Härter gegen gewalttätige Flüchtlinge

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (von lins nach rechts), der bayerische Innenminister Joachim Herrmann und der bayerische Justizminister Winfried Bausback (alle CSU) am Dienstag gemeinsam auf dem Weg zur Klausurtagung der bayerischen Staatsregierung in St. Quirin am Tegernsee. Foto: Peter Kneffel/dpa Foto: red

"Die letzte Woche hat Bayern ins Mark getroffen", sagt Horst Seehofer. Die Menschen seien verängstigt und benötigten eine klare Antwort des Staates auf den islamistischen Terror.

 
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Nach den Anschlägen der vergangenen Tage will Bayern mit einem umfassenden Maßnahmenpaket schärfer gegen straffällige Flüchtlinge vorgehen. Ministerpräsident Horst Seehofer forderte ein konsequentes Handeln des Staates. Jetzt dürfe es «keine Endlosschleife der Diskussion» mehr geben, sagte der CSU-Chef am Dienstag vor einer Klausur seines Kabinetts in Gmund am Tegernsee.

Bayern werde "sehr entschlossen" vorgehen

Bayern werde bei der Frage der Sicherheit «sehr, sehr entschlossen» vorgehen. «Wir brauchen in Deutschland mehr Bürgerschutz.» Dafür werde auch das nötige Geld in die Hand genommen. Seehofer sieht in den jüngsten mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlägen von Würzburg und Ansbach eine «ganz neue Dimension des Terrors». Damit müsse man sich nun intensiv auseinandersetzen - in der Prävention, aber auch in der Repression.

Der Attentäter von Ansbach hatte sich am Sonntagabend nahe einem Konzertgelände in die Luft gesprengt und dabei 15 Menschen verletzt, er selbst starb. Am vergangenen Montag griff ein afghanischer Flüchtling in einer Regionalbahn in Würzburg Menschen mit einer Axt an. Am Freitag war zudem ein junger Mann in München Amok gelaufen und hatte neun Menschen und sich selbst erschossen.

Polizei soll aufgestockt werden

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verlangte zum besseren Schutz der Bürger mehr Personal und Ausrüstung für die Polizei sowie strengere Grenzkontrollen. «Eine Politik der offenen Grenzen darf es nicht geben.» Schon bei der Erstkontrolle eines Flüchtlings an der Grenze müsse die Polizei die Identität klären. Straffällige Flüchtlinge sollten leichter abgeschoben werden können - auch in Krisengebiete. Flüchtlingsunterkünfte müssten besser kontrolliert werden. Der Selbstmordattentäter von Ansbach habe in seinem Zimmer genügend Material gehabt, um eine zweite Bombe zu bauen.

Die Innenminister von Bund und Ländern verständigten sich darauf, die Polizeipräsenz bei ausgewählten Veranstaltungen zu erhöhen. Veranstalter sollten zudem prüfen, wie sie Konzepte optimieren und gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen ergreifen könnten. Zudem solle die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Fahndung im Internet ausgebaut werden.

Baden-Württembergs Innenminister will schärfere Flüchtlingskontrollen

Der baden-württembergische Ressortchef Thomas Strobl (CDU) forderte schärfere Sicherheitsüberprüfungen von Flüchtlingen. Alle Menschen, die in Deutschland Schutz suchten, sollten so schnell wie möglich erkennungsdienstlich behandelt werden, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch Seehofer forderte eine nachträgliche Überprüfung eingereister Flüchtlinge. «Wir müssen wissen, wer im Land ist», sagte er der «Süddeutschen Zeitung».

Auch andere Bundesländer kündigten Maßnahmen an. Baden-Württemberg stellt 30 neue Experten ein, die sich in der Bekämpfung der Cyberkriminalität oder im arabischen Sprach- und Kulturkreis auskennen. Zusätzliche Schusswaffen, Helme und ein gepanzertes Fahrzeug will Sachsen-Anhalt anschaffen. In Rheinland-Pfalz soll eine Ausweitung der psychischen Betreuung von Schülern und jungen Flüchtlingen geprüft werden.

Schwierige Überprüfung von IS-Zugehörigkeit

Zum Selbstmordattentäter von Ansbach gab es nach Worten von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Rahmen des Asylverfahrens keine sicherheitsrelevanten Erkenntnisse. Er war ein Flüchtling aus Syrien und vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er hätte nach Angaben der Ermittler nach Bulgarien abgeschoben werden sollen.

Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen und prüft, ob der 27-Jährige Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) war. Nach Erkenntnissen der Behörden legt dies ein Bekennervideo auf dem Handy des Mannes nahe. Das IS-Sprachrohr Amak veröffentlichte in der Nacht zum Dienstag ebenfalls ein vermeintliches Bekennervideo des Täters. Dessen Echtheit ließ sich ‎zunächst nicht überprüfen.

"Abschiedskultur" von CDU-Politiker gefordert

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster forderte eine konsequentere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. «Wir brauchen eine Abschiedskultur», sagte er der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten».

