Bayreuther Kammer macht Gymnasialdirektoren Alternative zum Studium schmackhaft Handwerk buhlt um Abiturienten

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 Foto: red

Abi und Handwerk – passt das? Es muss nicht immer ein Studium sein, wenn man endlich sein Abiturzeugnis in der Hand hält. Auch im Handwerk locken lukrative Karrierewege. Was die Handwerkskammer für Oberfranken gestern den versammelten Direktoren der oberfränkischen Gymnasien nahebrachte.

 
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Jürgen Bodenschlägel brachte es auf den Punkt: „Der Beruf ist sehr anspruchsvoll geworden“, sagte der Schreinermeister aus Rugendorf im Landkreis Kulmbach auf der Direktorentagung der oberfränkischen Gymnasien, deren Gastgeber die Handwerkskammer war. Die sich natürlich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, kräftig für ihre Sache die Trommel zu rühren: mit Abitur ins Handwerk. „Unsere Mitarbeiter müssen auch was im Kopf haben“, betont denn auch Bodenschlägel; sein Betrieb umfasse bereits zehn Bildschirmarbeitsplätze mit CNC-Maschinen. Und darüber müssten seine Mitarbeiter den Überblick behalten. Wie ein Beschäftigter, der vor acht Jahren als Abiturient „mit der Leidenschaft zu produzieren“ bei ihm eine Lehre begann und nun für die Ausbildung der Lehrlinge verantwortlich sei. Oder die Coburger Goldschmiedin Steffi Stahl, die Röttenbacher Zahntechnikerin Judith Kropfeld, Abiturientinnen, die in glühenden Worten die Erfüllung schilderten, die ihr der gewählte Beruf im Handwerk bietet.

Immer mehr Studienanfänger

16.200 Betriebe, 74.200 Beschäftigte, 7,1 Milliarden Euro Umsatz, 5700 Auszubildende und 2100 neue Lehrlinge – diese Eckpunkte des oberfränkischen Handwerks gab Kammerpräsident Thomas Zimmer den Direktoren mit auf den Weg. Und dass das Handwerk Zukunft habe – Stichworte Energieeffizienz, Klima, seniorengerechtes Bauen, gesunde Ernährung, und und und. „Dafür brauchen wir leistungsfähigen Nachwuchs“, so Zimmer. Doch: 2013 habe in Deutschland die Zahl der Studienanfänger mit 510.672 erstmals die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse (497.427) überstiegen. Was schlecht sei, denn: „In Oberfranken werden sehr viel mehr beruflich qualifizierte Fachkräfte gesucht als Akademiker.“ Stichworte Nachwuchsmangel, demografischer Wandel.

Was Christi Degen, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken Bayreuth mit Zahlen untermauerte: „In Oberfranken haben wir derzeit 20 000 offene Stellen, darunter nur 1000 für Akademiker.“ Etwas, was Eltern beim Wunsch eines Hochschulstudiums für ihre Kinder nicht bedenken würden. Junge Leute sollten vielmehr in sich gehen und überlegen: „Schau, was du wirklich kannst.“ Zumal viele Ausbildungsabschlüsse denen von Hochschulen entsprächen: „Der Meisterbrief ist auf Augenhöhe mit dem Bachelor.“

Startrampe für erfolgreiche Karriere

Das Handwerk als Startrampe für eine erfolgreiche berufliche Karriere – dafür brach Volker Born, Leiter der Abteilung Berufliche Bildung beim Zentralverband des deutschen Handwerks schon berufsmäßig ein ganzes Lanzenbündel. Auch nach der Meisterausbildung stünden dem Absolventen zahlreiche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten offen. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Fachschul-, Meister- und Technikerausbildung liege noch unter der von Akademikern, „praktisch herrscht Vollbeschäftigung“. Vom durchschnittlichen Lebensverdienst her liege ein Handwerksmeister mit 1,9 Millionen Euro nicht weit hinter dem Menschen mit Fachhochschulabschluss (2,0 Mio.). Und die Jahresgesamtbezüge von GmbH-Geschäftsführern in den Handwerksbranchen könnten sich auch sehen lassen. Dass es dabei ziemliche Ausreißer nach oben und unten gibt, räumte Born dabei ein.

Das zarte Pflänzchen fruchtet

Dass das „zarte Pflänzchen“ (Zimmer) Gymnasium und Handwerk langsam fruchtet, zeigte Peter Schirmer, für Bildungsfragen zuständiger Kammer-Hauptabteilungsleiter. Aktuell befinden sich seinen Zahlen zufolge 394 Auszubildende mit Abitur beim oberfränkischen Handwerk, 264 davon seien junge Männer. Zwölf Auszubildende würden dual studieren, also Ausbildung und Studium in Kombination. Von den neuen Auszubildenden 2014 hätten 7,3 Prozent die Hochschul- oder Fachhochschulreife gehabt, zehn Jahre zuvor seien es erst 2,7 Prozent gewesen. „Abiturienten beziehungsweise Fachoberschüler sehen in der beruflichen Bildung zusehends eine interessante Alternative zum klassischen Hochschulstudium“, folgerte Schirmer.

Dieses Bewusstsein müsse allerdings noch in die Köpfe, meinte HWK-Hauptgeschäftsführer Thomas Koller. Bereits jetzt habe das Handwerk viele Angebote für Schüler – Betriebspraktika, spezielle Ausbildungsberatungen, Berufsmessen. Damit sich auch an Gymnasien das Credo von Kammerpräsident Thomas Zimmer manifestiert: „Abitur und Handwerk – das passt.“

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