WAS DER EU FEHLT Gastkommentar: Europa kann es besser

Eurokrise, Bankenrettung, Glühbirnenverbot... – viele Menschen haben die Nase voll von Brüssel und Europa. Sie fühlen sich eigentlich als Europäer, gleichzeitig wird die Kritik gerade im aktuellen Wahlkampf immer lauter. Eine nüchterne Bestandsaufnahme macht aber auch deutlich: Die Europäische Union hat viele Stärken.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Von Bernhard Herz und David Stadelmann

So sorgt der offene Binnenmarkt etwa dafür, dass deutsche Unternehmen ihre Produkte in der EU einfacher verkaufen können und damit heimische Arbeitsplätze sichern. Dieser freie Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr ist ein Wohlstands-, Wachstums- und Freiheitsmotor. Auch mit Blick auf nachhaltige Entwicklung stehen die europäischen Länder im Bereich der Umweltpolitik und selbst den Staatsfinanzen vergleichsweise gut da. Zwar sind einige Mitgliedsländer höchst verschuldet, aber die durchschnittliche Verschuldung auf gesamteuropäischer Ebene ist beispielsweise geringer als in den USA und weit niedriger als in Japan. Europa spielt im Vergleich zu anderen Ländern eine positive Rolle in der Weltpolitik und bedroht die Welt nicht mit sinnlosen Kriegen gegen Terrorismus, für Erdöl oder bei nationalen Separationsbewegungen.

Aber auch in der EU gibt es noch vieles zu verbessern. Dabei herrscht über die Ziele der Europäischen Union weitgehend Einigkeit. Europa soll eine von Freiheit und Vielfalt geprägte Region mit hoher Lebensqualität sein. Durch gute Politik sollen auch zukünftige Generationen unter ausgezeichneten Bedingungen leben können. Wie lassen sich diese Ziele erreichen? Wie kann Europa noch besser werden?

Viele EU-Länder leiden derzeit unter hoher Arbeitslosigkeit, die in erster Linie durch hausgemachte Fehler verursacht wird. Eine bessere Wirtschafts- und Sozialpolitik kann die Wende zum Besseren bringen. Deutschland hat dies mit der kontrovers diskutierten Agenda 2010 eindrücklich gezeigt, selbst wenn einzelne Aspekte der Reform verbessert werden müssen.

Durch mehr direkte Demokratie müssen die Interessen der Bürger in der EU gestärkt werden. Wissenschaftliche Studien zeigen, wie vorteilhaft die direkte Beteiligung der Menschen an politischen Entscheidungen ist. Die Chancen und Vorteile der direkten Demokratie auf lokaler Ebene zeigen sich ganz augenfällig am Erfolg einiger deutscher Bundesländer, insbesondere von Bayern und Hamburg. In beiden Länder wurde die direkte Demokratie schon in den 1990er Jahren mit Erfolg gestärkt.

Vielen EU-Ländern macht auch eine schlechte Steuermoral zu schaffen. Diese wird aber nicht dadurch besser, dass Steuersünder öffentlich angeprangert werden. Ein wichtiger Grund für die schlechte Steuermoral ist die Überzentralisierung: In manchen EU-Ländern fließen fast die gesamten Steuern zuerst in die Hauptstadt. Von dort geht es dann über undurchsichtige Transfers und nahezu unabhängig von dem lokalen Steueraufkommen zurück an die Regionen und Gemeinden. Eine schlechte Steuermoral kann in einem solch intransparenten System nicht überraschen. Darüber hinaus steigt in überzentralisierten Ländern die Gefahr der Korruption.

Starke Zentralisierung senkt auch die Anreize für fähige Regionalpolitiker eine gute Standortpolitik zu betreiben. Daher brauchen die Regionen in der EU mehr Autonomie. Mit der zunehmenden Globalisierung sind sie einem immer stärkeren internationalen Standortwettbewerb ausgesetzt. Der Standortwettbewerb erhöht den Bedarf an schnellem und effizientem Handeln auf regionaler Ebene. Die Regionen benötigen daher mehr Freiheiten, sich auf veränderte Bedingungen einstellen zu können.

Eine weitere Stärkung des Binnenmarktes bei gleichzeitiger Ausweitung der Bürgerbeteiligung und einer echten Dezentralisierung von Entscheidungen würde die europäischen Regionen und damit Europa als Ganzes weiter voran bringen. So hätte die Europäische Union eine große Zukunft.

Prof. Dr. Bernhard Herz ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre I an der Universität Bayreuth. David Stadelmann ist seit 2013 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Mehr als zehn Jahre arbeitete er in der Schweiz.

Autor