Gelungene Inklusion am Arbeitsplatz

Von Norbert Heimbeck
Christian Thiesmann und Ingrid Schneider-Pfaffenberger vor dem Aufzug, mit dem Thiesmann an seinen Arbeitsplatz kommt. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Mit dem eigenen Lift ins eigene Büro fahren – diesen Vorzug genießen normalerweise nur die Chefs in großen Konzernen. Christian Thiesmann ist zwar kein Manager, aber einen Aufzug hat er auch: Sein Arbeitgeber, das Bindlacher Unternehmen Schneider & Ozga, hat für den schwer gehbehinderten Mitarbeiter einen Lift einbauen lassen. Unternehmer wissen oft nicht, dass für solche Maßnahmen Fördermittel zur Verfügung stehen.

 
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„Unsere Mitarbeiter sind für uns wie Familienmitglieder“, sagt Ingrid Schneider-Pfaffenberger, Geschäftsführerin des Anlagenbauers. Wertschätzung der Mitarbeiter ist das eine, Probleme, gute Leute zu finden das andere: Bei Schneider & Ozga wird viel getan, um Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Für Christian Thiesmann ist das eine besondere Chance: Er kam mit einem seltenen Gendefekt zur Welt, einer Muskelerkrankung, die unter einer Million Menschen nur einen trifft.

Den Arbeitsplatz immer wieder angepasst

„Die Ärzte haben meinen Eltern damals gesagt, älter als 16 wird der Junge nicht“, berichtet Thiesmann. Heute ist er 36 und fühlt sich voll ins Arbeitsleben integriert. Er ist als technischer Zeichner ausgebildet und arbeitet neben seinen Kollegen im Großraumbüro des Bindlacher Maschinenbau-Unternehmens mit Computern und 3D-Konstruktionsprogammen.

Sein Handicap: „Treppensteigen fällt mir schwer. Auch langes Sitzen ist nicht so gut, deshalb habe ich einen Schreibtisch mit höhenverstellbarer Arbeitsplatte.“ Über die Jahre hinweg hat das Unternehmen auf die fortschreitende Behinderung Thiesmanns reagiert und den Arbeitsplatz immer wieder angepasst. Eines Tages passierte es: Der Konstrukteur wollte nach dem üblichen Arbeitstag Feierabend machen und nach Hause fahren. Doch sein Körper spielte nicht mit, er konnte die Treppe vom Büro ins Erdgeschoss nicht bewältigen.

Zuschüsse für behindertengerechten Umbau

Ingrid Schneider-Pfaffenberger erinnert sich: „Irgendwie haben wir ihn doch noch ins Erdgeschoss gebracht. Und dann haben wir eine Lösung gesucht.“ Die Chefin schätzt ihren Mitarbeiter: „Christian setzt sich sehr für seine Arbeit ein. Solche Leute findet man heute nicht mehr so oft. Da wollten wir ihm umso mehr helfen.“ Zunächst wurde in der Produktionshalle ein Arbeitsplatz für Thiesmann eingerichtet. Wegen des Lärms klappte das aber nicht so gut. Thiesmann erzählt: „Ich habe mit Ohropax arbeiten müssen“.

Die Sicherheitsfachkraft des Unternehmens brachte die Geschäftsleitung dann auf die Idee, dass ein behindertengerechter Umbau bezuschusst werden könnte. Schneider-Pfaffenberger: „Man weiß als Unternehmer gar nicht, wofür es alles Zuschüsse gibt.“ An dieser Stelle kommt Michael Puchtler ins Spiel. Der gelernte Maschinenbauingenieur arbeitet seit dem Jahr 2000 beim Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) in Bayreuth als Technischer Berater.

Aufzug fast komplett aus Fördermitteln

Er ist das Bindeglied zwischen Unternehmen und Integrationsamt: „Wir entwickeln gemeinsam mit den Betrieben auf den Einzelfall abgestimmte Lösungen, damit Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung erhalten bleiben, aber auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten in Betrieben geschaffen werden. Ein Teil meines Jobs ist es auch, Kosten zu ermitteln und Zuschüsse zu klären“. Im Falle von Christian Thiesmann hat das Amt rund 43.000 Euro für den Bau des Aufzugs bereitgestellt, insgesamt kostete die Maßnahme 47.000 Euro.

Ist der Aufwand für einen einzigen Mitarbeiter gerechtfertigt? In Christian Thiesmanns Ausweis ist eingetragen: Grad der Behinderung 90, außergewöhnlich gehbehindert. „Das sagt jedoch nichts über seine Leistungsfähigkeit aus“, erklärt Michael Puchtler. Heute werden zum Beispiel auch Diabetes oder Krebs sowie psychische Erkrankungen als Behinderung anerkannt. Ingrid Schneider-Pfaffenberger lässt auf ihren Mitarbeiter nichts kommen: „Wir hätten es auch gemacht, wenn wir weniger Zuschuss bekommen hätten.“ Und Christian Thiesmann ergänzt: „Ich wüsste nicht, was ich ohne Job machen sollte. Die Arbeit macht Spaß.“

Infos zur Förderung über das ZBFS

Das Geld für die Umrüstung von Arbeitsplätzen kommt aus der Ausgleichsabgabe. Puchtler: „Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen auf wenigstens fünf Prozent davon Schwerbehinderte beschäftigen. Wer das nicht erfüllt, egal ob privater oder öffentlicher Arbeitgeber, muss Ausgleichsabgabe zahlen.“ Je nach Anzahl der behinderten Mitarbeiter beträgt diese Abgabe monatlich 125 bis 320 Euro pro unbesetztem Arbeitsplatz.

Mit rund 4,2 Millionen Euro hat das ZBFS-Integrationsamt Schwerbehinderte im Berufsleben direkt unterstützt; in Oberfranken wurden 2016 rund 500.000 Euro gezahlt. Das ist ein Plus von über 20 Prozent im Vergleich zu 2012. Arbeitgeber in der Region haben vom ZBFS im selben Zeitraum rund fünf Millionen Euro erhalten. 

Info: Michael Puchtler steht im ZBFS unter der Telefonnummer 09 21/6 05 28 12 für Auskünfte zum Thema Integration von Behinderten zur Verfügung.

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