Hartz-IV: Das ist besser, das ist Murks

Von Marie-Christine Fischer

Die Bundesregierung hat an den Regelungen für Hartz-IV-Bezieher herumgeschraubt. Wir haben Jürgen Bayer, Leiter des Jobcenters Bayreuth-Stadt, gefragt, was sich ändert – und ihn um eine Bewertung der Gesetzesänderung gebeten.

 
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yes Bewilligungszeitraum für Hartz IV verlängert

Fortan bewilligt das Jobcenter Arbeitslosengeld II, besser bekannt als Hartz IV, jeweils für ein volles Jahr. Bislang mussten Arbeitslose die Bezüge alle sechs Monate neu beantragen. Dazu war zwar nur ein Kreuzchen auf einem Antrag nötig, dennoch hält Bayer die Regelung für sinnvoll. „Für jemanden, der immer mit Schriftverkehr zu tun hat, ist es kein Ding, den Antrag auszufüllen. Aber für andere ist das zuweilen eine Hürde.“ Außerdem sinkt auch für das Jobcenter der Verwaltungsaufwand. Die Pflichten der Bezieher bleiben die gleichen. Sie müssen zum Beispiel weiterhin sofort melden, wenn sie eine Anstellung gefunden haben. Angst, dass sich seine Kunden durch die Neuregelung auf die faule Haut legen könnten, hat Bayer deshalb nicht.

yes Erbenhaftung entfällt

Starb ein Bezieher, musste das Jobcenter bislang prüfen, ob er Vermögen vererbt. Falls ja waren die Erben verpflichtet, die Sozialleistungen der vergangenen zehn Jahre vor seinem Tod zurückzuzahlen. „Im Regelfall haben Bezieher von Arbeitslosengeld aber keine großen Reichtümer angehäuft“, sagt Bayer. Deshalb war der Aufwand, den die Regelung verursachte, größer als der Nutzen. Gut, dass damit jetzt Schluss ist, findet Bayer.

yes Auch Azubis können Hartz IV beziehen

Bislang war kategorisch ausgeschlossen, dass Auszubildende Hartz IV beziehen. Zuweilen führte das dazu, dass Arbeitslose sich gegen eine Ausbildung entschieden, weil das Gehalt unter dem Arbeitslosengeld gelegen hätte. Dies traf zwar nur auf wenige Fälle zu, meist auf Menschen, die zu alt waren, um Bafög zu erhalten und eine Partnerin und Kinder mitzuversorgen hatten. Aber immerhin. „Wenn ein Mensch nach Jahren kapiert, dass eine Ausbildung sinnvoll ist, und das angeht, ist das toll. Schön, dass wir das jetzt unterstützen können“, sagt Bayer. Künftig übernimmt das Jobcenter in solchen Fällen die Differenz zwischen Azubi-Gehalt und Arbeitslosengeld.

yes Ein-Euro-Jobs länger möglich

Maximal 24 Monate insgesamt durften sich Arbeitslose bislang mit Ein-Euro-Jobs etwas dazuverdienen. Jetzt hat der Gesetzgeber die Möglichkeit auf 36 Monate ausgebaut. Sinnvoll, findet Bayer. „Natürlich ist ein Ein-Euro-Job keine Dauerlösung. Ziel ist, dass jeder am ersten Arbeitsmarkt eine Stelle findet.“ Aber: „Viele Ein-Euro-Jobber gehören zu der Personengruppe, die es am ersten Arbeitsmarkt sehr, sehr schwer hat. Und gerade diese Menschen sind oft froh, wenn sie etwas zu tun haben.“ In der Stadt Bayreuth macht die Regelung den Bock nicht fett: Unter den rund 3000 Kunden des Jobcenters gibt es nur rund 40 Ein-Euro-Jobber.

no Aufstocker werden von Arbeitsagentur betreut

Für sogenanne Aufstocker ändern sich ab 1. Januar die Zuständigkeiten. Aufstocker, also Menschen, deren Einkommen nicht zum Leben reicht und die der Staat deshalb finanziell unterstützt, waren bislang Kunden des Jobcenters. Die finanzielle Leistung, die ihren Lebensunterhalt sichert, bekommen sie weiterhin vom Jobcenter. Alle weiteren Leistungen - Weiterbildungen zum Beispielt - zahlt fortan die Arbeitsagentur. „Das ist eine Frage des Topfes“, erklärt Bayer. Intention sei, das Arbeitslosengeld II, das aus Steuermitteln finanziert wird, zu entlasten, und stattdessen das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld I stärker zu belasten. Nachvollziehbar. Doch das macht die Sache komplizierter. „Wir müssen jetzt mit der Arbeitsagentur ein Konzept ausarbeiten, damit da nichts schief läuft.“

no Komplizierte Unterhaltsberechnung bleibt

Nicht alle geplanten Änderungen haben es in das Gesetz geschafft. „Es sind noch Teile dessen übrig, was wir wollten“, sagt Bayer. Eines seiner Anliegen, das auf der Strecke blieb, ist die Berechnung des Unterhalts für Trennungskinder, die abwechselnd bei Mama und Papa leben und ein oder beide Elternteile Hartz IV beziehen. Lebt das Kind normalerweise bei der Mutter in Bayreuth, in den Sommerferien aber beim Vater in Berlin, müssen beide Jobcenter das in ihre Berechnungen einbeziehen. Kompliziert. „Da hätte man besser in Kauf genommen, dass der Kunde etwas besser gestellt wird“, findet Bayer.

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