Hate-Slam: Pferdemist und Hass

Von Manfred Scherer

Viel Feind, viel Ehr. Das wäre ein Motto, das Journalisten sich an den Spiegel stecken sollten, so sie ihren Job ernst nehmen. Gefälligkeits- oder Wohlfühljournalismus, den sollte es eher im Apothekerblatt oder in Food-Magazinen geben, nicht aber bei Tageszeitungen, wie der "Nordbayerische Kurier" eine ist. Dafür hat der Kurier einen Lackmustest - seinen Hate-Slam. Der fünfte seiner Art war am Mittwoch die Auftaktveranstaltung für das Jubiläumsjahr zum 50-jährigen Bestehen der Bayreuther Tageszeitung.

 
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Hat also die Bayreuther Tageszeitung, nach einem schweren Jahr mit Mehrheits-Übernahme durch die "Frankenpost" und weniger Personal auch in der Redaktion, ihre journalistischen Aufgaben erfüllen können? Haben die Redakteure und Redakteurinnen Diskussionen angestoßen, Widersprüche aufgedeckt, unbewiesene Tatsachenbehauptungen geprüft und bestenfalls als falsch enttarnt?

Ein Indiz, dass das trotz aller Fehler, trotz aller sprachlichen oder sonstigen Unzulänglichkeiten gelungen sein könnte, sind die Reaktionen der Leser auf das Tun der Redakteure. Es gibt sie in Leserbriefen, in E-Mails, in Anrufen, in Facebook-Kommentaren.

Und wenn der Kurier Gefälligkeits- oder Wohlfühljounalismus machen würde, stünde da: "Das haben Sie aber schön geschrieben" oder "Wir würden Sie gerne auf ein Bier und Bratwürste einladen, ein prima Bericht!" oder "Sehr geehrte Kurier-Redaktion, herzlichen Dank für ihre ausführliche und freundliche Berichterstattung. Mit freundlichen Grüßen, ihr treuer und ergebener Leser..."

Redakteure werden zu (Vor)Lesern

Doch so etwas war die Ausnahme. Die Leser schüttelten die Kurier-Redakteure auch im vergangenen Jahr mit Beschimpfungen aller Art so richtig durch. Wie bei den vier Hate-Slams zuvor, hat die Redaktion es sich nicht nehmen lassen, die besten, gemeinsten, ungewöhnlichsten Leserreaktionen persönlich vorzutragen. Dieses Jahr übernahmen das Eberhard Späth, Gabi Schnetter, Thorsten Gütling, Michael Weiser, Frauke Engelbrecht, Moritz Kircher und Martin Kreklau.

Einige Beispiele für Leser-Echo: In harmlosen Fällen wird die Redaktion gefragt, ob sie "noch tiefer sinken" wolle. Dann bieten die Leser den Redakteuren des "Käseblatts" wahlweise Deutsch-Nachhilfe oder geben den einfachen Tipp, lediglich mal das Rechtschreibprogramm zu verwenden. In härteren Fällen werden die Redakteure als "Arschgeigen" tituliert, denen "eitrige Analfurunkel" wachsen mögen. Manchmal können Leser "gar nicht so viel essen", wie sie "kotzen könnten". Und im Extremfall wird dem Redakteur, der in einem Kommentar klar seine Meinung gesagt hat, empfohlen: "Kaufen sie sich einen Strick und erlösen sie uns von ihrer Anwesenheit".

Plötzlich vergeht das Lachen

Ja, der Kurier-Hate-Slam, das ist keine Kuschelveranstaltung, wenngleich Journalisten manchmal eine gewisse Sehnsucht nach dem, sagen wir, Anti-Programm, haben. Und es ist meist wahr, was Vanessa Sanarov, die als Ansagerin durch den Abend im ausverkauften Zentrum führte, sagt: "Wir lieben unsere Leser."

Natürlich jene etwas mehr, die in gesittetem Ton ihre Verärgerung erklären. Wie zum Beispiel den Leser, der das Print-Abo kündigen, jedoch das E-Paper behalten möchte, weil der Zeitungsausträger nie die Briefkastenklappe schließt und der (kostbare?) Kurier des öfteren nass wird. Oder jene, die uns ein Päckchen Haferflocken zum Dank für eine noch zu veröffentlichende Geschichte schicken.

Wir schätzen aber auch jene, die uns mit einer Dose Pferdemist ihr Missfallen zeigen.

Und selbst die sind wichtig, die auf eine Geschichte von einem Afrikaner, der in Nürnberg eine Rentnerin getötet haben soll, in Facebook-Kommentaren zum Lynchmord aufrufen: Das Hass-Bombardement mit "Aufhängen", "Erschießen", "Einschläfern", "Kopfschuss, fertig", "Anstelle der alten Dame hätte eure Merkel sein sollen" war von solcher Härte, dass dem bis dahin auch durch die Auftritte des Poetry Slammers Micha Ebeling gut gelaunten Publikum derart das Lachen verging, dass es nach diesem knüppelharten Höhepunkt fast den Schlussapplaus vergessen hätte. Vielleicht auch deshalb, weil Vanessa Sanarov erklärte, Facebook habe die von der Redaktion bei Facebook monierten Kommentare als unbedenklich eingestuft. Aber beim Hateslam geht's um Hass, er heißt nicht Loveslam.

Nachsatz: Nach der Veranstaltung fanden einige Besucher des Zentrums an ihren Auto Druckerzeugnisse des Verkehrsüberwachungsdienstes. Es wäre mal interessant, wenn der VÜD einen Hate-Slam abhielte.

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