Happy End nach zwei Wochen

Von Renate Allwicher
Ein bisschen dünn war er und viele Zecken hatte er eingesammelt. Ansonsten schaut Hund Seemann nach zwei Wochen im Fluchtmodus wieder genauso gewitzt in die Kamera wie zuvor. Regine Höppner ist sehr froh, dass er wieder zurück ist. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ein langer und weiter Irrlauf fand ein gutes Ende: Seemann ist wieder zu Hause. Der vermutlich gut zwei Jahre alte kleine Mischlingshund war weg und das für genau zwei Wochen. Er sorgte dafür, dass das Telefon der Tierrettung Anfang März nahezu ständig klingelte. Auf einer Route von über 30 Kilometern wurde er über 100 Mal gesichtet, ehe er sich in den Armen seines Herrchens wiederfand.

 
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„Ich bin einfach nur glücklich, dass er wieder da ist“, sagt Regina Höppner. Er, das ist Seemann, ein kleiner schwarzer Mischlingsrüde, der seit etwa vier Monaten zur Familie gehört. Ein neuer Freund für Störtebeker sollte damals her, den zweiten Hund der Familie, dessen alter Gefährte gestorben war. Doch dann war Seemann plötzlich weg. „Es passierte beim Spazierengehen am Roten Main, bei der Holzbrücke hinter dem Rotmaincenter“, erzählt Regina Höppner. Seemann erschrak vor einem schwarz gekleideten und rasanten Radfahrer und floh. Dass Seemann schreckhaft ist, wussten die Höppners. Das erklärt sich aus seiner Lebensgeschichte. Er ist ein kroatischer Straßenhund, den Tierschützer aus einem Auffanglager nach Deutschland vermittelten und der bei Höppners ein neues Zuhause fand. „Eigentlich konnte er inzwischen schon gut ohne Leine laufen. Er orientierte sich an uns und hörte, wenn wir ihn riefen“, sagt Regina Höppner. Bis die Angst überwog.

Erste Sichtungsmeldung nach wenigen Minuten

Das Besondere an Seemanns Flucht ist, dass seine Route recht genau bekannt ist. „Der erste Anrufer meldete sich schon ganz kurz nachdem er weg war bei Radio Mainwelle und berichtete, ein entlaufener Welpe habe die Bahnhofstraße überquert“, berichtet Höppner. Weil Seemann sehr klein ist, sei er von vielen Anrufern für einen Welpen gehalten worden.

Höppners entwarfen zügig Flyer, auf denen unter anderem die Nummer der Tierrettung angegeben war. Dort nahm Gerhard Schoberth in den folgenden zwei Wochen fast 120 Anrufe mit Sichtungsmeldungen entgegen. Am Kauflandparkplatz im Industriegebiet wurde Seemann gesehen. Am Bahnhof in Bindlach. In Cottenbach. Bei der Kiesgrube Dietz in der Nähe von Pechgraben. Mindestens drei Tage lang verweilte Seemann bei Waldau, einem Ortsteil von Harsdorf. Dort unternahm dann vermutlich ein anderer Hundehalter den Versuch, Seemann einzufangen – was erneut dessen Fluchtinstinkt auslöste. „In dem Moment dachten wir, jetzt sehen wir ihn nie wieder“, sagt Höppner. Das Ehepaar oder ihre Helfer waren, wann immer es möglich war, vor Ort. In der Kiesgrube hatten sie sogar Sichtkontakt. Aber der Fluchtinstinkt des kleinen Hundes überwog.

Wenn der Fluchtinstinkt überwiegt: Bloß nicht einfangen!

Die Höppners hatten den Flyer inzwischen um den Hinweis ergänzt, dass niemand versuchen solle, den Hund selbst einzufangen. Beratung und Hilfe bekamen sie während dieser Zeit  von einer privaten Tierschützerin, die Details ihrer Arbeit aber nicht preisgeben möchte. „Wir haben so viel Hilfe erfahren – von dieser Dame, der Tierrettung und den vielen Anrufern, wir sind dafür sehr dankbar“, sagt Regina Höppner.

Endlich kamen neue Sichtungsmeldungen. Aus Theta – was bei Höppners für Hoffnung sorge: Wenn Seemann es doch hinüber zum Festspielhügel schaffen würde, in vertrautes Gelände, wo sie häufig mit ihm Gassi gingen! Und tatsächlich: Die nächsten Meldungen kamen vom Grünen Hügel. Einmal saß Seemann vor der Metzgerei in der Tannhäuserstraße. „Und war natürlich wieder weg, als wir dort ankamen“, sagt Regina Höppner. Auf dem Schulhof der Pavillonschule wurde er gesehen. Am Abenteuerspielplatz beim Siegesturm.

Eingeschüchtert, abgemagert, voller Zecken - aber fidel

Letztlich waren es dann Jürgen Höppner und Störtebeker, die Seemann dazu bewegen konnten, sich wieder auf sie einzulassen. Sie drehten viele Runden auf der Judenwiese, immer in Sichtkontakt. Raschelten mit der Leckerli-Tüte, sprachen sanft auf ihn ein. Schließlich ließ er sich füttern, auch aus der Hand. Und endlich, fast auf die Minute genau zwei Wochen nach seinem großen Schreck, fand er sich in Höppners Armen wieder. „Die Kompanie ist wieder zusammen“, sagt Regine Höppner: „Seemanns Erinnerungen an uns sind wieder da.“ Abgemagert sei er gewesen, eingeschüchtert und nach dem ersten Bad musste er erst einmal von über zwanzig Zecken befreit werden. „Aber gewitzt wie zuvor“, sagt Regina Höppner. Die den Roten Main von der Liste guter Orte zum Gassigehen gestrichen hat: „Zu viele Radfahrer.“ Vorerst bleibt Seemann ohnehin an der Leine. Denn auch wenn Regine Höppner sagt: „Das war schon eine tolle Geschichte, vor allem wegen der Hilfe so vieler Leute“ – sie soll sich nicht wiederholen.

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