De Maizière wandte sich gegen eine Vorverurteilung muslimischer Flüchtlinge. «Wir wissen, dass Flüchtlinge weder Heilige noch Sünder sind», sagte er am Montagabend im ZDF. Man könne aber nicht sagen, dass von ihnen eine besondere, hohe Gefahr ausgehe. Er könne auch nicht «erkennen, dass unsere deutsche Bevölkerung voller Angst ist». Sein Ministerium wies einen Bericht zurück, wonach die Regierung ein neues Sicherheitskonzept mit einer Art Reservisten-Armee erwäge.

Hintergrund: Abschiebung ohne Tabus?

Wer fordert jetzt was?

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will Flüchtlinge schon bei geringen Straftaten konsequent abschieben. Das dürfe nicht erst bei Mord und Totschlag möglich sein. «Auch die Abschiebung in Krisengebiete darf kein Tabu sein.» In Afghanistan zum Beispiel gebe es durchaus Regionen, in denen ein Aufenthalt zumutbar sei. Eine Abschiebung dürfe auch nicht ohne Weiteres an medizinischen Gründen scheitern. Möglicherweise müssten die europarechtlichen Rahmenbedingungen verändert werden.

Warum sollte der Attentäter abgeschoben werden?

Der 27-jährige Syrer hat im August 2014 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellt, der Anfang Dezember abgelehnt wurde. Sein Anspruch auf Asyl wurde zwar nicht infrage gestellt, denn er kam aus einem Krisengebiet. Er hatte aber bereits im Jahr 2013 in Bulgarien - einem sicheren Drittstaat - einen Schutzstatus erhalten. Zunächst war für die deutschen Behörden auch kein Abschiebungsschutz erkennbar. Der Mann wurde daher aufgefordert, Deutschland in Richtung Bulgarien zu verlassen.

Warum verzögerte sich die Abschiebung?

Weil der Mann vor dem Verwaltungsgericht in Ansbach klagte. Später wurde die Abschiebungsanordnung laut Herrmann (CSU) aufgehoben. Die Gründe dafür sind unklar. Möglicherweise hängt die Entscheidung mit einem ersten Suizidversuch des Mannes zusammen. Im Februar 2015 erhielt er eine Duldung, die danach mehrfach verlängert wurde. Im Juli 2016 forderte das BAMF den Syrer erneut auf, Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Dagegen klagte der 27-Jährige dann nicht mehr.

Wie läuft das Prozedere generell ab?

Wer keinen Erfolg mit seinem Asylantrag hat, wird vom BAMF zur Ausreise aufgefordert - innerhalb einer bestimmten Frist. Wie viele dem folgen, wird nirgends festgehalten. Andere beantragen finanzielle Hilfe für die Rückreise. Dafür gibt es ein internationales Förderprogramm, in das auch Bund und Länder einzahlen. Jene, die nicht freiwillig gehen, werden oft abgeschoben - also beispielsweise in Polizeibegleitung in ein Flugzeug Richtung Heimat gesetzt. Regelmäßig organisieren die deutschen Behörden auch Charterflüge für größere Gruppen von Menschen, die das Land verlassen müssen. Wer sich dem entzieht, der kann als letztes Mittel in Abschiebehaft landen.

Wie hat sich die Zahl der Abschiebungen entwickelt?

2015 gab es laut Bundesinnenministerium 20 888 Abschiebungen - etwa doppelt so viele wie im Jahr zuvor. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres verließen bereits 11 294 Menschen zwangsweise das Land. Daneben gab es im vergangenen Jahr etwa 37 000 geförderte freiwillige Ausreisen, in den ersten vier Monaten 2016 waren es fast 21 000. Anfang Juni sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), er wolle die Zahl der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen abgelehnter Asylbewerber trotz Höchstwerten weiter steigern. Wenn die bisherige Entwicklung weitergehe, seien bis zum Jahresende mindestens 90 000 Abschiebungen und freiwillige Rückführungen zu erwarten.

Warum dauern Abschiebungen so lange?

Es gibt oft Probleme: Betroffene tauchen kurz vor dem Termin unter oder sie legen ärztliche Atteste vor, weil sie wegen Krankheit reiseunfähig sind - manchmal sind diese Nachweise auch gefälscht. Auch mit einigen Herkunftsländern gibt es Probleme - etwa bei der Ausstellung von Ersatzpapieren.

Wer trifft die Entscheidungen?

Abschiebungen sind Sache der Länder - zuständig sind die jeweiligen Ausländerbehörden. Der Bund macht seit langem Druck auf die Länder, abgelehnte Asylbewerber und andere ausreisepflichtige Ausländer - zum Beispiel jene, die in Deutschland straffällig geworden sind - konsequenter in ihre Heimat zurückzuschicken. Manche Landesregierung hält Abschiebungen jedoch für unverhältnismäßig und geht mit diesem Instrument zurückhaltend um. Außerdem fehlt es in manchen Behörden schlicht an Personal.

Wie viele Menschen gibt es derzeit, die ausreisen müssen?

Zum Stichtag 30. Juni waren 221 082 Menschen in Deutschland als «ausreisepflichtig» erfasst. Der Großteil (fast 168 212) waren aber Geduldete - also Menschen, deren Asylantrag zwar keinen Erfolg hatte, die aber nicht abgeschoben werden, etwa weil sie krank sind oder keine Papiere haben. Damit blieben 52 870 Menschen, die abgeschoben werden müssten.

dpa

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