Gassenviertel: Kommt das Fachwerk wieder?

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Die Stadtbaureferentin Urte Kelm hat einen neuen Namen für das Gassenviertel kreiert. Sie nennt es "das Dazwischen". Ein schlummerndes Viertel zwischen dem sanierten Markt, den barocken Prachtstraßen und der Stadthalle, die gerade saniert wird. Ein Viertel, dem künftig mehr Aufmerksamkeit zukommen wird. Und in dem gerade eine Diskussion in Gang kommt: Dürfen die Häuser dort wieder Fachwerk zeigen?

 
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Es gibt so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz in Bayreuth: Wegen der Brandgefahr in der eng bebauten Innenstadt müssen die Häuser verputzt werden. "Das tradiert sich immer weiter", sagt Brigitte Trausch, die Vorsitzende des Vereins, der sich die Rettung der Fachwerkhäuser auf die Fahnen geschrieben hat. Allerdings: "Weder in der Feuerverordnung von 1672, noch in der von 1782 steht etwas davon, dass die Häuser verputzt werden sollen", sagt Trausch. Norbert Hübsch vom Historischen Verein für Oberfranken bestätigt das: "Was sich in der Feuerverordnung von 1672 findet, ist die Vorgabe, dass man möglichst wenig Holz verwenden soll. Und dass die Zwischenräume des Fachwerks mit Steinen und nicht mit einem Gemisch aus Lehm und Stroh ausgefacht werden sollen." Zudem, sagt Hübsch, waren nach dem letzten großen Stadtbrand "die Häuser gedreht und die Feuergiebel aus Stein gebaut worden".

Das Diktat der Mode: Fachwerk war ländlich

Man sei in der Barockzeit eher einer Mode gefolgt, sagt Hübsch. "Fachwerk galt als ländlich, deshalb hat man die Häuser in den Städten verputzt. Erst im späten 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hat man das Fachwerk wieder freigelegt. In Kulmbach gibt es schöne Beispiele. Da findet man schöne Häuser - wie in Bayreuth." Unter dem Putz schlummern Schätze, sagt nicht nur Hübsch. Auch Brigitte Trausch sagt das. Vor kurzem hat der Verein zur Rettung der Fachwerkhäuser in einer Ausstellung gezeigt, wie Bayreuth aussehen könnte. In Zeichnungen. Und in Fotos, die Rolf Wahner mit seiner Wärmebildkamera gemacht hat. "Ein Beispiel ist das Haus von Foto Altkofer in der Kanzleistraße", sagt Trausch. "Das hat ein hervorragendes Fachwerk unter dem Putz."

"Ein wunderschönes Eck"

Waltraud und Gerhard Altkofer haben das Haus schon im verputzten Zustand gekauft. Und vor 13 Jahren für viel Geld kernsaniert. "Vorstellen könnten wir uns das schon, wie schön das Haus mit Fachwerk aussehen würde. Das hier ist ja ein wunderschönes Eck", sagt Waltraud Altkofer. Aber: "Wir machen da jetzt sicher nichts dran. Wir sind beide 68, machen unser Geschäft noch, so lange es uns Spaß macht und wir gesund sind." Ein anderes Haus, das in Kürze saniert werden soll, steht am Markt. Dagmar Zimmermann und ihr Mann haben das Haus, in dem eine Maßhemden-Manufaktur derzeit ihr Geschäft hat, gekauft. "Das Haus ist aus dem Jahr 1663. Der Keller ist um 1400 entstanden", sagt Dagmar Zimmermann. Die Fassade werde ohnehin gemacht. Wenn sich Fachwerk finde, könne man darüber nachdenken, es frei zu legen. Wie Hübsch sagt, gehe er davon aus, dass im Giebel durchaus Fachwerk vorhanden sein könnte.

Einzelfallprüfung möglich

Bei einem Symposium zum Gassenviertel am Tag der Städtebauförderung im Mai hatte Trausch die Fachwerk-Diskussion in Gang gebracht. Und den Denkmalpfleger Robert Pick (Bamberg) zu der Aussage verleitet, dass "man im Einzelfall prüfen könnte, ob Fachwerk passt oder nicht", wie Hübsch sagt. "Eine recht differenzierte Aussage." Den differenzierten Blick hat auch Urte Kelm: "In Bayreuth muss man nicht den Puppenstuben-Charakter herauskehren. Bayreuth hat als eher steinerne Stadt, in der es kaum Sichtfachwerk gibt, eine andere Prägung." Das über Jahrhunderte vorgeschobene Argument des Brandschutzes sei "lediglich ein Aspekt, mehr nicht. Fachwerk muss man bauphysikalisch anders betrachten als eine verputzte Fassade. Putz bietet Witterungsschutz, es lohnt sich auch nicht, jedes Holz freizulegen." Die Stadt stehe sicher keinem Eigentümer im Weg, "der die Initiative ergreifen will".

Die Initiative muss kommen

Aber: Das Problem ist für Kelm nicht die Frage nach Fachwerk oder nicht Fachwerk. Das Problem ist, "dass wir das Gassenviertel stärker ins Bewusstsein rufen müssen". Bei den Menschen, die dort leben. Und bei denen, die dort Häuser haben. "Wenn die Stadthalle saniert ist, werden mehr Menschen durch das Gassenviertel gehen auf dem Weg vom Markt zur Stadthalle. Das Gassenviertel wird mehr Bedeutung bekommen", sagt Kelm. "Man muss darauf achten, dass es nicht weiter verfällt und abgehängt wird. Das Stadtviertel ist für mich das Dazwischen. Das man in den Fokus nehmen, neu thematisieren muss." Noch vor der Sommerpause werde es einen Workshop zu dem Thema geben. "Man muss viele Gebäude revitalisieren. Das gelingt auch nur, wenn das von der Stadt getragen und unterstützt wird", sagt Hübsch.

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