus stets vor den Risiken eines weiteren NPD-Verbotsverfahrens gewarnt. Es besteht Grund zur Sorge, dass die NPD, die hier zuletzt an politischer Bedeutung eingebüßt hat, aber auch andere rechtsextremistische Kräfte in unserem Land das Scheitern des Verbotsverfahrens entsprechend propagandistisch ausnutzen werden."

Emmi Zeulner (CSU-Bundestagsabgeordnete): "Unabhängig von einer Wertung des Urteils an sich, ist die Argumentation, die NPD sei einfach zu schwach, um ihre Ziele – welche unstreitig gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 GG verstoßen – durchzusetzen, nicht die richtige. Das würde bedeuten, dass wir die Gefährlichkeit dieses politischen Konzepts erkennen, uns aber in Sicherheit wiegen, dass die Anhänger dieser gefährlichen Strömung (noch) zu wenige sind. Dies halte ich für fahrlässig und leider zu kurz gedacht."

Anette Kramme (SPD, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundessozialministerium): "Auch wenn ich das Scheitern des Parteiverbots ob des desolaten Zustands der NPD erwartet habe, ist die Entscheidung dennoch enttäuschend. Die Richterinnen und Richter haben die NPD letztendlich als zu unbedeutend eingeschätzt, als dass ein Verbot gerechtfertigt wäre. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass die NPD der organisatorische und ideologische Brutkasten rechtsextremistischen Gedankenguts in Deutschland ist und die Partei von der Finanzierung aus Steuermitteln abgeschnitten gehört."

Silke Launert (CSU-Bundestagsabgeordnete): "Wir müssen uns weiterhin gegen jede Form von Extremismus und Menschenfeindlichkeit entschieden zur Wehr setzen. Ein Gutes hat der abgewiesene Verbotsantrag. Denn das Gericht hält es für ausgeschlossen, dass die NPD unsere Demokratie beseitigen könne."

Ulrike Gote (Grünen-Landtagsabgeordnete): "Das oberste Gericht hat klar bestätigt: Die NPD ist verfassungs- und menschenfeindlich. Für die schärfste Waffe der Demokratie, das Verbot, ist sie schlicht zu unbedeutend und unfähig, ihre Ziele durchzusetzen. Ohnehin muss der Kampf gegen rechtsextremistische und menschenfeindliche Strömungen in der Gesellschaft viel grundsätzlicher geführt werden – Demokratiebildung und mehr Prävention tun hier Not."

Christoph Rabenstein (SPD-Landtagsabgeordneter): "Das Urteil setzt ein falsches Zeichen und bestärkt die NPD, aber auch ,Die Rechte‘, den ,Dritten Weg‘ oder rechte Gruppen wie die ,Identitäre Bewegung‘, dass sie mit ihrem aggressiven Kurs gegen den Staat, ihrem antisemitischen und rassistischen Weltbild und ihrer Ablehnung der Werte des Grundgesetzes unverfroren weitermachen können."

Peter Meyer (Landtagsabgeordneter der Freien Wähler): "Ich bin schon enttäuscht, dass es kein Verbot gibt, schon weil es eine Zumutung ist, dass diese rechtsextremistische Partei staatliche Unterstützung erhält. Es war allerdings klar, dass es mit einem Verbot nicht getan ist, weil viele Rechtsextremisten ohnehin nicht Mitglied in der NPD sind. Die Auseinandersetzung müssen wir weiterhin auf politischem Weg führen – gerade angesichts nationalistischer Tendenzen in Europa ohnehin nicht auf die NPD beschränkt."

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