Sobald die Rede auf die Kleiderordnung kommt, plappern alle durcheinander. In der Aula und vor der Gesamtschule sitzen die Schüler zwischen den Stunden zusammen. Gerüchte haben die Runde gemacht, von einer Schuluniform, die eingeführt werden soll und von Kleidungsstücken, die man nicht mehr tragen dürfe: Hotpants und Miniröcke vor allem, aber auch Tops mit Spaghettiträgern und Flip-Flops. Jeder will etwas anderes gehört haben. Die einen im Biologieunterricht, die anderen in Geschichte oder Religion.

"Es ist wohl nicht gut angekommen"

Manuel Weiß-Weber, ein junger Lehrer steht kopfschüttelnd daneben. Unglaublich, was da kursiert, sagt er. Dabei gehe es doch nur um zu kurze Hosen und zu tiefe Ausschnitte. Und Schulleiterin Scharfenberg sagt selbstkritisch: „Es ist wohl nicht gut angekommen, was ich da gemacht habe.“ Immerhin: Eine Diskussion habe sie angestoßen.

Vergangenen Freitag hat sie den Lehrkräften einen Zettel in die Postfächer gesteckt. Darauf die Bitte, sich in einer frei zu wählenden Form im Unterricht mit dem Thema Kleidung in der Schule zu beschäftigen. Angehängt hatte sie einen Ausdruck mit Kleiderordnungen im Arbeitsleben. Vorausgegangen war der Fall einer Zwölfjährigen, die recht aufreizend im Unterricht erschienen war, sagt Scharfenberg. „Den aufreizenden BH sah man durch und die Pobacken quollen unter der kurzen Hose hervor.“ Scharfenberg sagt aber auch: Das ist die absolute Ausnahme. 99 Prozent der Schüler kleiden sich ordentlich.

Nach Ansicht der Schüler ist die Quote zu hoch gegriffen. Vor allem die Sechstklässler hätten es faustdick hinter den Ohren, sagen viele. Alles verschiebe sich nach vorne, die Probleme, die man früher mit Acht- und Neuntklässlern hatte, habe man heute in der Sechsten, sagt Scharfenberg.

Geschminkt und auf Stöckelschuhen

Uli, einem Schüler aus der Siebten, sei das auch aufgefallen. Geschminkt und auf Stöckelschuhen liefen manche Mädchen aus der Sechsten herum. In letzter Zeit sei das extrem geworden, sagt er. Eine Sechstklässlerin, die in Hotpants in der Aula sitzt, fragt: „Was soll ich denn machen, wenn’s 30 Grad hat und wir kein Hitzefrei bekommen?“ Von einem Verbot solcher Hosen habe sie schon mehrmals gehört. Aber sie trage die Hose weiter, weil die Mädchen aus der Neunten noch viel kürzere trügen. Erst heute Morgen habe sie eine gesehen – mit nicht viel mehr an, als einen Gürtel.

Ein Rock, kurz wie ein Gürtel, das gehe auch ihm zu weit, sagt Jakob. Er besucht die 8. Klasse und findet es ganz okay, wenn die Mädchen nicht wie die Nonnen im Unterricht erscheinen. Und Jakob erzählt er von einer Schülerin, die erst vor ein paar Tagen eine Strafarbeit aufgebrummt bekommen habe, weil sie ein zu weit ausgeschnittenes Top getragen habe. „Oversize“ nennt man das, erklärt Linda aus der Neunten und um das zu tragen – das wisse doch  jedes Kind – brauche es eben ein zweites Kleidungsstück, das den BH verdecke. Und überhaupt wären es nicht nur die Mädchen, über deren Kleidungsstil man mal reden müsse. Auch Jungs trügen mittlerweile tiefe Ausschnitte und Hosen, die „auf halb neun hängen“.

Totenköpfe verboten

Ihr Religionslehrer habe Totenköpfe auf den T-Shirts ausdrücklich verboten, sagen drei Mädchen, alle aus der Sechsten. Deswegen habe sie zehn solcher Shirts weggeworfen, sagt die Eine. In der Klasse trügen oft fünf von zwölf Mädchen Hotpants, sagt die Andere. Und die Dritte erzählt, dass die Französischlehrerin ihrer Klasse explizit mit Schuluniformen gedroht habe, wenn diese sich nicht besser kleide.

In einer 11. Klasse habe er das auch schon gesagt“, gibt der Lehrer Weiß-Weber zu. „Im Scherz“ – und den danach auch gleich aufgelöst. Gegen Totenköpfe habe er nichts und was die Mädchen untenherum tragen, könne er im Unterricht sowieso nicht sehen. Was ihn aber störe, seien T-Shirts mit Wörtern wie „Fuck“ oder einem großen Mittelfinger darauf. Letzteres schaut man zwangsläufig an und bezieht es auf sich, sagt der junge Lehrer. „Über allem anderen stehe ich, da bin ich Profi genug.“

In anderen Schulen im Kreis werde die Kleiderordnung derzeit nicht diskutiert, hat eine Umfrage des Kuriers unter Schulleitern ergeben. Einzig über Jungs, die ihre Baseballmützen im Unterricht nicht abnehmen, ärgere man sich regelmäßig.