Sechseinhalb Jahre nach einem Brand in der Altstadt schließt die Justiz eine Akte Freispruch trotz Geständnis

Von Manfred Scherer
Im Zweifel für den Angeklagten urteilte das Schöffengericht im Fall einer Brandstiftung - trotz eines Geständnisses. Archivfoto: Britta Pedersen, dpa Foto: red

Ein Mann gesteht eine Brandstiftung - und wird vor Gericht dennoch freigesprochen. Wie geht das?

 
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Es war ein Glück, dass dieses Feuer so langsam vor sich hin glomm: Die Feuerwehr löschte die Glut im Keller des Mehrparteien-Wohnhauses am Menzelplatz, ehe es auf das Gebäude übergriff.  22 Bewohner waren im Oktober 2010 in dem Gewog-Haus gemeldet, einer von ihnen erschien zweieinhalb Jahre nach dem Brand bei der Kripo. Einem altgedienten Ermittler erzählte er: "Ich will mich befreien. Ich habe dauernd diese Bilder im Kopf." Und er gestand, dass er es gewesen sei, der den Kellerbrand im Oktober 2010 am Menzelplatz gelegt habe.

Ein rätselhafter Löschversuch

Der Kriminalbeamte hatte im Keller etwas besonderes festgestellt: Es gab zwei Stellen, an denen versucht worden war, Feuer zu legen. Eine war ein altes Sofa, das direkt unter einem Entlüftungsventil für die Wasserleitung stand. Das Entlüftungsventil war aufgedreht. Jemand hatte vermutlich das anbrennende Sofa auf diese Weise gelöscht. 

Ein erster Prozessversuch bleibt ergebnislos

Es sollte bis Ende April 2017 dauern, ehe der Fall zu den Akten gelegt werden konnte. Der Prozesstermin beim Schöffengericht war nicht der erste Versuch der Strafjustiz, den Brand aufzuklären. Nach seinem Geständnis wurde der heute 49-Jährige im Oktober 2015 wegen versuchter schwerer Brandstiftung angeklagt. Beim Schöffengericht kam es im Februar 2016 zu einem ersten Prozess. Warum, erläuterte der Gerichtsvorsitzende Torsten Meyer: "Bei diesem ersten Verhandlungsversuch machte der Angeklagte dubiose Angaben." Dass er im Keller ein Fahrrad holen wollte. Dass er Feuer gemacht habe. Dass er sich nicht mehr erinnere. Dass er nichts mehr wisse. Meyer kam damals dem Antrag des Verteidigers Olaf Liebau nach, den Angeklagten auf seine Glaubwürdigkeit untersuchen zu lassen. Ein Psychiater kam zu dem Ergebnis: Das Geständnis des Mannes sei anzuzweifeln.

"Ich hab' im Keller geraucht"

Nun, beim zweiten Prozessanlauf diese Woche, erzählt der Angeklagte: "Ich war unten im Keller, ich hab' geraucht." Auf die Frage von Richter Meyer: "Haben sie was angezündet?", antwortet Verteidiger Liebau, noch ehe sein Mandant etwas sagen kann: "Außer der Zigarette nichts, oder?" Der Angeklagte sagt: "Ja, aber ich weiß das alles nicht mehr."

Spezielles Sonderwissen hat der Angeklagte nicht

Der altgediente Ermittler kommt noch einmal als Zeuge zu Wort. Schon bei dem Geständnis im Büro bei der Kripo war der Bericht des Angeklagten eher dünn: "Er hatte zwar einige Details im Kopf, aber zu dem Zeitpunkt hatte sich das doch bei den Bewohnern des Hauses herumgesprochen." Der Hauptkommissar entlastet den 49-Jährigen: Spezielles Sonderwissen eines Täters - besonders das Detail der zweiten Brandstelle auf dem Sofa - habe der Angeklagte nicht offenbart. Der Beamte bestätigt auch, dass es keine anderen belastenden Beweise gegen den Angeklagten gibt, etwa DNA-Spuren. Und aus Ermittlersicht bestätigt er das Fazit des Gerichtsvorsitzenden zum Ende der Beweisaufnahme: "Es gibt nichts anderes außer das dubiose Geständnis."

Auch die Staatsanwältin will Freispruch

Staatsanwältin Ramona Eichelsdörfer brauchte keine Beweisführung. Im Plädoyer sagte sie: "Wir haben keinen Tatnachweis. Der Rechtsstaat will nicht, dass man jemanden um jeden Preis verurteilen muss." Eichelsdörfers Antrag auf Freispruch schloss sich der Verteidiger an - und auch das Gericht. In der Urteilsbegründung sprach Richter Meyer von einem "merkwürdigen" Fall. Es gebe keine Zeugen, kein Motiv - im Gegenteil: Der Angeklagte als langjähriger Bewohner des Hauses hätte bei einem größeren Feuer seine Wohnung verloren. Und alleine aufgrund des dubiosen Geständnisses könne ein Gericht jemanden guten Gewissens nicht verurteilen.

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