Guter Einstand für Vieweg

Von Michael Weiser
Einstand beim Philharmonischen Chor: Roland Vieweg, stellvertretender Musikdirektor am Theater Hof. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Mit Spannung erwartet - und angekommen: Roland Vieweg feierte sein Debüt beim Philharmonischen Chor Bayreuth. Mit Haydns "Schöpfung" in der Stadthalle erntete der Dirigent viel Beifall.

 
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Es gibt eine Stelle, ziemlich am Ende, die gibt dem Zuhörer einen Stich. Kurz zuvor haben Adam und Eva das  Glück zu zweit gepriesen. Das klingt wie ein ewiger sommerlicher Sonntag, es ist gut so, es könnte auch so bleiben. Findet auch der Erzengel Uriel, der nun ein ewiges Glück in Aussicht stellt – „wenn falscher Wahn euch nicht verführt, noch mehr zu wünschen als ihr habt, und mehr zu wissen als ihr sollt!“

Nachdem die Welt nun aber mal so ist, wie sie ist, können Chor, Orchester und Solisten nach dieser Stelle jubilieren, wie sie wollen, die Freude ist nicht mehr unbeschwert. Weil wir nur zu genau wissen, dass Adam und Eva dem „falschen Wahn“ nicht widerstanden und überhaupt nur wenig Zeit benötigten, um erstmals Gottes Gebot zu übertreten. Und dass sich auch ihre Nachfahren nicht klüger verhalten haben, bis zum heutigen Tag nicht

Insofern stellt uns Joseph Haydn in seiner „Schöpfung“ vor ein Rätsel: Wie kommt gerade er zu seiner Zuversicht, er, der Zeuge der endlosen Koalitionskriege gegen das revolutionäre Frankreich? Woher nimmt er diesen hellen Ton, diesen Jubel, die sein Oratorium trotz biblischen Textes zu einem geradezu irdisch sinnenfrohen Ereignis werden lassen? Man weiß doch, welche Entwicklung die Schöpfung nehmen wird. Warum nur ist sie bei Haydn so harmonisch? Nur ganz am Anfang dräut Düsternis, sticht die eine oder andere sachte Dissonanz durchs Rumoren. Aber da hat Gott ja noch sechs Tage Arbeit vor sich. Der Rest aber ist Verheißung, die göttliche Ordnung wird sich durchsetzen.

Haydns Oratorium ist ein Werk der Widersprüche. Und so passt es irgendwie ganz gut zur Situation des Philharmonischen Chor. Der fängt gerade wieder einmal neu an, mit seinen neuen Vorsitzenden Heinz Ponnath und Eva Peetz, vor allem aber mit seinem neuen Dirigenten Roland Vieweg, dem stellvertretenden Musikdirektor des Theater Hofs. Vieweg tritt die Nachfolge Arn Goerkes an, der sieben Jahre lang den Chor betreut hatte. Gleichzeitig steht der Chor wie andere Einrichtungen auch vor einem Ende: Zum letzten Mal trat der Chor am Sonntag in der Stadthalle auf, bevor sie ab Februar für Jahre wegen Umbau- und Sanierungsarbeiten geschlossen wird. Das nächste Konzert wird der Chor in der Stadtkirche geben. Danach wird man sehen müssen.

Diese letzte Herausforderung am alten Ort bewältigten der Chor und sein Korsett aus Hofer Symphonikern und Solisten achtbar. Nein, mehr als achtbar: Die Hofer musizierten unter Viewegs Leitung aufmerksam, mit schönem transparentem Klang und ausreichenden Nuancen für Haydns gewaltiges und doch auch wieder liebliches Klanggemälde. Nicht weniger wichtig: Nur selten spielten die Philharmoniker zu laut für den Laienchor. Aus dem Trio der Solisten – Dominik Wortig, Rolf A. Schneider und Katharina Konradi – ragte das Hofer Ensemblemitglied Konradi heraus. Eine Stimme von leichtem Körper, die jede Herausforderung so stemmt, dass man von dem Stemmen eben gar nichts merkt. Und die auch die sparsam eingestreuten Kolraturen so spielend meistert, dass sich Konradi nochmals für die Opera Seria empfohlen hat. Da hat das Theater Hof ein unüberhörbares Talent gewonnen.

Und dann ist da der Chor, der sich mit Lust und Liebe in Haydns großherziges Werk wirft. Allerdings auch so, dass man Viewegs vorsichtige Auskunft zuvor besser zu verstehen meint. Noch stärker auf Transparenz will er setzen, der Neue am Dirigentenpult, auf ein Heraustreten der Stimmen. Stark ist der Chor tatsächlich dann, wenn er sich in den Orchesterklang der Symphoniker hüllen darf. An Konturen und Präzision wird Vieweg sicherlich weiterarbeiten. Das ist nicht die Welt. Und Vieweg hat sicherlich mehr als sechs Tage Zeit.

Langer, lauter Beifall, viele Bravos für die Sänger und Musiker.