Die Stromtrasse - Teil zehn der Kurier-Serie Geht es auch ohne die Stromautobahn?

Von Moritz Kircher
Die Bürger protestieren seit Monaten. Das hat einen Prozess in der Politik angestoßen, der dazu führen könnte, dass die Stromautobahn durch Oberfranken beerdigt wird. Foto: Archiv/Reißaus Foto: red

An der geplanten Gleichstrompassage Süd-Ost scheiden sich die Geister. Befürworter und Gegner führen sich widersprechende Argumente ins Feld. In zehn Teilen geht Kurier-Redakteur Moritz Kircher der Sache auf den Grund. Im zehnten und letzten Teil der Serie: Brauchen wir die Trasse oder brauchen wir sie nicht? Die Trassengegner wird's freuen: Es geht theoretisch auch ohne die Leitung.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Es geht theoretisch auch ohne die als "Monstertrasse" verschrieene, 450 Kilometer lange Leitung von Lauchstädt in Sachsen-Anhalt nach Meitingen bei Augsburg. Aber so einfach ist es nicht. Denn ein Verzicht auf die Leitung hätte Folgen.

Folgen für die Energiewende: Es ist schwer abzuschätzen, welche Folgen der Verzicht für die Energiewende hätte. Die Bundesregierung, die Übertragungsnetzbetreiber und einige Umweltgruppen preisen die Leitung nach wie vor als einen wichtigen Baustein für die Energiewende an. Sie soll Windstrom aus dem Norden nach Bayern bringen. Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe greift Ministerpräsident Horst Seehofer ob dessen Blockadehaltung scharf an: "Dadurch gefährdet er die Energiewende und die Versorgungssicherheit in Bayern."

Doch die Leitungsbefürworter müssen sich auch immer wieder Kritik anhören. Die Stromtrasse befördere alles, nur nicht die Energiewende. Der Vorwurf: Die Gleichstromleitung solle nur gebaut werden, um den Strom der Braunkohlekraftwerke im Osten der Republik nach Bayern zu transportieren.

Folgen für das Stromnetz: Für die Energiewende muss das deutsche Stromnetz umgebaut werden. Das ist Konsens unter Fachleuten und in der Politik. Die Frage ist: Wie? Es ist nicht ganz klar, was es für den Netzausbau bedeuten würde, sollte die Politik entscheiden, auf die Stromautobahn zu verzichten.

Die anderen Gleichstromprojekte müssten dann mit mehr Übertragungskapazität gebaut werden. Das ist der aktuelle Vorschlag von Horst Seehofer. Kritiker der Stromautobahn halten das Projekt aber für gänzlich überflüssig. So meint etwa Christian von Hirschhausen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dass die Leitung ersatzlos gestrichen werden könne. Und das, ohne die Versorgungssicherheit Bayerns zu gefährden.

Folgen für den Strommarkt: Erst vor wenigen Tagen ging es durch die Medien: Wenn die Stromautobahn nicht gebaut wird, droht eine Teilung des deutschen Strommarktes. Das hat eine Studie der "Thema Consulting Group" im Auftrag der Europäischen Union ergeben. Angeblich, so die landläufige Interpretation, sei das schlecht. Denn Bayern drohten höhere Strompreise als im Rest der Republik.

Dazu gibt es aber auch wieder eine andere Sichtweise, wie in der Berliner Tageszeitung (taz) zu lesen ist. Denn im Grunde sei es ohnehin eine unrealistische Annahme, Deutschland als Fläche zu sehen, in der Strom immer und überall zum gleichen Preis verfügbar sei. Eine Teilung in zumindest zwei Preiszonen würde zwar unter Umständen den Strom im Süden zeitweise verteuern. Aber dafür gäbe es weniger Eingriffe ins Netz, die ebenfalls Geld kosten.

„Zwei Preiszonen wären sehr gut für die Energiewende", sagt Professor Lorenz Jarass von der Hochschule Rhein-Main in der taz. Denn die Braunkohlekraftwerke im Norden würden in Folge niedrigerer Marktpreise bei Stromüberschuss im Norden viel stärker unter Druck geraten als sie es heute sind. Neue Nord-Süd-Leitungen begünstigten dagegen den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke.

Fazit: Gleichstromtrasse ja oder nein? Es ist und bleibt eine politische Entscheidung. Der Atomausstieg ist beschlossene Sache. Die Energiewende auch. Entsteht durch den Wegfall der Atomkraft in Bayern tatsächlich eine Lücke, muss sie gestopft werden. Alleine durch Strom aus heimischen erneuerbaren Energien wird das nicht gehen. Auch wenn im Freistaat jährlich mehr grüner Strom erzeugt würde als verbraucht. Denn es ist kaum anzunehmen, dass Wind- und Sonnenstrom immer gerade dann zur Verfügung steht, wenn er benötigt wird.

Also muss eine andere Lösung her. Es müssten Speicher gebaut werden. Doch der Widerstand in der Bevölkerung gegen neue Pumpspeicherkraftwerke ist regelmäßig groß. Andere Speichertechnologien sind noch nicht ausreichend erforscht und entwickelt. Bleibt noch die Idee der Staatsregierung, in Bayern neue Gaskraftwerke zu bauen. Die haben zwar eine bessere Ökobilanz als die Kohlekraft. Aber eine lupenreine Energiewende wäre das nicht.