Die Kapazität der Frauenhäuser in Ober- und Mittelfranken ist völlig ausgeschöpft, die Mitarbeiter sind überlastet Frauenhäuser: Doppelt so viele Betten wären nötig

Von Sarah Becker
Nachgestellte Beratungsszene im Frauenhaus Bayreuth. Foto: Sarah Becker Foto: red

Gewalt gegen Frauen und Mädchen gehört zu den schweren Menschenrechtsverletzungen, und in Deutschland werden immer mehr Fälle gezählt. Laut einer repräsentativen Untersuchung des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Jugend und Senioren haben 37 Prozent aller Befragten  mindestens schon einmal körperliche Gewalt erfahren. Weg vom prügelnden Ehemann suchen die Frauen oft Hilfe in einem Frauenhaus. Doch diese sind oft völlig überlastet und wissen gar nicht, wie sie auf all die  Anfragen reagieren sollen, auch in Oberfranken. Hinzu kommen noch zwei andere Probleme.

 
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Nach Zahlen des Sozialministeriums gibt es 38 Frauenhäuser in Bayern. Auf 10.000 weibliche Einwohner einer Stadt kommt ein Frauenhaus mit acht bis zehn Plätzen. Für Bayreuth bedeutet dies zehn freie Plätze, in Erlangen sind es zwölf und in Coburg acht. Diese freien Plätze werden von Frauen angenommen, welche aus ihrer jetzigen Lebenssituation wegen gewalttätigen Lebenspartnern fliehen müssen. „Wir sind fast immer voll belegt“, sagt die Leiterin des Bayreuther Frauenhauses, Christine Ponnath.

Hohe Dauerbelegung

Die Belegungszahlen seien unglaublich hoch. Im Jahr 2014 seien 83 Prozent der möglichen Plätze für Frauen und 82 Prozent der für Kinder belegt gewesen. 2013 waren es 80 Prozent bei den Frauen und 50 Prozent bei den Kindern. Diese Zahlen sind trotz der Dauerbelegung nicht bei 100 Prozent, da hier die Tage mitberechnet werden, in denen die Räumlichkeiten zwischen einem neuen Einzug gereinigt oder saniert werden.

„Wir haben aktuell eine Warteliste mit mehreren Einträgen. Die Frauen, die wir gerade aufgrund des Bettenmangels nicht aufnehmen können, betreuen wir selbstverständlich trotzdem“, bestätigt Ponnath. In solchen Fällen werden Angehörige und Verwandte miteinbezogen und nach einem Aufenthaltsort für den Übergang gebeten. Falls dies nicht möglich ist, kann es auch zu einem gesetzlichen Beschluss kommen, dass der Mann das Haus oder die Wohnung verlassen muss und sich der Familie auch nicht mehr nähern darf.

Im Durchschnitt bleiben die Frauen vier Monate

Nicht nur in Oberfranken, in ganz Deutschland sind Frauenhäuser überfüllt oder ständig ausgelastet. Die Nachfrage ist groß, die Mitarbeiter sind überfordert. Man könnte denken, dass ein ständiger Wechsel in solchen Einrichtungen ist, doch dem ist nicht so. Auch die Leitung des Frauenhauses in Erlangen bestätigt, dass die wenigsten Frauen schon nach einigen Tagen oder Wochen die Notunterkunft verlassen. „Im Durchschnitt bleiben die Frauen mit ihren Kindern rund vier Monate hier“, sagt Ursula Langer. Doch es gäbe auch nicht selten Fälle, in denen der Aufenthalt bis zu einem Jahr andauert.

Mit dem Problem überfüllte Frauenhäuser in Bayern beschäftigt sich die SPD-Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Aichach-Friedberg bei Augsburg, die Rechtsanwältin Simone Strohmayr. Die steigenden Mieten in den Ballungsräumen hätten auch Auswirkungen auf die Frauenhäuser, sagt sie: „Die Frauen bleiben viel länger in den Frauenhäuser, weil es für alleinerziehende Mütter mit Kindern kaum Wohnungen gibt. Das ist ein Riesenproblem.“ Für die Frauen ist es deutlich billiger, ihren Aufenthalt in Frauenhaus zu verlängern.

Schwierige Finanzierung

Ganz kostenlos ist es aber auch hier nicht. Die Frauen müssen eine kleine Miete für das Zimmer bezahlen. Dies kann über das Arbeitslosengeld II finanziert werden. Viele Frauenhäuser müssen um jeden Cent kämpfen. In Ober- und Mittelfranken setzt sich die Finanzierung folgendermaßen zusammen: Etwa acht Prozent übernimmt der Freistaat Bayern, 16 Prozent kommen von den eigenen Einnahmen aus den Mieten der Frauen und Spenden, Sponsoren und Bußgeldern. Der größte Teil wird aus städtischen Mitteln und vom Landkreis finanziert. Die Frauenhäuser bräuchten nicht nur mehr Geld für einen Ausbau, sondern auch für die individuelle Betreuung.

Es fehlen auch Psychologen und Sozialpädagogen

Oftmals fehlt es aber auch an fachmännischer Betreuung: Die Frauen kämen mehrheitlich mit körperlichen Verletzungen, bestätigt Heidrun Fichter, Leiterin des Frauenhauses in Selb. Des Weiteren wären sie psychisch überlastet, traumatisiert und eingeschüchtert. Hier wären dringend mehr Psychologen und Betreuer nötig, doch die könne keiner finanzieren. In Bayreuth arbeiten aktuell drei Sozialpädagogen, zwei Erzieher, jemand als Verwaltungsrat sowie eine Hauswirtschafterin und ein Hausmeister. Das klingt im ersten Moment vielleicht viel für die Anzahl an Frauen, doch nicht jeder Mitarbeiter ist immer vor Ort. Die Angestellten teilen sich untereinander die Stellen. Nur der Hausmeister und die Hauswirtschafterin arbeiten in Vollzeit.

Und noch ein Problem

In jüngster Zeit kommt noch ein Problem hinzu: „In den letzten Wochen und Monaten haben auch verstärkt Asylbewerberinnen bei uns Hilfe gesucht. Die Gewaltbereitschaft ist nicht nur bei den Ehemännern groß, sondern auch bei Mitbewohnern in den Flüchtlingsunterkünften. Das dort betreuende Personal ist aber sehr kooperativ und hilfsbereit“, erzählt Ponnath. Diese steigende Nachfrage bei Asylbewerberinnen wurde auch von anderen umliegenden Frauenhäusern bestätigt.

Nun hat sich das Sozialministerium eingeschaltet und eine „Bedarfsermittlungsstudie“ in Auftrag gegeben. Das Ergebnis soll bis Jahresende vorliegen. Untersucht werden soll das gesamte Beratungs- und Unterstützungssystem. Danach sollen Konsequenzen diskutiert werden.

Mit Material von dpa.

Dieser Artikel wurde am 28.08.2015 um 10.20 Uhr berichtigt. Ursprünglich hatten wir geschrieben, das Personal in den Flüchtlingsunterkünften sei ebenfalls gewaltbereit. Es sei aber im Gegenteil hilfsbereit, stellte die Leiterin des Bayreuther Frauenhauses richtig. Wir bitten um Entschuldigung.

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